Yvonne Villiger war am Montag die Keynote-Speakerin am 24. HR- und Wirtschaftsforum im Berner Kursaal. Die Humor-Expertin und ehemalige CEO der s.Oliver Vertriebs AG hat dem Bärnerbär zuvor auf dem Gurten Red und Antwort gestanden und unter anderem erklärt, mit welchen Techniken sie den Humor auch in Wirtschaftskreisen salonfähig macht.
Sie sprechen leidenschaftlich gerne vor Leuten. Was für ein Kind waren Sie? Hat sich Ihr Talent schon früh bemerkbar gemacht?
Ich war in der Tat ein sehr fröhliches und aktives Kind und habe deshalb während meiner Schulzeit öfters mal vor der Türe gesessen. Mir war immer schnell langweilig und ich konnte alles gleichzeitig: schwatzen, schreiben und zuhören. Ich habe früh gemerkt, dass Humor gut ankommt. Diese Einsicht begleitet mich schon mein ganzes Leben lang.
Wie definieren Sie denn eigentlich Humor?
Es gibt unzählige Formen von Humor. Das Spektrum reicht von Stand-up-Comedy bis zu Lach-Yoga. Für mich bedeutet Humor, dass man Freude, Spass und Leichtigkeit in sein Leben bringt. Es geht darum, die kindliche Unbeschwertheit wieder zuzulassen und sich bewusst zu sein, dass man mit Humor selbst schwierige Situationen entschärfen und lösen kann.
In Ihren Workshops sagen Sie, man brauche kein besonderes Talent, um humorvoll zu sein. Man könne es erlernen …
Ich bin überzeugt davon, dass wir alle mit Fröhlichkeit und spielerischer Leichtigkeit geboren werden. Kinder haben das noch. Leider verlieren wir mit den Jahren diese Leichtigkeit und das Lachen. Aber wir haben es in uns drin.
Warum blasen viele Erwachsene Trübsal?
Je älter wir werden, desto besser werden wir darin, Probleme zu sammeln. Auch ich lache nicht 24 Stunden am Tag. Wichtig ist letztlich, dass man nicht länger als nötig bei einem Problem verharrt. Dass man sich auf das Positive konzentriert und davon ausgeht, dass einen letztlich alles weiterbringt.
Wie hat Ihnen Humor in Ihrem Business-Alltag als CEO geholfen?
Ich habe für die bekannte deutsche Firma s.Oliver AG gearbeitet und hatte die Aufgabe, dieses Modelabel auch in der Schweiz bekannt zu machen. Ich war erst 27 Jahre, als ich CEO geworden bin, und der Druck war gross. Mein Team und ich waren hochmotiviert und so gelang es, innerhalb kürzester Zeit den Umsatz zu steigern. Dabei spielte der Humorfaktor eine grosse Rolle. Dieser Zusammenhang zwischen Business und Humor hat mich begeistert.
Und dann wurden Sie Referentin und Trainerin …
Ja, so ist schliesslich die Idee entstanden, meine Erfahrung in die Firmen hinauszutragen. Es war auch die Zeit, in der es viele unzufriedene Menschen in den Unternehmen gab und das Thema Burnout aufkam.
Alles muss immer schneller gehen …
Gerade im Zeitalter der Digitalisierung und Robotisierung ist das Menschliche wieder gefragt. Humor im Business kann da eine ganz wichtige Rolle spielen. Denn nichts fördert das Miteinander und den Teamspirit mehr, als gemeinsam zu lachen.
Ganz konkret: Was ist Ihre Technik, um Humor in die Unternehmen zu bringen?
Es gibt viele verschiedene Ansätze. Einige habe ich selbst entwickelt. Ein Beispiel ist «Kopfstand-Technik». Es geht dabei darum, genau das Gegenteil dessen zu tun, was das Gegenüber erwartet und so die Situation ins Positive zu kehren. Ich selbst habe damit gute Erfahrungen gemacht: In jungen Jahren habe ich mich bei einem exklusiven Warenhaus als Dekorateurin beworben. Als man mich abgelehnt hat, sagte ich, ich käme einen Monat gratis arbeiten. Prompt hatte ich den Job! Diese Technik wende ich auch heute noch an. Firmen, von denen ich eine Absage für einen Workshop oder einen Impulsvortrag erhalte, bekommen von mir ein Geschenk: Ein kleines Booklet mit 33 Tipps für gute Laune am Arbeitsplatz. So habe ich schon aus mancher Absage eine Zusage gemacht. Verblüffung hat viel mit Humor zu tun.
Sie sprechen auch von «witziger Munition». Was ist darunter zu verstehen?
Das kann ein lustiger Film sein, den Sie den Mitarbeitenden als Einstieg in ein Meeting zeigen oder ein witziges Wortspiel, das Sie verwenden. Ein konkretes Beispiel: Ich hatte einmal eine schwierige Situation mit einem Lieferanten, der mir erste Ausgaben meines Buches schickte, die mir nicht gefielen. Irgendwann hatte ich Post von seinem Anwalt. Ich habe dann dem Chef das Bild eines überdimensionierten Radiergummis zugemailt und dazu geschrieben: «Lass uns alles ausradieren und eine Lösung finden.» Es hat geklappt!
Vielfach ist bei Ihnen die Rede von «Tools». Was meinen Sie denn damit?
Ich arbeite in meinen Workshops unter anderem mit einem Lachstab. Unser Gehirn kann zwischen einem echten Lachen und einem künstlich herbeigeführten nicht unterscheiden. Wenn man sich vor einer schwierigen Verhandlung sechzig Sekunden lang mit dem Lachstab den Lachmuskel nach hinten zieht, entspannt sich der Körper. Das ist spürbar, wenn Sie einen Raum betreten.
Nicht jeder ist auf der humorvollen Schiene zuhause …
Das ist richtig. Deshalb ist es beim Humor wichtig, authentisch zu bleiben. Und es darf niemals darum gehen, sich zum Clown zu machen und Witze zu reissen. Natürlich habe ich auch Tipps und Tools für ernste Menschen.
Sie sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Schweiz mit Ihren Vorträgen und Workshops unterwegs. Gibt es punkto Humor grosse Unterschiede?
Ich gehe immer in erster Linie zu Menschen. Humorvolle und humorresistente Leute gibt es überall.
Wie ist das Berner Publikum?
Ich liebe Bern! Die Berner haben einfach den schönsten Dialekt.
Und wo liegt unser Humor begraben?
Im Bundeshaus! Denken Sie doch einmal an Ex-Bundesrat Rudolf Merz, als er mit seinem Exkurs über Bündnerfleisch alle Sympathien für sich gewann. Ein grossartiges Beispiel für die Wirkung von Humor. Helen Lagger