Ein Leben für den Vollrausch

Seit 20 Jahren berät Daniel Allemann (62) drogenkonsumierende Partygänger. Nun ist der Berner für seinen nachhaltigen Einsatz geehrt worden.

Der Satz ist genau so gemeint, wie er hier steht: Daniel Allemann, Labormitarbeiter des Kantonsapothekeramts, hat sein Leben voll und ganz den Drogen verschrieben. Nun ja, zumindest mehr als sein halbes. Seit 1985 untersucht er, nebst Arzneimitteln, von Berufs wegen Substanzen wie Kokain, LSD oder Ecstasy auf deren Zusammensetzung. 1998 fing der Berner an Wochenenden an, Pillen und Pülverchen an Partys zu testen, um der tanzenden Meute zu erklären, was sie da eigentlich konsumiert und wo die Risiken liegen. Immer mit vor Ort: weitere Experten, Sozialarbeiter für die obligatorische Beratung und ein Lastwagen mit integriertem, mobilem High-Tech-Labor. Für diesen Einsatz erhielt Allemann Ende Januar an den Swiss Nightlife Awards in Zürich die Trophäe für sein Lebenswerk: eine goldene Eule. «Das ist eine grosse Anerkennung. Wenn mir die Club-Szene diesen Preis übergibt, ist mir das mindestens so wichtig wie wenn das Wissenschaftler tun würden», sagt der 62-Jährige.

«Kokain gilt als cool»

Allemanns Labor befindet sich im Muesmatt-Quartier. Zischen und blubbern tut es hier übrigens nirgends. Keine rauchenden Reagenzgläser, keine farbigen Lösungen in Standkolben. Dafür überall summende Maschinen, Gepiepse; hier eine Grafik, da eine Statistik, die ein Computer soeben ausgespuckt hat. In drei Jahren wird Allemann pensioniert. Trotzdem: von Ermüdungserscheinungen keine Spur. «Einerseits die präzisen Labormessungen, andererseits dann den Konsumenten die Auswertungen fachgerecht und verständlich zu kommunizieren.» Das sei seine Arbeitsmotivation in all den Jahren gewesen, erklärt der gelernte Chemielaborant, noch immer hochmotiviert. Hoch im Kurs stehen derzeit vor allem Amphetamine, zu denen etwa Speed gehört, Kokain und die klassischen Ecstasy-Pillen. Wobei der Kokain-Anstieg in den letzten Jahren signifikant ist. «Die Banalisierung von Kokain ist ein grosses Problem. Heroin gilt als Loser-Droge, jene Konsumenten gelten als Junkies, während ‹Cola› als cool gilt», führt Allemann aus. Sowieso sei das Gefährlichste an sich nicht der Stoff, sondern der unwissende Konsument.

Potenzielle Berner Hotspots

Seine persönliche Haltung zu Drogen verrät Allemann nicht. Mag sein, dass er gar keine hat. «Drogen werden konsumiert, sie gehören zur Gesellschaft, seit es die Menschen gibt», konstatiert der Drugchecking-Experte bloss. Und meint mit einem Augenzwinkern: «Ein Soziologe hat mal ausgerechnet, dass nur rund zehn Ethnien völlig ohne Drogen auskommen. Die Eskimos gehören dazu, da wächst auch schlicht nichts.» Knapp zwanzig Minuten dauert es, bis Allemann und sein Team wissen, ob etwa das untersuchte Kokain rein ist oder zusätzlich gesundheitsgefährdende Streckmittel beigefügt wurden. Beim ergänzenden stationären Angebot DIB+ erfolgen die Analysen donnerstags, um die Resultate am Freitag kommunizieren zu können. Damit das Partypublikum weiss, was es sich dann am Wochenende in den Rachen oder in die Nase stopft. Es handle sich aber dabei nur um eine Trendaussage, welche Mittel gerade in Umlauf seien. «Einen Persilschein geben wir nicht ab», so Allemann. Rund zweimal pro Jahr kommt das mobile Labor in Bern zum Einsatz. An Orten, an denen Techno, Rave oder Goa läuft. Potenzielle Hotspots also wie beispielsweise die Reithalle oder der Gaskessel. Dort, wo die einschlägig bekannten Mittelchen in Umlauf sind. Andererseits fährt Allemann auch nach Zürich, Basel oder Genf. «Um 10 Uhr abends starten wir ungefähr. Nach getaner Arbeit schlafen wir ein paar Stunden in einem Hotel, bis wir wieder fahrtauglich sind, dann gehts zurück nach Bern.» Allemann und die Drogen Eine Frage muss noch sein, klar. Hat Allemann selber ebenfalls schon Drogen zu sich genommen? Ohne zu zögern antwortet er: «In Zusammenhang mit meiner Arbeit war ich für medizinische Studienzwecke schon mehrmals Proband.» Hängengeblieben sei er aber nie, betont er. «Wenn ich mit der Affinität zu solchen Substanzen ein Problem hätte, könnte ich diesen Job sowieso nicht machen.» Um eine goldene Eule zu beobachten, braucht Allemann sowieso keine halluzinogenen Produkte.

Yves Schott

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