Seit fast 35 Jahren auf Tour – und kein bisschen leiser? Doch, wahrscheinlich schon. Ein Gespräch mit Philipp Fankhauser über Adrenalin, Altersmilde und das Comeback von Kassetten.
Bärnerbär: Philipp Fankhauser, mit Pädu Anliker, Hanery Amman und Polo Hofer sind einige Ihrer Weggefährten nicht mehr da. Merkt man an solchen traurigen Tatsachen, dass man älter wird?
Es ist doch so: Wenn die Eltern gestorben sind, weisst du: Jetzt bist du der Nächste auf der Abschussrampe. Das ist der Lauf der Zeit. Es geht allen gleich, auch den 18-Jährigen, die davon noch weit entfernt sind. Es ist das Natürlichste der Welt. Leider. Oder zum Glück!
Beides wahrscheinlich.
Genau.
Sie sind ein nachdenklicher Mensch. Da sind solche Sorgen doch umso präsenter.
Nun, was heisst schon Sorgen. Es kommt sicher zunehmend zu körperlichen Einschränkungen. Auf gewisse Dinge hat man keine Lust mehr. Ich setze mich damit nicht täglich auseinander. Aber klar, die Gedanken sind da.
Was heisst körperliche Einschränkungen?
Die Konzertenergie habe ich zum Glück noch. Dank eines magischen Adrenalinstosses, den ich bekomme, bevor ich auf die Bühne gehe. Aber auf gewisse andere Sachen verzichte ich, nächtelange Festereien zum Beispiel. Ich gehe schon mal früher ins Bett.
Also sind Sie insgesamt ruhiger geworden. Die Altersmilde hat eingesetzt.
Was für eine Milde? (lacht) Ich war mehr Rocker als manch einer, der sich so bezeichnet hat. Ich habe viel gemacht in meinem Leben, ich geniesse jetzt andere Dinge und das ist ganz okay so.
Sie haben damit noch mehr Zeit für Musik. Soeben ist Ihr 15. Album erschienen, es hätte ursprünglich «Horse Of A Different Color» heissen sollen. Tut es aber nicht. Warum?
Ursprünglich: Damit die Journalisten nicht dauernd fragen, wieso es so heisst (lacht).
Deshalb fragen wir jetzt, wieso es eben nicht so heisst.
«Horse Of A Different Color» ist ein wunderbarer amerikanischer Ausdruck, den man hier nicht so gut kennt. Je nach Interpretation bedeutet er etwa so viel wie: «Diesmal ist alles ganz anders als vorher.» Aber meine Musik ist ja nicht so komplett anders. Deshalb habe ich mich dagegen entschieden, das hätte zu viel zu vielen Diskussionen geführt. Ich fand den Titel schlicht cool.
Und jetzt, im Nachhinein betrachtet?
Wie anders ist «I’ll Be Around»? Es ist viel, viel besser, aber nicht so anders (lacht).
Anders zumindest in dem Sinne, dass es die Songs auch auf Kassette zu kaufen gibt.
Das ist doch schön, oder? (lacht)
Sagen wir: nostalgisch.
Es gibt ja auch Leute mit älteren Autos. Bei mir ist es eine Mischung aus Gag und Protest gegen die freie Download-Kultur. Ein Kassettli kannst du schlecht runterrippen.
Viele Temponummern sind auf dem Album nicht zu finden. Wenn wir schon bei Altersmilde sind: Wird Philipp Fankhauser auf seine alten Tage sentimental?
Das glaube ich nicht, nein. Ich bin von Natur aus ein leicht positiver Pessimist, sprich: Mein Grundcharakter ist ein zum Glücklichsein tendierender Pessimist.
Wie äussert sich das genau?
Ich versuche oftmals, mich und meine Gedankengänge durch meine grundsätzlich positive Musik zu überlisten. Das fühlt sich gut an. Ich lasse mich von meinen negativen Gefühlen nicht dominieren, sondern arbeite dagegen an.
Mit diesen pessimistischen Grundzügen kommen Sie aber klar?
Nicht immer. Aber die Musik hilft mir, mein tägliches Leben einfacher zu führen.
Auch wenn es ein wenig abgedroschen tönt: Musik als Therapie?
Natürlich, ja. Und ich habe das Gefühl, dass einige meiner Musikerkollegen mental in einer sehr ähnlichen Verfassung sind. Das ist ein Grund, wieso wir überhaupt Musiker geworden sind.
Und dann erst noch diese Stilrichtung: Blues!
Das kommt dazu. Aber sich so zu prä- sentieren, sich auf der Bühne zu exponieren …wie das etwa ein Hanery auch getan hat… das hat viel damit zu tun, wie es im Innern einer Person aussieht. «To stay afloat», dieser Ausdruck beschreibt diesen Zustand ganz schön: über Wasser bleiben.
Die einen akzeptieren solche Gefühlszustände, andere kämpfen dagegen an und sagen sich: «Es wäre ja schön, wenn ich anders ticken würde.»
Leiden kann ja auch etwas Schönes sein. Im Übrigen habe ich keine Lust auf traurige Musik. Die Themen mö- gen inhaltlich etwas traurig sein, ich versuche aber, sie positiv zu besetzen. Das funktioniert für ganz viele Leute, für mich ebenfalls, weil man sich daran festhalten kann.
Sie sind jetzt 53. Wie viele Alben sollen es denn noch werden?
Das weiss ich nicht genau. Ich habe mit 20 gesagt, dass ich bis 80 Musik machen möchte. Nur schon deshalb, weil das alle meine Idole wie etwa B. B. King auch getan haben. Zum Teil weit darüber hinaus. Bloss: Ich kann ja nicht wählen, vielleicht habe ich morgen ein Schlägli. Wenn ich jedoch die Kraft habe und die Leute mich immer noch hören wollen, dann bin ich dabei. Ich werde mich nicht mit 65 zurückziehen, Bluesmusik ist mein Lebensinhalt, seit ich 11 bin. Ich bin in zwei Jahren nicht Bäcker (lacht).
«Ich war mehr Rocker als manch einer, der sich so bezeichnet hat»
Da stellt sich die Frage: Was möchten Sie denn noch erleben?
Ich hätte Lust, noch die ganze Welt zu sehen. Doch auf der anderen Seite denke ich: Gott, wie schön ist es doch zuhause. Ich bin hin- und hergerissen. Ich hoffe, man lädt uns mal nach Indonesien und Afrika ein. Yves Schott