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Gleichstellung nicht erreicht!

Am Sonntag feiert die Schweiz 50 Jahre Frauen-stimmrecht. Doch wie sieht es heute, nach einem halben Jahrhundert, in Sachen Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau aus? Sind die Ziele erreicht oder besteht noch Handlungsbedarf? Das wollte der Bärnerbär von den Bernerinnen und Bernern in ei-ner Strassenumfrage wissen. Um es gleich vorweg-zunehmen: die universelle Antwort lautet Nein! Die Teppichetagen werden weiterhin von Männern domi-niert, bei der Lohngleichheit gibt es nach wie vor Dif-ferenzen und das «klassische» Rollenmodell hat längst nicht ausgedient. Gleichzeitig wurden allerdings auch Stimmen laut, dass es den Frauen teilweise an zu wenig Selbstvertrauen mangelt.

Fotos/Umfrage: Franzisca Ellenberger

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Brigitte Eicher (Bauleiterin Allreal Generalunternehmung AG, 32, links) und Michelle Jutzi (Dozentin PHB Bern, 32), Bern

Brigitte Eicher:«In der Arbeitswelt haben wir teils die gleichen Chancen. Aber auf dem Bau werde ich manchmal schon belächelt und weniger ernst genommen. Wir haben nicht dieselben Chancen, Karriere zu machen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass die Entscheidungsträger meistens Männer sind.»
Michelle Jutzi: «Der Kanton Bern und der Bund machen viel für die Frauen und bieten einige Förderungsinstrumente. Aber die Kaderebene wird nach wie vor von Männern dominiert. Die Karriereplanung der Frauen hat sicher auch viel mit der Familienplanung zu tun. Frauen müssen mehr für sich einstehen.»

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Isabel Grandjean (Pharma-Assistentin Reha Klinik Schön-berg, 51) mit Ehemann André (Vorsorge- berater UBS, 51)

André Grandjean: «Die Gleichstellung ist sicher nicht erreicht. Die Lohnungleichheit besteht nach wie vor. Bei Grosskonzernen vielleicht weniger als bei den KMU. Historisch bedingt ist es immer noch ein Geheimnis, wer wie viel verdient. Solange die Löhne nicht transparent gemacht werden, wird sich daran kaum etwas ändern.»

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Gianfranco Geroni (Schulbusfahrer Bären Taxi, 60), Köniz

«Die Gleichstellung ist noch nicht erreicht. Sicher klemmt es vor allem bei den Männern. Aber es gibt auch Frauen, die dasselbe Geschlecht nicht unterstützen. Sei es aus Neid oder aus Angst vor Konkurrenz. Das sieht man oft in Abstimmungen für den Stände- und Nationalrat. Bern ist da eher fortschrittlicher.»

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René Werder (Geschäftsführer Petite Fleur, 73), Lupfig

«Wir haben sicher schon sehr viel erreicht. Aber noch nicht zu 100 Prozent. Das dauert wohl noch einmal 50 Jahre. Der Vaterschaftsurlaub ist sicher ein Fortschritt. Ich finde aber, dass es einen Familienurlaub geben sollte, den Mann und Frau frei einteilen können. Es ist immer noch so, dass der Mann der Ernährer ist.»

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Myrta Fretz (68), Bern

«Die Gleichstellung ist absolut nicht erreicht. In Führungspositionen sind Frauen immer noch in der Unterzahl. Gegenüber einem Mann muss eine Frau einen anderen Leistungsausweis haben. Auch die Lohnungleichheit besteht nach wie vor.»

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Kirana Aeschbacher (Sachbearbeiterin, 48), Bern

«Bei Lohnfragen und bei den Kaderstellen besteht sicher noch Nachholbedarf. Je nach Branche sind Frauen immer noch in der Unterzahl – beispielsweise in Hand-werksjobs. Vielleicht ist das eher ein Tabuthema oder zu klischeehaft.»

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Veronika Michel (selbstständige Protokollführerin, 46), Bern

«Ich denke, dass Frauen das schwächere Geschlecht sind, ist genetisch so stark in der Gesellschaft verwurzelt, dass Männer immer wieder in die klassische Rolle fallen. Das ist wie beim Fluchttrieb bei Pferden, der ist auch stark verankert. Bis die Gleichstellung erreicht ist, kann das noch dauern.»

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Jörg Müller (Head of Operating Swissphone Wireless AG, 50), Bern

«Solange im wirtschaftlichen System die Männer oben sitzen und sich die Taschen füllen, wird die Gleichstellung mit Sicherheit nicht erreicht. Die Lohnunterschiede bestehen immer noch. Frauen sind meistens auch selber schuld. Sie agieren oft zu wenig selbstbewusst. Sie sind keine Alphatierchen und haben keine Profilierungsneurose wie viele Männer.»

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Melanie Rispo (Lehrerin, 25), Bern

«Ich glaube, dass wir in recht vielen Bereichen die Gleichstellung nicht erreicht haben. Fakt ist, dass Frauen weniger verdienen und weniger in Führungspositionen vertreten sind. Frauen werden immer noch als schwächer angesehen und wenn eine Frau laute Töne von sich gibt, erntet sie mehr Kritik als ein Mann.»

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Sandra Baumann (selbstständige Kunsttherapeutin, 47), Niederscherli

«Aus meinem Umfeld habe ich erfahren, dass die Kommunikation in Unternehmen hauptsächlich von Männern für Männer gemacht wird. Das klassische Modell des Kinderhütens lastet dann meistens auf den Schultern der Frauen. An alleinerziehende Frauen zum Beispiel wird kaum gedacht.»

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Daniela Zarrera (50), Bern

«Es braucht wohl noch weitere 50 Jahre, wenn das mit der Gleichstellung so weitergeht. Die Förderung von Frauen hinkt nach wie vor hinten nach und sie sind immer noch benachteiligt. Die Geschäftswelt ist immer noch männerorientiert – eben nach dem klassischen Muster.»

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Christine Schnydrig (Mitarbeiterin Kita Insel Gruppe AG, 56), Bern

«Wir sind von der Gleichstellung noch weit entfernt. In der Kita sehe ich schon, dass viele Väter engagiert sind. Aber die Hauptlast wie 24 Stunden Präsenz, Arbeit, Alltag und die Rolle als Partnerin liegt nach wie vor auf den Schultern der Frauen. Zudem gibt es keine gut bezahlten Jobs unterhalb eines 60-Prozent- Pensums.»

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