Der Oberzibelegring 2017 ist ein selbstloser Diener der Öffentlichkeit: Rolf Dähler prägte die Wettbewerbskommission der Eidgenossenschaft. Von 2010 bis 2017 führte er als Präsident die Burgergemeinde Bern umsichtig in die Zukunft. Trotz der grossen Ehrung bleibt er bescheiden wie eh und je.
Bärnerbär: Rolf Dähler, herzliche Gratulation zum Oberzibelegring 2017. Gemäss den Statuten der Gilde der Zibelegringe der Stadtschützen Bern gehören Sie fortan zu eben dieser Gilde und haben durch Ihr Engagement in Bern Aussergewöhnliches geleistet. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Der in den Statuten erwähnte Wortlaut ist für mich schon Ehre und Freude genug. Wenn ich schaue, welche Persönlichkeiten in den letzten Jahren als Oberzibelegringe geehrt wurden und bereits Teil der Gilde sind, fühle ich mich zusätzlich geschmeichelt. Willy Michel, Thierry Carrel, Samuel Spreng, Hansjörg Wyss, Urs Berger, Ueli Augsburger und Co. sind Persönlichkeiten und Koryphäen. Teil dieses Zirkels zu sein ist für mich eine ganz grosse Ehre.
Waren Sie entsprechend überrascht, als Sie von der Gilde der Zibelegringe angefragt wurden, diese Ehre und die damit verbundene Verantwortung anzunehmen? Als neuer Oberzibelegring übernehmen Sie ja für die Dauer der nächsten «Zibeliade», also der Dauer bis zur Ernennung des Oberzibelegrings 2018, das Patronat über die Gilde der Zibelegringe. Dabei werden Sie gemäss den Regeln der Gilde an vorderster Front die Kameradschaft und die Freundschaft fördern und zugleich die Werte des demokratischen, liberalen Rechtsstaates vorleben und notfalls verteidigen.
Ich war wirklich total überrascht. Denn Oberzibelegringe dürfen per se keine Politiker sein. Klar, wir Burger betreiben keine staatliche Politik. Aber in einem gewissen Sinn sind unsere Taten auch Politik, wenn auch völlig losgelöst vom LinksRechts-Schema der Parteipolitik.
Sie wurden nicht nur für Ihre langjährige Arbeit als Vizepräsident und Prä- sident der Burgergemeinde geehrt, sondern für Ihr ganzes bisheriges Wirken und Ihren Umgang mit den Menschen. Ist Ihr Tun auch geprägt durch Ihr Engagement in der Kartellkommission und der Wettbewerbskommission der Eidgenossenschaft?
Ja. Auch da widmete ich mich stets der «res publica», also der öffentlichen Sache. Die Wirtschaft braucht sinnvolle rechtliche Richtlinien und Vorgaben. Nur mit einem respektvollen Miteinander bringt man der Allgemeinheit einen Nutzen
Sie waren von 2004 bis 2010 Vizepräsident der Bernburger und dann bis 2017 deren Präsident. Sind die Burger für Bern wichtiger denn je?
Das kann ich nicht beurteilen. Ich weiss aber, dass die Burgergemeinde ein grosses Vermögen besitzt und dieses seit 1888 ausschliesslich für das Gemeinwohl einsetzt. 2016 engagierten wir uns beispielsweise mit 45,5 Millionen Franken für die soziale, wissenschaftliche und kulturelle Wohlfahrt in und um Bern. Und vergessen Sie nicht, wir können als neutrale Kraft immer dann helfen, wenn scheinbar ausweglose Situationen zu meistern sind. Da waren uns die städtischen Behörden schon oft dankbar.
Haben Sie uns ein Beispiel?
Der Regierungsrat forderte 2013 vom Kunstmuseum Bern und dem Zentrum Paul Klee eine enge Zusammenarbeit. Beide Stiftungsräte der Berner Kulturleuchttürme konnten sich dies überhaupt nicht vorstellen und verharrten in ihren jeweiligen Positionen. Das Kunstmuseum wollte die roten Zahlen des Zentrums Paul Klee nicht übernehmen. Der Regierungsrat konnte nicht helfen, weil kein Budget zur Verfügung stand. Wir lösten die Pattsituation, indem wir das Defizit des Zentrums Paul Klee à fonds perdu übernahmen und zusätzliches Geld für den Prozess der Zusammenschliessung sprachen. Die 4 Millionen Franken sorgten dafür, dass die geforderte Zusammenarbeit zustande kam.
Wird das grosszügige Wirken der Bernburger von der Bevölkerung nun besser wahrgenommen als vor Ihrer Amtszeit als Präsident? Das war ja eines Ihrer wichtigsten Ziele.
Zahlen liegen mir keine vor. Ich denke aber schon, dass wir mit unserer 2011 gestarteten Kommunikationskampagne sehr viel erreicht haben. Das Umdenken war enorm wichtig. Denn wer Gutes tut und nicht dar- über berichtet, wird nicht wahrgenommen. Wer seine guten Taten hingegen transparent darstellt und gut erzählt, wird in der Öffentlichkeit beachtet. Wir mussten das lernen. Letztlich geht es um Transparenz und Öffnung!
Das tönt fast wie beim ehemaligen russischen Staatpräsidenten Mikhael Gorbatschov, der mit seinem Schlagwort «Glasnost» die Offenlegung von Staatsinformationen vorantrieb …
(lacht) Die Grundidee ist dieselbe, der Vergleich hinkt trotzdem. Bei uns ging es lediglich darum, aktiver zu kommunizieren.
Die Burger befinden sich nicht wie die Politiker in einem dauernden Wahlkampf. Ist das 1852 während der Güter- und Verwaltungsausscheidung zwischen der Einwohnerund der Burgergemeinde erhaltene Vermögen bei den Burgern in besser Hand?
Wir haben tatsächlich weniger Druck, denn wir brauchen den schnellen Erfolg nicht und müssen uns gegenüber den Steuerzahlern nicht rechtfertigen. Von denen erhalten wir kein Geld. Wir denken und handeln mittel- bis langfristig. Oder mit anderen Worten: in Generationen. Diese Kontinuität ist ein Vorteil. Gerade wegen diesen unterschiedlichen Voraussetzungen ist das Zusammenspiel zwischen dem Kanton, der Stadt und den Burgern derart gut. Wir ergänzen uns ideal.
Im «Medaillon», dem Publikationsorgan der Burger, wurden Sie im Mai dieses Jahres als «vorwärtsgerichteter Bewahrer» betitelt. Wie gelang Ihnen der Spagat zwischen Tradition und Wandel?
Auch weil ich in kein politisches Schema passe. Neuerungen nur der Neuerungen willen sind für mich keine Lösung. Sie sind nur dann gut, wenn sie einen klaren Fortschritt ermöglichen. Das ist meine konservative Seite. Wenn Neuerungen notwendig sind, bin ich allerdings der Erste, der mithilft, sie umzusetzen. Altbackene und unfaire Klüngel beispielwese dürfen nicht sein und müssen aufgelöst werden. Da hatte ich als Präsident der Burger immer eine klar liberale Haltung. Der Wandel gelang uns auch, weil wir unsere Traditionen pflegten, indem wir das Feuer weitertrugen und nicht die Asche anbeteten. Die Zentrale der Burgergemeinde entwickelte sich so von einer Verwaltung zu einem Dienstleistungszentrum. Und ja, ich bin auch sozial: Mein Vater war Pfarrer. Ich erlebte bereits als kleiner Knabe, dass Menschen ohne jegliches Verschulden in grosse Not geraten können und Hilfe benötigen. Sie müssen dann auch die richtige Hilfe bieten, nämlich diejenige zur Selbsthilfe. Genau das machen wir bei der Burgergemeinde. Wir helfen so nachhaltig wie nur möglich.
Burgerspital, Burgerspittel im Viererfeld, Burgerbibliothek, Schönberg Ost: Während Ihrer Präsidentschaft wurde auch viel gebaut respektive renoviert. Welches war für Sie und die Burger das wichtigste Projekt?
Das Burgerspital. Es wurde zu einem Ort der Begegnung und steht für die Öffnung der Burgergemeinde. Heute bieten wir im Gebäude des Burgerspitals mit dem Generationenhaus viele Angebote, die bei der Bevölkerung sehr gut ankommen. Das freut uns sehr.
Dominik Rothenbühler