Für Bern sind Probleme mit Demonstrationen nichts Neues

Peter Gilliéron, wo findet der Cupfinal 2018 statt?
Das weiss ich noch nicht. Wir sind in Abklärungen und werden zeitgerecht einen Entscheid fällen. Wann das sein wird, kann ich noch nicht sagen. Wir müssen mit den möglichen Veranstaltern noch einige Gespräche führen.

Würde es Ihnen als Berner nicht am Herzen liegen, dass der Cupfinal in der Hauptstadt ausgetragen wird?
Natürlich bin ich Berner. Aber gleichzeitig auch Präsident des Schweizerischen Fussballverbandes, deswegen muss ich eine neutrale Haltung einnehmen. Wenn ich Ihnen sage, dass ich zu Fuss zehn Minuten vom Stade de Suisse entfernt wohnte, gebe ich zu, dass es natürlich schon nicht schlecht wäre, den Final dort spielen zu können. Aber dazu müssen alle Faktoren stimmen: die sicherheitstechnischen, die wirtschaftlichen, jene der Zusammenarbeit mit den Behörden. Und dann muss man den besten Entscheid im Sinne des Schweizer Fussballs treffen.

Was heisst das konkret? 2014 kam es in Bern zu äusserst unschönen Szenen.
Wir vom SFV hatten im Nachhinein das Gefühl, in Bern nicht willkommen zu sein. So habe ich das damals ausgedrückt. Wenn wir aber zur Überzeugung kommen, dass wir willkommen sind, ist Bern ein möglicher Austragungsort. Wir haben jetzt in Basel, in Genf und in Zürich gespielt, haben dabei die verschiedensten Erfahrungen gemacht. Ich denke, wichtig ist vor allem, dass sich eine Stadt freuen sollte, einen Cupfinal organisieren zu können. So ist die Zusammenarbeit mit den Behörden viel einfacher, effizienter und insgesamt schöner. Aber natürlich gibt es Cup-Begegnungen, die ein grösseres Sicherheitsrisiko darstellen als andere. Wir übernehmen gerne, zusammen mit den Vereinen, die Verantwortung dafür, was im Stadion drin passiert. Ausserhalb helfen wir gerne mit, können aber keine Verantwortung tragen. Wenn ein YB-Fan eine Bijouterie überfällt, kann dann YB dafür verantwortlich gemacht werden? Wir wollen uns mit den Behörden absprechen, um möglichst gute Arrangements zu finden.

Dass die Stadt einem neuerlichen Cupfinal gegenüber skeptisch ist – nachdem was 2014 passierte – dürfte aber auf der Hand liegen.
Aus Sicht der Behörden kann ich eine gewisse Skepsis verstehen. Es gibt ja auch Meisterschaftsspiele, bei denen es zu Problemen kommt. Für Bern ist es übrigens nichts Neues, da in der Stadt ja auch Demonstrationen oder andere Veranstaltungen Probleme verursachen. Man hat jetzt das negative Bild von 2014 vielleicht etwas allzu stark in Erinnerung. Ich habe schöne Cupfinal-Szenen im Kopf, von denen auch die Berner Wirtschaft profitieren konnte. Letztes Jahr verhielten sich leider auch nicht alle Fans in Genf immer vorbildlich, die Polizei intervenierte allerdings gezielt und effizient. Alles in allem gab es keine nennenswerten Zwischenfälle.

Die Situation in Bern ist jedoch eine andere als in Genf: Viele der Fans kommen am Hauptbahnhof an und bestehen erst noch darauf, ihren Fanumzug mitten durch die Altstadt durchführen zu können.
Das war auch in Genf so. Und klappte gut, weil die Behörden den Wunsch der Fans erfüllen wollten. So blieb alles auch unter Kontrolle. Die Fragen wären im andern Fall: Wer verhindert einen Fanmarsch, wenn man ihn verbietet? Wenn man ihn verbietet und die Fans ihn trotzdem durchführen: Wer ist dann verantwortlich?

Sicherheitsdirektor Reto Nause schlägt vor, den Fanzug bereits an den S-Bahnhöfen Wankdorf oder Ostermundigen zu stoppen.
Dazu müsste man mit den Beteiligten sprechen. Zu vermuten ist, dass die Fans dann halt nicht mit Sonderzügen, sondern mit regulären anreisen. So einfach ist diese Frage nicht zu regeln. Wir versuchen, mit den Fanorganisationen zusammenzuarbeiten, damit lässt sich einiges erreichen. Bloss: Wenn schon 50 Personen mit dabei sind, die nicht mitmachen, muss die Polizei intervenieren. Das können wir nicht steuern. Die Idioten, die nur kommen, um sich zu prügeln, lassen sich nicht steuern.

Nochmals: Wenn man die Züge ausserhalb des Zentrums stoppen würde, würden die meisten Fans nicht durch die Innenstadt ziehen. Zudem käme es zu keiner direkten Konfrontation der beiden Gruppierungen.
Es sind erfahrungsgemäss nicht die grösseren Fangruppen, die Schaden verursachen, sondern kleinere Chaotengrüppchen. Die müsste man zusätzlich im Griff haben. Und falls die Polizei in der Innenstadt dann nicht präsent ist oder nicht interveniert, kann dort etwas passieren. Natürlich lässt sich über alles, auch über Sicherheitsmassnahmen, diskutieren. Nur muss man diese dann auch durchsetzen. Man kann nicht von einem Vereinsverantwortlichen verlangen, dass er zu den Fans geht und sagt, dass sie jetzt laufen sollen, falls sie sich nicht bewegen. Das wäre Sache der Polizei, so wie man es etwa in Genf mit klaren Richtlinien gemacht und auch dank gutem Dialog vieles gut hingekriegt hat. Mir ist wichtig, dass man nicht dauernd ein Bild projiziert, dass sowieso alles schief geht.

Bestehen Sie auf den Fanmarsch durch die Innenstadt? Reto Nause sagt, dies sei in etwa die Haltung des Fussballverbands.
Dann wäre ich absolut falsch zitiert worden. Ich sage: Wir müssen mit den Beteiligten reden. Wie gesagt: Wenn man beschliesst, dass der Fanmarsch nicht bewilligt wird, muss man diese Entscheidung durchsetzen. Das kann allerdings nicht der SFV tun, sondern die Polizei. Nein, ein Fanmarsch muss nicht unbedingt sein. Nur haben die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt, dass es sehr schwierig ist, einen Fanmarsch zu verhindern. In der Vergangenheit, wenn die Fans des FC Sion nach Bern kamen, zog auch stets eine rot-weisse Phalanx über die Kornhausbrücke, dabei ging es sicher nicht immer nur zivilisiert zu und her. Ich halte klar fest: Das ist nicht gut. Man muss über dieses Thema reden, aber nicht nur darüber.

In anderen Städten führt der Fanmarsch nicht direkt durch ein Unesco-Weltkulturerbe wie in Bern.
Wenn man Sorge tragen will zu Bern, sollte man im Prinzip überhaupt keine Demonstration mehr bewilligen. Wer ein Eishockey- oder ein Fussballspiel, einen politischen Anlass oder auch einen Zibelemärit organisiert, geht ein gewisses Risiko ein. Mit einer vernünftigen Zusammenarbeit ist es aber möglich, Vorkehrungen zu treffen, dass alles in geordneten Bahnen abläuft.

Sie wollen sich mit verschiedensten Verantwortlichen treffen. Gehört Reto Nause auch dazu?
Selbstverständlich. Wir sind sowieso mit allen Städten im Dialog.

Es ist zu hören, dass das Verhältnis zwischen Ihnen und Reto Nause nicht das beste ist.
Ich hatte seit dem Cupfinal 2014 praktisch keinen Kontakt mehr mit ihm. Ich sagte damals nur, dass es schön wäre, wenn wir den Cupfinal in einer Stadt austragen könnten, in der wir willkommen sind. Das waren wohl die letzten Worte, die ich mit ihm gewechselt habe.

Sicherheitsdirektoren von Bern, Zürich, Genf und Basel schlagen dem SFV einen Deal vor: Sie geben Ihnen, Herr Gilliéron, die Garantie, dass Sie garantiert einen Austragungsort zur Verfügung gestellt bekommen. Im Gegenzug müssten Sie sich aber an allfälligen Kosten, die durch Krawalle entstehen, beteiligen.
Solche Vereinbarungen treffen wir mit den Veranstaltern eigentlich bei jedem Cupfinal. Dazu sind wir verpflichtet und akzeptieren das in diesem Sinne. Die Auflagen müssen aber vernünftig und berechenbar sein. Und es muss klar sein, wer verantwortlich ist. Die Stadionbetreiber haben übrigens ebenfalls ein Wörtchen mitzureden.

Für viele gehört der Cupfinal auch aus traditionell-ideologischen Gründen in die Hauptstadt, so wie in anderen Ländern. Sind Sie ebenfalls dieser Meinung?
Man sollte das nicht zu einem Grundsatz erheben. In manchen Ländern ist das so, in anderen wird dort gespielt, wo das grösste Stadion ist. Teilweise gibt es ja auch Hin- und Rückspiele. Wir hatten diesen Passus mal im Reglement, haben ihn dann aber absichtlich entfernt. Man könnte ja auch bemängeln, dass in Bern auf Kunstrasen gespielt wird und das für einen Cupfinal selbst ohne YB-Beteiligung nicht unbedingt die beste Lösung ist. Wir wollen uns hier die grösstmöglichen Freiheiten lassen, um die bestmöglichen Entscheidungen für den Schweizer Fussball treffen zu können.

Stadien haben grundsätzlich nur einen begrenzten Sektor für Auswärtsfans – bei einem Cupfinal hingegen wollen ja beide Lager zahlenmässig gleich vertreten sein.
Zu einer Herausforderung wird das Ganze nur dann, wenn einer der Finalisten in seinem Heimstadion spielt. Sonst sehe ich hier keine nennenswerten Probleme – in der Mitte des Stadions sitzen dann einfach die neutralen Zuschauer, die Fans in anderen Sektoren. Das ist lösbar.

Reden wir noch über die positiven Dinge: Welche Art von Cupfinal wünschen Sie sich?
Ein schönes Spiel, ein Fussballfest, friedliche Zuschauer. Dass die Gewinner ihre Freude zum Ausdruck bringen können, ohne dass dies zu Problemen führt. Und dass die Verlierer ihre Niederlage vorbehaltlos akzeptieren.

YB-FCZ wäre eine mögliche Finalpartie. Der Zürcher Anhang gehört zu den problematischsten Fans der Schweiz.
Dazu möchte ich mich nicht äussern, diese Konstellation ist rein hypothetisch. Es gab auch Meisterschaftsspiele zwischen YB und dem FCZ, ohne dass etwas passiert ist. Eine Nuance: Wer sich nicht ruhig verhält und Krawall stiftet, ist für mich kein Fan.

Wie steht es um die Gewalt im Schweizer Fussball generell?
Man kann grundsätzlich von einer Randerscheinung sprechen. Wenn es in einem Dorf eine Schlägerei gibt, berichtet kaum eine Zeitung darüber, es ist also auch eine Frage der Wahrnehmung. Die Liga und wir sind vor allem der Meinung, dass man die Täter identifizieren und gezielt sanktionieren muss, egal ob FCZ- oder Lausanne-Anhänger. Durch die Massnahmen, die ergriffen wurden, hat man erreicht, dass eine sehr signifikante Mehrheit der Fussballspiele in unserem Land problemlos durchgeführt werden. Für uns ist jeder Zwischenfall einer zu viel, aber deswegen sollten die überwiegend problemfreien Spiele und die dahinter steckende Arbeit auf vielen Ebenen nicht unterschlagen werden.

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge