«Auch in der Bildung 4.0 ist die Datensicherheit das oberste Gebot»

Nicole Berchtold (Moderatorin) mit Martin Bachofner (CEO Bern Tourismus)

Der «Spirit of Bern» geht in die dritte Runde: Führende Köpfe aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft besprechen am 22. Februar im Kursaal Bern eingehend das Hauptthema «Bildung 4.0». Stadtpräsident Alec von Graffenried und Prof. Christian Leumann, Rektor der Universität Bern, haben dieses für den Bärnerbär bereits andiskutiert. Bärnerbär: Herr Stadtpräsident Alec von Graffenried, Herr Prof. Christian Leumann. Sie sind beide Stiftungsräte des «Spirit of Bern». Welche Mehrwerte ermöglicht die von der Stiftung organisierte Konferenz neben dem Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft?

Alec von Graffenried: Uns geht es vor allem darum, dass die vielen hervorragenden Forschungsresultate und die damit erzielten Erkenntnisse und Fortschritte den Weg von der wissenschaftlichen Diskussion hinaus in die Gesellschaft finden. Dafür sind Politiker und Wirtschaftsvertreter wertvolle Ansprechpartner. Die besondere Stärke Berns ist dabei klar: Die nationale, kantonale und städtische Politik finden hier statt. Auch arbeiten und leben hier viele renommierte Forscher und Unternehmer.
Prof. Christian Leumann: Ich sehe das genauso. Aus Sicht der Universität Bern ist es enorm wichtig, dass wir unser Wirken und unsere Forschungsergebnisse der Wirtschaft und der Politik vorzeigen. Neue Erkenntnisse eröffnen uns Menschen häufig neue Möglichkeiten – und den Wirtschaftsvertretern nicht selten entsprechend interessante Märkte. Das Klischee vom Werkeln im Elfenbeinturm ist längst überholt. Das wissen leider noch nicht alle. Auch hier hilft uns der «Spirit of Bern».
Alec von Graffenried: Deshalb ist die Breitenwirkung der Konferenz so wichtig. Die Öffentlichkeit soll mehr über die Anliegen und Ziele des «Spirit of Bern» erfahren.

Die Welt wird immer komplexer. Globale Probleme wie beispielsweise die Klimaerwärmung müssen gelöst werden. Können wir die Zukunft nur noch bewältigen, wenn die Wirtschaft, die Wissenschaft und die Politik gemeinsam am Karren ziehen?

Alec von Graffenried: Das ist keine neue Erkenntnis. Wir alle sind stark gefordert. Vorwärts kommen wir nur, wenn wir zusammenarbeiten. Deshalb ist der Austausch unerlässlich.
Prof. Christian Leumann: Wichtig ist, dass die Wissenschaft auch künftig frei forschen kann. So bleibt sie breit aufgestellt und bietet weiterhin äusserst vielfältige Ansätze und Ergebnisse. Nur wenn diese Fülle erhalten bleibt, werden wir auch grosse Probleme meistern. Klar ist auch: Die Inputs aus der Wirtschaft, der Politik und der Gesellschaft sind genauso wichtig und befruchten die Forschung.

Am Vormittag des dritten «Spirit of Bern» werden neue Ansätze und Lösungen für die Palliativmedizin, den Bereich eHealth oder die Provenienzforschung in der Kunst diskutiert. Das Hauptthema «Bildung 4.0» steht am Nachmittag und Abend auf dem Programm. Welchen Stellenwert hat die digitalisierte Bildung heute?

Alec von Graffenried: Welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Bildung hat, ist schwierig abzuschätzen. Zumal sich in diesem Bereich alles sehr schnell entwickelt. Sicher ist aber, dass die Digitalisierung täglich wichtiger wird. Der digitale Wandel ist so umfassend, dass wir Menschen neues Rüstzeug benötigen, um künftig bestehen zu können. Nun fragt sich, welches die Schlüsselkompetenzen sein werden, die die Bildungsinstitutionen den Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen beizubringen haben. Es geht ja auch darum, dass wir diejenigen Fähigkeiten vermitteln, die in der digitalisierten Welt von der Wirtschaft verlangt werden. Nur so werden wir die Arbeitnehmenden fördern und sie in die Lage versetzen, fit zu sein für die Arbeitswelt der Zukunft. Ich bin gespannt, was die Experten am «Spirit of Bern» dazu sagen werden. Ich denke aber, dass hier noch längst keine Einigkeit besteht.

Die Regierung von Nordrhein-Westfalen hat es in ihrem Leitbild «Lernen im digitalen Wandel» versucht und zählt den Umgang mit neuen Medien, Informatik-Kenntnisse und die Fähigkeit zu deren Anwendung zu den digitalen Schlüsselkompetenzen und setzt diese auf dieselbe Stufe wie das Schreiben, Lesen und Rechnen

Prof. Christian Leumann: Das ist ein interessanter Ansatz. Ob es der richtige ist, wird sich weisen. Ich stimme dem Stadtpräsidenten zu. Noch gibt es keine unbestrittenen Digitalisierungsstrategien. Schon gar nicht für Universitäten. Wir stecken mitten in einem Prozess und lernen täglich dazu. Auch dank Fehlern. Auch wir fragen uns, wie in 10 Jahren gelehrt und gelernt werden wird. Da stellen sich viele Fragen. Durchaus auch diese, ob wir irgendwann überhaupt noch Hörsäle benötigen. Wir versuchen, einen gesunden Weg zu finden. Denn nicht jede technische Lösung ist auf den Menschen zugeschnitten. Das gilt auch bei der Bildung. Zudem wollen wir berücksichtigen, dass die Digital Natives nicht nur mit vielen neuen digitalen Tools und Kanälen lernen und arbeiten, sondern gerade deswegen auch anders funktionieren, denken und handeln als die vorangehenden Generationen.

Wo sehen Sie die Grenzen der digitalisierten Bildung?

Prof. Christian Leumann: Die sichere Verschlüsselung von heiklen Daten ist der Kernpunkt. Deren Missbrauch muss möglichst ausgeschlossen werden können. Das ist technisch enorm schwierig. Gehackte Daten sind bei Prüfungen und Forschungsarbeiten genauso ein Problem wie das beispielsweise auch bei elektronischen Patientendossiers oder beim eVoting, dem Abstimmen und Wählen per Computer, der Fall ist. Selbst sauber anonymisierte Daten sind nicht bedenkenlos. Es ist immer denkbar, dass Algorithmen diese analysieren, mit vorhandenen Daten abgleichen und danach Einzelpersonen zuweisen können.
Alec von Graffenried: Digitale Angebote wirken auf den ersten Blick immer enorm smart und fortschrittlich. «Klar, auch das geht digital schneller und einfacher», denken wir uns oft. Dabei unterschätzen wir die Risiken. Sie liegen für mich vor allem im Schutz der Privatsphä- re. Die Privatsphäre ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Sie droht durch die Digitalisierung verloren zu gehen. Aber wir sind und bleiben verletzliche Persönlichkeiten. Darum hat der Persönlichkeitsschutz für mich oberste Priorität. Digitalisierung hin oder her. Der Zugriff zu sensiblen Daten muss technisch klar geregelt sein. Die Lösungen müssen wasserdicht sein. Sind sie es nicht, dann sollten wir den Versuchungen widerstehen.

Dominik Rothenbühler

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