Karl Gorsatt bewegen zwei Dinge: Shoppy und Schutte. Die erste Leidenschaft macht ihn wunschlos glücklich – bei der zweiten besteht indes noch Luft nach oben.
Manchmal haben solche Sätze ja etwas Gekünsteltes. Ihm nimmt man es sofort ab, wenn er sagt: «Ich komme nach wie vor jeden Morgen hochmotiviert hierher.» Seit fast zehn Jahren ist Karl Gorsatt Center-Leiter des Shoppyland Schönbühl. Bald wird er 61, obwohl er um einiges jünger wirkt. Äusserlich wie auch durch seine direkte, frische Art. «Das Einkaufscenter-Leben hat mich immer fasziniert», erklärt der Berner. Als das Shoppyland 1975 eröffnete, damals noch mit dem Hyde Park und dem legendären leuchtenden Brunnen, an dessen Fäden sich das Wasser hinunterschlängelte, war Gorsatt 18-jährig. «Ich hatte schon damals das Gefühl, dass ich hier mal Center-Leiter werden muss.» Via Loeb, Swisscom, Shopping Tivoli in Spreitenbach und dem Westside landete er dann tatsächlich in Moosseedorf. Dort steht das Gebäude mit einer Verkaufsfläche von fast 50 000 Quadratmetern nämlich – entgegen seines Namens – hauptsächlich.
Die vergessene Aktion
Mit Begeisterung spricht Gorsatt, der in Langenthal zur Schule ging, über sein Einkaufszentrum: «Das Shoppy ist in der Region verankert und hat eine treue Stammkundschaft.» Oder: «Bei allfälligen Leerständen haben wir stets Interessenten.» Die letzte freie Fläche wird im kommenden Frühsommer mit dem Einzug der Fast-Food-Kette Kentucky Fried Chicken gefüllt. In Zeiten, in denen immer mehr Menschen ihre Turnschuhe und Reiseführer online bestellen, ist das keine Selbstverständlichkeit. Viel hat Karl Gorsatt, seit er 2008 den Job angetreten ist, erlebt. Die Pensionierung von Kult-Abwart Kurt Sieber etwa, der im Shoppy 40 Jahre lang nach dem Rechten gesehen hat. Oder das Erlebnis mit dem verärgerten Kunden, der unbedingt persönlich mit dem Chef sprechen wollte. «Er hatte sich lauthals darüber beschwert, dass man vergessen hatte, eine Aktion für Mineralwasser zu inserieren.» Gorsatt lud den frustrierten Konsumenten zum Essen ein. Dieser habe sich im Restaurant, ganz unbescheiden, ein Entrecôte bestellt. «Dann zückte er seine Agenda und zeigte alle Aproz-Aktionen der vergangenen Jahre, die er sich dort eingeschrieben hatte.» Gorsatt kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als er die Geschichte erzählt.
«Eigentlich bist du tot»
Auch das Ereignis, das sich Ende März abgespielt hat, ringt dem Mann mit der freundlichen Stimme mittlerweile höchstens noch ein entspanntes Lächeln ab. Damals, im Frühling, entdeckten Ärzte bei Gorsatt während einer Routine-Untersuchung verengte Herzkranzgefässe. Eine Bypass-Operation wurde unumgänglich. «Und dann liegst du dort im OP-Saal, bist völlig ausgeliefert. Das vergesse ich nie. Das Herz wird stillgelegt, eigentlich bist du tot, lebst nur durch eine Herz-Lungen- Maschine weiter.» Doch es lief alles reibungslos, Gorsatt ist fit und komplett gesund. Mehrmals pro Woche gibt er Spinning- Unterricht. Angst habe er, hält Gorsatt fest, in der Zeit vor dem Eingriff nie gehabt. Allzu viel Belastung mag er sich trotz allem nicht zumuten. Den Weihnachtsstress will sich Gorsatt schon seit längerem nicht mehr antun. «Das hat sich mit dem Alter gelegt (lacht). Was ich an Geschenken brauche, ist hier bei mir bereits im Büro im Schrank.» 1500 Franken hat er dafür ausgegeben.
Die Sache mit der Schminke
Seine zweite grosse Leidenschaft gilt dem Fussball. Wann immer möglich, reist Gorsatt der Nationalmannschaft hinterher. «Seit 1994 gehe ich regelmässig an Europa- und Weltmeisterschaften. Ich buche immer bis zum Achtelfinal, weil ich denke, dass die Schweizer es bis dahin schaffen.» Bis jetzt hat das meist ganz gut geklappt. Der Shoppy-Chef schminkt sich auch in rot-weissen Farben. Allerdings nur im Ausland. «In der Schweiz würde ich das nie mehr machen. Ich habe das einmal bei einem Quali-Spiel gegen England ausprobiert, hier funktioniert das nicht.» Fernab von der Heimat, so Gorsatt, sei die Atmosphäre viel entspannter. Deshalb gehe er nicht nur ins Stadion und schaue sich die einzelnen Partien der Nati an. «Ich lebe quasi dort, verbringe mit meiner Frau, die voll mitmacht, ein paar Wochen Ferien.» Ihm selber ist eine ganz grosse Fussballer-Laufbahn verwehrt geblieben. Obwohl er in der Junioren- Nati spielte. «Durch meine Impulsivität habe ich mir leider die Karriere ruiniert. Ich hatte dauernd Lämpe; mit den Gegenspielern und vor allem mit den Schiedsrichtern … Insgesamt wurde ich wohl zwischen 20 und 30 Mal vom Platz gestellt.» Natürlich grinst Gorsatt auch bei dieser Anekdote.
«… das wäre schon toll»
Logisch, dass jemand wie er, der in seinem Leben schon so vieles erund überlebt hat, mehr will. Und von Grösserem träumt. «Einmal möchte ich noch auf den Aconcagua, den höchsten Berg Südamerikas.» Und im Fussball? «Zumindest an einer WM oder EM ein Spiel gegen Deutschland gewinnen.» Zu dieser Konstellation könnte es schon 2018 in Russland kommen. Das Christkind wird im kommenden Sommer eine Sonderschicht einlegen müssen.
Yves Schott