Er ist beim «Bestatter» der einzige Berner in einer Hauptrolle. Am Dienstag fiel für Reto Stalder nun endgültig die letzte Klappe. Ein Gespräch über Muskeln und derbe Sprüche.
Reto Stalder, wir telefonieren, statt in Bern in bei einem Kaffee zu sitzen. Weil Sie als Berner in Zürich wohnen?
Ja, ich habe hier seit drei Jahren ein Zimmer. Es war ein schleichender Prozess.
Man hört es auch sprachlich. Sie sagen «Ich» statt «Ig» und «Näi» statt «Nei».
Oh ja (lacht). Um mich herum sind ständig Zürcher, das mit dem Dialekt passiert so schnell. Wobei: Wenn ich mit Leuten aus Bern rede, switche ich schnell wieder zurück.
Wo fühlen Sie sich mittlerweile mehr zuhause?
Wahrscheinlich schon eher in Zürich. Sämtliche Castings finden hier statt, Sprecherjobs ebenfalls.
Plagt Sie manchmal nicht Heimweh?
Ich hatte in den letzten Monaten gar keine Zeit für Wehmut, obwohl ich natürlich gerne nach Bern
komme, etwa, um meine Mutter oder meinen Bruder zu besuchen. Die Menschen in Zürich sind manchmal schon ein wenig unfreundlicher, alles wirkt ein bisschen gestresster.
Keine Zeit für Wehmut also – auch nicht, als die letzte «Bestatter»-Klappe fiel?
Wir wussten ja schon im Voraus, dass wir die finale Staffel drehen. Während der Arbeiten am Set war deshalb eigentlich alles wie immer. Als wir uns im Team aber kürzlich trafen und die aktuelle Folge ansahen, habe ich zum ersten Mal etwas Komisches gespürt. Ich dachte: Wann sehen wir uns wohl wieder?
Inwiefern hat Sie die Serie verändert?
Als wir vor rund sieben Jahren mit dem «Bestatter» angefangen haben, war ich noch mitten in der Ausbildung zum Schauspieler und hatte mit dem Genre Film nicht allzu grosse Erfahrungen. Der Umgang am Set fühlte sich dann zunächst komisch an, auch, weil hier im Gegensatz zur Theaterbühne meistens nicht in chronologischer Abfolge gedreht wird.
Der Tod ist beim «Bestatter» – logischerweise – omnipräsent. Was aber nicht heisst, dass stets eine ernste oder düstere Stimmung herrschte?
Nein, ganz und gar nicht. Klar, wenn wir merkten, dass Regen im Anzug ist und wir uns mit den Dreharbeiten im Rückstand befanden, wirkte das manchmal schon etwas bedrückend. Alles in allem wars aber grundsätzlich sehr locker: Wir lachten über Versprecher oder über andere Dinge, die nicht funktionierten.
Trotzdem macht man sich wohl mehr Gedanken übers Leben als früher.
Fast zwingenderweise, ja. Wenn wir in einem Krematorium gedreht haben, trafen manchmal echte Urnen ein, die von Angehörigen der Verstorbenen abgeholt wurden.
Und jetzt bitte einen derben Spruch, der in diesem Zusammenhang gefallen ist.
Wir diskutierten beispielsweise darüber, ob wir wohl später mal eine Erd- oder eine Feuerbestattung wünschen würden. Oder wir haben uns Urnenkataloge angeschaut und sagten: «Also diese Paintbrush-Version ist eher nichts für mich.»
Bei «Giacobbo/Müller» blödelte Mike Müller herum, hier besetzte er nun eine sehr ernsthafte Rolle. Wie ist er denn wirklich?
Er zeigt beide Seiten, je nach Situation. Wenn er aber merkt, dass die Stimmung gerade im Keller ist, kann er die Leute mit einem guten Spruch wieder aufheitern.
Ihre Figur Fabio Testi sieht aus wie ein Prototyp aus der Gothic-Szene. Zudem wirkt er androgyn – und man wird die Vermutung nicht los, er könnte auch auf Männer stehen.
Fabio hat das ja sogar mal erwähnt, dass er möglicherweise homosexuell sei. Tendenziell steht er aber auf Frauen, wie wir ja jetzt sehen.
Auffällig ist Ihre hagere Figur. Gute Gene oder essen Sie einfach wenig?
Im Gegenteil! Wenn ich mich am Set beim Catering-Buffet jeweils mit anderen verglichen habe, ass ich tendenziell sogar mehr. Ich bin wohl einfach ein guter Verwerter (lacht).
Jetzt, da «Der Bestatter» Geschichte ist – haben Sie Angst vor Ihrer beruflichen Zukunft?
Nicht wirklich, was aber weniger mit der Höhe der Gage zu tun hat, sondern eher mit den regelmässigen Angeboten, die derzeit eintreffen (lacht). Momentan spiele ich in der Komödie «Willkommen» im Theater am Hechtplatz mit. Ab November bin ich dann im Bernhard Theater in der «Kleinen Niederdorfoper» engagiert.
«Liebesfilm? Vielleicht ‹Rosamunde Pilcher›, dann könnte ich die schönen Landschaften Englands entdecken.»
Wurden Sie bereits für eine Rolle im neuen Zürcher «Tatort» angefragt?
Oh nein, das wüsste ich, die Castings laufen ja bereits (lacht).
Welches Filmgenre respektive welche Rolle würde Sie denn reizen? Liebesfilm, Mörder, Kriminalkommissar oder doch Actionheld?
Krimis schaue ich selber auch gerne, das wäre sicher eine Möglichkeit. Mörder … wieso nicht, die andere Seite wäre sicher spannend. Liebesfilm? Vielleicht «Rosamunde Pilcher», dann könnte ich die schönen Landschaften Englands entdecken.
Und was war noch?
Actionheld.
Ah ja, genau. Da müsste ich aber zuerst intensiven Muskelaufbau betreiben (lacht).
Sandwiches: 7 x 66 Drehtage = 462 Drehtage x durchschnittlich 80 Sandwiches = 36 960 Sandwiches
Kostüme: 1850
Kameradaten: 36,96 Terrabite
MitarbeiterInnen und Komparsen: 4580
Anzahl Fälle: 29
Anzahl Tote: 74
Anzahl Morde: 43
Anzahl Bestattungen: 29
Lohnkosten ca.: 7,5 Mio. CHF
Anzahl Drehbuchseiten: ca. 2500
Yves Schott