Sie will Vorurteile abbauen, gleiches Recht für alle schaffen und vor allem einfach Mensch sein. Tamy Glauser über Pläne, Wünsche und die schwierigste Zeit ihres Lebens.
Tamy. kannst du den Begriff «Tamynique» überhaupt noch hören?
Ich habe den Ausdruck nicht ungern. Es ist ja nicht wie bei einer Popband, die einen Hit schreibt und diesen dann das ganze Leben lang singen muss.
Tatsache ist: Wenn ihr Interviews gebt, geht es fast immer um dieses eine Thema. Oder wollte schon jemand mit dir über Donald Trump reden?
Das stimmt so nicht. Einige möchten sich doch auch über meinen Job unterhalten oder politisch etwas wissen. Es ist eine Mischung aus beidem.
Du und Dominique seid vor einigen Wochen in der «Arena» aufgetreten. Dort waren unter anderem auch konservative Kräfte vertreten, die die Homo-Ehe ablehnen. Nerven dich solche Leute?
Grundsätzlich treffe ich gerne Menschen, die dagegen sind. Ich finde es spannend, herauszufinden, wieso sie so ticken. Oft fangen sie dann selber an, darüber nachzudenken, weil ihre Thesen nicht ganz aufgehen.
Es gibt jene, die sich fragen und sorgen, wo man die Grenzen ziehen soll. Soll eine Frau etwa mit vier Männern verheiratet sein dürfen? Darf man sogar Tiere ehelichen?
Diesen Einwand höre ich nicht zum ersten Mal. Man hat die Homo-Ehe schon mit Pädophilie oder eben mit Tieren verglichen. Bei der Homosexualität aber existiert ein Konsens, das ist für mich der grösste Unterschied. Zwei Parteien sagen Ja zu dieser bestimmten Partnerschaft. Das ist bei einem Kind, einem Tier oder bei Polygamie nicht der Fall. Deswegen ist der Vergleich auch völlig absurd.
Wo stehen wir in Sachen Gleichberechtigung in der Schweiz?
Gesellschaftlich gesehen sieht es gut aus. Geistig hat man kein Problem mehr mit Schwulen und Lesben. Das Problem liegt im politischen System. Es dauert relativ lange, bis sich etwas ändert. In Umfragen lag die Zustimmung für die Homo-Ehe bei über 70 Prozent.
Dominique und du seid ein lesbisches Paar. Nervt dich dieses Attribut, dieser Zusatz «lesbisch»? Bei Mann und Frau sagt man ja auch nicht, dass es sich um ein heterosexuelles Paar handelt.
Nun, ich gehe ja nicht zu den Leuten hin und sage: «Hallo, ich bin Tamy und ich bin lesbisch!» Per se finde ich es aber nicht schlimm, wenn man das Kind so beim Namen nennt, schliesslich muss man ja kategorisieren, um kommunizieren zu können. Es ist eine Art Einschränkung, die dir erlaubt zu sagen, wer du bist. Ich empfinde diesen Zusatz deswegen nicht als störend, nein.
Offen angefeindet wurdet ihr beiden nie?
Vor meiner Beziehung mit Dominique ist es vereinzelt zu homophoben Situationen gekommen…
Als du mit anderen Frauen zusammen warst?
Genau. Mit Dominique ist das so nie passiert.
Diskutiert ihr denn selber noch darüber?
Wir werden oft gefragt, ob wir mit unserer öffentlichen Liebe oder unserem gemeinsamen Instagram Account ein Zeichen setzen wollten. Blödsinn. Denn wären wir ein heterosexuelles Paar, würde uns das kein Mensch fragen. Darum geht es also gar nicht. Wir teilen unsere Liebe gerne, ich bin sehr stolz. Wenn es dann zu einem Zeichen wird, ist das umso schöner. Als die «Arena» vor bei war, fiel uns, wegen des grossen öffentlichen Interesses, ein Stein vom Herzen, sicher. Grundsätzliche Fragen wie die Homo-Ehe besprechen wir nicht mehr, es ist ja klar, dass wir das nicht okay finden.
Eine eingetragene Partnerschaft ist auch nicht dasselbe wie die Hochzeit in einer Kirche.
Mir geht es nicht einmal um die Kirche, wir sind vor dem Staat nicht gleich. Wenn eine Kirche findet, sie möchte eine solche Zeremonie nicht durchführen, kann ich das respektieren. Wir werden aber rechtlich diskriminiert.
Würdet ihr denn heiraten, wenn das möglich wäre?
(Überlegt) Das weiss ich jetzt noch nicht. Wenn ich aber jemanden heirate, wäre das sehr wahrscheinlich Dominique. (lacht) Doch wir sind erst anderthalb Jahre zusammen, das ist noch gar kein Thema. Es geht mir ums Prinzip, mich stresst, dass ich weniger wert bin.
Was ist mit Kindern?
Ich möchte gerne mal ein Kind. Im Moment bin ich aber noch viel zu fest karriereorientiert, ich hätte gar keine Zeit für ein Kind. Vielleicht dann in fünf oder sieben Jahren. Ich bin da grade nicht so im Stress. (lacht)
Themawechsel. Du bist überall: in London, Paris oder New York. Ausser in deiner Heimat Bern.
Halt, das stimmt nicht! Ich bin bloss oft nicht so lange in der Schweiz. Ausserdem ist der Flughafen in Zürich, meine Mutter wohnt hier, Dominique auch, mein grösserer Freundeskreis ist hier. Häufig ist dann der Stress, auch noch nach Bern zu gehen, zu gross. Durch mich hat Dominique aber Bern kennengelernt, und sie liebt die Stadt. Wir freuen uns schon jetzt auf die Aare. Hoffentlich bald.
Sowieso dürfte es für euch schwierig sein, gemeinsam Zeit zu verbringen. Du bist Model, tingelst in der Welt rum, Dominique hat ihren Lebensmittelpunkt in Zürich …
Es ist auch eine Art Priorität, dass man Zeit hat füreinander. Sie versucht, ihre Termine irgendwie zusammen zu schieben, damit sie in einer anderen Woche dann weniger los hat und zu mir nach Paris kommen kann. Das Gute ist ja, dass wir beide keinen Nine-to-five-Job haben, deshalb funktioniert das relativ gut, ausserdem sind wir in vier Stunden beieinander. Der längste Zeitraum, in dem wir uns nicht gesehen haben, waren zweieinhalb Wochen. Das ist voll okay. Wären es drei oder vier Monate, hätte ich mehr Mühe damit.
Also belastet dich die räumliche Distanz nicht?
Nein, es ist sogar schön, zwei Zuhause zu haben. Ich kann ihr meine Welt zeigen, sie zeigt mir ihre, obwohl ich Zürich ja schon ziemlich gut kenne.
Du wurdest von Google eingeladen, eine Rede zu halten …
Vielleicht deswegen, weil ich 2016 in der Schweiz die am meisten gegoogelte Person war. (lacht) Das hatte mit Dominique zu tun und damit, dass mich Vivienne Westwood quasi zurück auf den Laufsteg gezogen hat. Ich fühle mich sehr geehrt. Das ganze Haus war in Regenbogenfarben verziert, mega!
Ihr seid hoffentlich noch immer verliebt wie am ersten Tag?
Ja, mega. (lächelt)
Du sagst, ihr seid seit anderthalb Jahren zusammen. Damals habt ihr eure Liebe aber öffentlich gemacht. Ihr müsstet also schon länger ein Paar sein.
Nein, damals haben wir öffentlich gemacht, dass etwas zwischen uns läuft. Das war unter dem Druck der Medien. Viele Gerüchte kamen auf, wie etwa, dass wir uns auf der Tanzfläche im Mascotte quasi gegenseitig ausgezogen hätten. Das Problem ist nur, dass wir noch nie zusammen da waren. Dominique fing an, Jobs zu verlieren. Deshalb fanden wir, dass das so nicht weitergehen kann, obwohl es mühsam war, weil wir ja nicht wussten, wo das Ganze mit uns hinführt. Also haben wir ein Video gemacht, in dem wir sagten, dass wir uns verliebt hätten. Was immer noch der Fall ist. Wir kommunizieren sehr gut miteinander, und ich war wohl noch nie zu einem Menschen so ehrlich wie zu ihr. Das ist zwar nicht immer ganz einfach.
Was musstest du ihr denn gestehen, das dich Überwindung gekostet hat?
Ganz zu Beginn lernte ich ihre Familie relativ schnell kennen. Bis zu jenem Zeitpunkt war es aber so, dass man mich in solchen Situationen nächst eher versteckt hat. Alle waren aber jetzt so herzlich, doch ich kam mit dieser Liebe nicht klar. Ich ging zu meinem Mami, in diesem Moment wollte ich mich von Dominique trennen. Ich habe ihr meine Sicht erklärt, sie akzeptierte und gab mir meinen Freiraum, hatte viel Geduld. Ich besuchte eine Kinesiologin, die dann meinte, dass ich die Liebe annehmen dürfe und sie auch verdient habe. Das war für mich ein Schlüsselmoment.
Du hast gesagt, dass es in früheren Beziehungen nicht so gut lief …
Es war stets so, dass sich die Leute in mich verliebt hatten, aber aus irgendeinem Grund nicht mit mir zusammen sein konnten. Sei es aus homosexuellen Gründen, wegen des Jobs oder weil noch jemand anders da war. Dann ging mir ein Licht auf: Das lag nicht an denen, sondern an mir. Ich suchte mir die ja aus. Mir wurde klar, dass ich immer unglücklich verliebt war. Deshalb wollte ich viel lieber Single sein, meine Karriere vorantreiben und zu mir selber schauen. Ich hatte mit der Liebe schon abgeschlossen, bis mir Dominique über den Weg lief.
Yves Schott