
Da sitzt er am Klavier, ruhig und bedächtig. Ist das tatsächlich Wurzel-5-Rapper Serej? Ja. Doch keine Angst: Seine wilde Seite gibt es immer noch.
Serej, du bist seit Neuestem solo unterwegs?
Die Mani-Matter-Interpretationen gibt es noch nicht lange, das stimmt. Andere Lieder von mir aus früheren Zeiten sind aber schon 10-jährig oder sogar noch älter. 2008 haben wir mit Wurzel 5 das letzte Album herausgebracht. Dann suchte ich einen neuen Weg, der sich aber zunächst im Sand verlaufen hat. Plötzlich kam ich auf die Idee, Mani Matter zu spielen und so ergab das eine das andere.
Man las, dass es dir eine Weile lang nicht so gut ging …
Es gab etwas, das mich psychisch belastete. Diese Phase war der Zünder, der Auslöser, um die Mani-Matter-Songs überhaupt zu spielen. Mani als Balsam für die Seele, als Heilung sozusagen.
Wieso ausgerechnet Mani Matter, der sowieso schon so häufig gecovert wurde?
Seine Songs verbinden Menschen über Generationen hinweg, sowohl Junge wie auch Ältere finden diese Musik cool. Es ist wohl die einzige Schweizer Musik, die das Volk in der Weise verbindet. Texte, die man auf so viele verschiedene Arten betrachten kann und die allen nahegehen, weil sich so viel zwischen den Zeilen lesen lässt und Dinge auf den Punkt gebracht werden. Kinder- oder Erwachsenenaugen, das spielt hier keine Rolle.
Mani Matter als wichtiges Bindeglied in politisch schwierigen Zeiten?
Mani hat sich politisch nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt, es handelt sich eher um Statements durch die Blume. Vor allem aber sind die Lieder nach wie vor echt und aktuell, sie lassen sich wunderbar auf die heutige Zeit adaptieren.
Früher hast du einen auf harten Rapper gemacht, jetzt spielst du melodiöse Songs auf dem Klavier. Ein krasser Sinneswandel.
Dass man älter und ruhiger wird, ist doch normal. Man kann das eine tun und muss das andere nicht lassen: Ich kann auch heute noch auf der Bühne stehen und meine alten Texte rappen. Vielleicht drücke ich mich mittlerweile generell ein bisschen differenzierter aus, mag sein, das ist der Lauf der Dinge. Grundsätzlich ist es mir aber ziemlich egal, was gewisse Leute denken.ieder nach wie vor echt und aktuell, sie lassen sich wunderbar auf die heutige Zeit adaptieren.
Es gibt keine Zeile, die du so nicht mehr vortragen würdest?
Nein. Ich habe wirklich keine Probleme mit meinen alten Texten. Und: Auch von Mani Matter gibt es ziemlich brutale, makabre Inhalte.
Farid Bang und Kollegah haben es dann aber doch ein wenig übertrieben.
Stimmt, sowas finde ich gar nicht geil. Bei gewissen Typen denke ich mir: Mann, überleg dir doch etwas bei dem, was du sagst. Überleg, was das alles für Kreise ziehen kann, dass du vielleicht «Jünger» hast, die dir nachlaufen. Stichwort: Vernunft. Was Farid Bang und Kollegah gemacht haben, war, sorry, unüberlegter Scheiss.
Welche Rolle gefällt dir denn besser, die des Rappers oder die des Pianisten?
Beides, der Ausgleich machts. Ich hatte kürzlich an einem Wochenende vier Konzerte: eines mit Wurzel 5, eines mit Chlyklass, zweimal spielte ich Mani Matter. Mir ist das ziemlich gut eingefahren, ich ging von einem Extrem ins andere. Von Hände hoch und lautem Schreien bis hin zum stillen Zuhören.
Welchen Künstler würdest du sonst noch gerne interpretieren?
Chlöisu Friedli (ein Berner Blues-Musiker, der sich 1981 das Leben nahm, Anm. d. Red.). Lieder in diese Richtung zu machen, mit diesem Style, das wärs. Er hat bei mir Legenden-Status. Aber zur Zeit spiele ich am liebsten die eigenen Lieder, die ich mit Ändu Knecht zusammen geschrieben habe.
Am 20. September feierst du im Bierhübeli Plattentaufe.
Ja, ich spiele einige Lieder, die aus dem Leben gegriffen sind. Nicht allzu tiefschürfende Poesie, aber schön zum Anhören (lacht). Nebensächlichkeiten, über die man im Alltag stolpert. Sie gehen in eine ähnliche Richtung wie Mani Matter. Genremässig kann ich das nicht einordnen, es hat Popsongs darunter, Boogie-Stücke, alles in allem melodiöser als reine Troubadour-Lieder. Auf Youtube kann man reinhören. Ich nehme mir sämtliche Freiheiten raus, es muss nicht alles lustig sein.
Was sind deine Werte im Leben?
Ich bin immer am Arbeiten, kann nie ruhig sein. Zuhause haben wir einen riesengrossen Garten, dort bin ich häufig, baue gerade unser Haus um und verbringe Zeit mit der Familie. Wichtig ist, etwas zu machen, bei dem man am Schluss ein Resultat sieht.
Du hast zwei Söhne, 2 und 5 hören die deine Musik?
Der Grössere mag lieber Rap, der Kleinere tanzt zu Allem.
Zum Schluss, du als Fan: deine YB-Prognose?
Ist doch klar (lacht, überlegt dann). Schwierig, vieles hängt an einem seidenen Faden. Aber die Sterne stehen gut.
Yves Schott