Täglich um sechs Uhr läutet beim vierfachen Familienvater Stephan Flückiger in Port der Wecker. Seine Frau und die vier Kinder lassen sich dadurch nicht stören, denn Sie wissen, dass für ihren Mann und Vater spätestens eineinhalb Stunden später der Arbeitstag im Wankdorf beginnt.
Hier nennen ihn alle «Flügu», weil er einst selbst am Flügel spielte und es bis zu Nominationen in die Auswahl Bern-Süd brachte und der Name Flückiger für die fremdsprachigen Spieler zu kompliziert ist. Er liebt seinen Job, es stört ihn nicht, so früh aus den Federn zu müssen. «Ich habe eine unglaubliche Leidenschaft für diese Arbeit und für YB, ich gehe immer gerne ins Wankdorf, auch, aber nicht nur, weil der Teamgeist von unten bis oben so grossgeschrieben wird», erzählt «Flügu» strahlend.
Wie wird man bei YB Reha- und Konditionstrainer?
Um SOC-Konditionstrainer zu werden, benötigte ich den Vorschlag eines Sportverbands. Was lag da näher als der SFV? Nachwuchstrainer Yves Débonnaire und Beat Walpen, Sekretär der Technischen Abteilung, unterstützen mich und nach einem Praktikum bei YB fragte mich der damalige Technische Leiter, Erminio Piserchia, ob ich Interesse an einem Engagement bei YB hätte. Über die U21 kam ich dann zwei Jahre später zum Fanionteam.
Und wurden in vier Jahren viermal Meister …
Ja, ein unglaubliches Privileg. Es zeigt, dass bei YB auf allen Ebenen wertvolle Arbeit geleistet wird und verdient grössten Respekt. Ich bin sehr dankbar, Teil davon sein zu dürfen.
Sie haben mit Ihrer Arbeit viel dazu beigetragen. Wer Spieler auf «Flügu» anspricht, hört nur Superlative. Wie Sie beispielsweise Sandro Lauper nach zwei Kreuzbandrissen innerhalb von 22 Monaten wieder fit gebracht haben, verdient höchste Anerkennung.
Wir unterscheiden in der Reha eines verletzten Spielers vier Phasen. Denken die Physiotherapeuten, dass ein Spieler bereit ist für ein individuelles Aufbautraining, kommt er zu mir. Mit Sandro Lauper habe ich wirklich viel Zeit verbracht. Dass er so stark zurückgekommen ist, hat mich enorm gefreut. Aber das lag auch an seinem unbändigen Willen. Wir pflegten eine perfekte Zusammenarbeit.
Was fühlten Sie auf der Tribüne, als er bei seiner Rückkehr so glänzend spielte und skorte?
Ich war überglücklich zu sehen, dass sich die monatelange harte Arbeit gelohnt hat und war stolz auf ihn. Und als an der Meisterfeier Sandros Mutter auf mich zukam und mir dankte, hat mich das sehr berührt.
In Ihrer Funktion sind Sie für die Spieler auch eine Vertrauensperson, ein Beichtvater, dem sie ihre Sorgen und Nöte anvertrauen.
Das Verhältnis mit den Spielern ist wertschätzend und äusserst freundschaftlich. Dass hin und wieder auch Themen besprochen werden, die nichts mit Fussball zu tun haben, liegt auf der Hand, doch das ist streng vertraulich.
Jetzt sind Sie wieder vielbeschäftigt. Captain Fabian Lustenberger und Jean-Pierre Nsame erlitten einen Riss der Achillessehne, Esteban Pétignat einen Kreuzbandriss und auch andere Spieler sind mit grossen und weniger grossen Verletzungen in ihren Händen. Wie sieht es aus?
Lustenberger und Nsame sind noch nicht so weit, dass sie schon mit mir trainieren, Pétignat sollte beim Start in die Vorbereitung wieder mit der Mannschaft das volle Programm mitmachen können.
Die Idealvorstellung wäre eigentlich ein arbeitsloser «Flügu».
Das stimmt, aber das wird nie der Fall sein. Nebst dem Rehabereich gibt es auch noch andere Aufgaben für mich und Martin Fryand. Hat ein Spieler in irgendeinem Bereich ein Defizit, kümmern wir uns um ihn und versuchen, seine Leistungsfähigkeit mit individuellen Massnahmen zu fördern.
Wer sind im täglichen Ablauf ihre wichtigsten Ansprechpartner?
Da ist einmal Martin Fryand, dann der Cheftrainer und selbstverständlich Sportchef Christoph Spycher, der sich für alles interessiert und um alles kümmert. Mit Gerardo Seoane war die Zusammenarbeit hervorragend. Er informierte sich immer, welche Fortschritte ein verletzter Spieler erzielt und wann er wieder auf ihn zählen kann. Es bestand eine offene Kommunikation. Im Alltag zeigt sich, wie gross bei uns der Zusammenhalt ist. Wir haben keine Eigenbrötler, alle sind echte Teamplayer.
Wie sah der Alltag während Corona aus?
Am Anfang waren Martin Fryand und ich quer durch die Schweiz mit einem Lieferwagen unterwegs und stellten jedem Spieler ein Spinningbike in die Wohnung. Danach erstellten wir einen individuellen Trainingsplan und machten via Zoom Live-Trainings. Die Spieler schätzten das sehr, machten mit viel Elan mit und genossen es auch, dass sie in den ersten zehn Minuten miteinander plaudern konnten.
Da gab es sicher auch lustige Interrmezzi.
Ja, wir haben auch viel Spass gehabt, vor allem, wenn «Wolf» (Marco Wölfli, die Red.), statt seine Übungen mit dem Gummiseil zu zeigen, irgendein lustiges Bild in die Kamera hielt. Pierre Benoit