Mtv Unplugged | Patent Ochsner

«Zwischendurch hatte ich Erschöpfungsmomente»

Mastermind Büne Huber über die Ehre und den Stress durch das erste «MTV Unplugged» der Schweiz und die Rückkehr zu den Wurzeln von «Bälpmoos».

Büne Huber, wie fühlen Sie sich vor Ihrer Unplugged-Tournee?
Noch ist es ruhig, aber die nächsten Wochen werden wieder tough. Die Sache mit MTV ist so intensiv wie noch nie. Zwischendurch hatte ich Erschöpfungsmomente. Aber ich habe lieber zu viel zu tun als wieder einen Lockdown! (lacht)

Einen Tag vor den vier Berner Konzerten werden sie 60 Jahre alt. Können Sie da in Ruhe feiern?
Das geht gut. Ich bin mir sicher. Zumal ich die Party nicht selbst organisieren muss, sondern anscheinend meine Frau im Geheimen Vorbereitungen trifft. Struber als im Vorfeld der beiden MTV-Unplugged-Aufzeichnungen kann es sowieso nicht kommen.

Weshalb?
Wegen coronabedingter Verschiebungen hatten wir im letzten Sommer eh schon ein besonders dichtgedrängtes Programm. Als dann noch die MTV-Anfrage kam, die wir nicht ablehnen konnten, ergab es sich, dass ich meine Stimme drei Wochen vor den Aufnahmen bei den vier Konzerten im Landesmuseum aufs Äusserste beanspruchen musste. Ich wusste genau: Wenn es mich jetzt zusammenchrutet, können wir die Sache vergessen! Das wäre der Super-GAU gewesen.

Glücklicherweise ist er Ihnen erspart geblieben. Nun werden Sie bei Ihren Heimspielen wohl doppelt gefeiert. Wie ist das, wenn man dauernd so starke Emotionen erlebt?
Das ist schwer zu beschreiben. Ich empfinde ein tiefes Gefühl von Dankbarkeit, dass wir als Band unterwegs sein dürfen und es dabei immer wieder irgendwie schaffen, die Leute zu begeistern. Das ist wahnsinnig schön. Wobei ich relativ schnell gemerkt habe, dass in der Musikwelt oft absurd geliebt wird. Obwohl sie mir schmeichelt, könnte ich auf diese Übertreibung gut verzichten.

Unplugged-Versionen klingen oft berührender als die Stromfassungen – sogar bei einer Band wie Patent Ochsner, die für ihre gefühlvollen Lieder bekannt ist?
Schwierig zu beurteilen. Bei den Vorbereitungen hat mich vor allem beschäftigt, dass man in die alten Geschichten eintauchen und sie nochmals durchleben muss, wenn man bestehenden Songs ein neues Kleid anziehen will. Da das Forschen in der Vergangenheit nicht so mein Ding ist, hier aber nötig war, erlebte ich einige besonders emotionale Momente.

Gibt es Fälle, wo die Unplugged-Fassung wieder klingt wie der Hit in seiner Urversion?
Das ist unterschiedlich. «Bälpmoos» war für mich das Schlüsselerlebnis. Bei unseren Konzerten spielen wir es normalerweise muskulös und angriffig, da die Wut im Vordergrund steht, weil man fortgehen möchte, es aber nicht kann. In der ursprünglichen Version steckte aber auch sehr viel Trauer. Seit ich 18 war, sass mein Vater im Rollstuhl und war im höchsten Mass pflegebedürftig. Deswegen konnte ich nicht reisen, wie ich gewollt hätte. So packte mich ein enormes Fernweh, wenn ich auf dem Weg zur Arbeit Flugzeuge starten und landen sah. In unserer transparenten Unplugged-Version haben wir diesen melancholischen Kern wieder herausgeschält.

Wie hat sich die «Bälpmoos»-Erfahrung ausgewirkt?
Bei vielen Songs hat sich plötzlich eine Türe aufgetan. Man hat etwas gehört, das man weiterspinnen wollte. Manchmal hat die neue Fassung auch nichts mit der ersten Skizze zu tun. Fast bei jedem Song war der Prozess anders, aber immer kamen wir in den Übungsraum und spielten viel weniger als ursprünglich gedacht. Wir haben zuerst lange geredet, über die damalige Zeit, die Ursprünge, weshalb uns dieser Song wichtig ist und warum wir ihn geschrieben haben.

Wie haben Sie die Songs ausgewählt?
Die MTV-Unplugged-Hausordnung verlangt, dass man Gäste hat, seine Hits spielt und mindestens zwei neue Lieder. Insofern hat sich die Setliste fast automatisch ergeben. Auf jeden Fall wäre es ohne «Scharlachrot» und «W. Nuss vo Bümpliz» nicht gegangen – ausser, wir hätten die neuen Versionen an beiden Abenden verhauen! (lacht)

Wie haben Sie eigentlich reagiert, als Sie 2020 für «MTV Unplugged» angefragt wurden?
Im ersten Moment war ich sehr überrascht. Im zweiten Moment…das tönt jetzt vielleicht blöd: Es hat mir überhaupt nicht in den Plan gepasst! (lacht) Wir wollten Konzerte geben, die meine Bilderausstellung ergänzten, und ein neues Album aufnehmen. Wir wollten uns diese Chance aber nicht entgehen lassen. Covid blieb dabei die grosse Unbekannte.

Wie gingen Sie damit um?
Früher konnten wir über zwei Jahre hin verlässliche Pläne schmieden. Nun brauchen wir einen Plan A, B und C. Es handelt sich inzwischen um eine Art Quantenphysik. Wenn wir eine Lösung gefunden haben, belohnen uns mit einem Nachtessen, klopfen uns auf die Schulter und am nächsten Morgen um 7 Uhr ist klar, dass wir schon wieder umdisponieren müssen.

Welche Rolle spielte der Umstand, dass Sie als erster Schweizer zum MTV-Handkuss kamen?
Ich fühlte mich sehr geehrt, die ganze Band. Viel Zeit um herumzukaspern blieb jedoch nicht, denn wir hatten wahnsinnig viel Arbeit vor uns.

Wer hat Sie mit Ihren «MTV Unplugged»-Konzerten beeindruckt?
Der Klassiker ist Nirvana. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass diese Band ohne Strom so funktionieren würde und eine solche Intensität entwickeln könnte. Das ist mir total eingefahren. Bei der Beschäftigung mit dem Format habe ich gemerkt, dass es nicht «komplett ohne Strom» bedeuten muss. Eine Hammondorgel ist streng genommen nicht unplugged, aber fast überall zu hören. Offenbar gibt es eine Grauzone, die jedoch immer neu verhandelt wird. Wir wollten den ungarischen gesprochenen Text am Ende von «Maria Magyar» von einem alten Tonband – quasi analog – abspielen, doch die MTV-Leute meinten, er müsste live gelesen werden. So haben wir auf den Song verzichtet.

Welches war Ihr letztes «MTV-Unplugged»-Highlight?
Die Udo-Lindenberg-Produktion fand ich wahnsinnig toll, auch wegen der theatralischen Inszenierung, die mir zeigte, in welche Richtung es bei uns gehen könnte. Allerdings hatten wir im Gegensatz zu ihm kein Millionen-Budget zur Verfügung.

Wer hat bei Ihnen die Kosten getragen?
MTV stellt nur sein Know-how zur Verfügung, aber kein Geld. Die Finanzierung mussten wir selbst auf die Beine stellen. So haben wir uns zum ersten Mal Sponsoren gesucht, aber darauf geachtet, dass sie auch zu uns passen. Aus diesem Grund fiel mir kein Zacken aus der Krone, für Coop eine Pro-Montagna-Einkaufstasche zu gestalten. Produkte dieses Labels stehen oft in unserem Kühlschrank. (lacht) Reinhold Hönle

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