Von der Einwohnerkontrolle bis zur Bestattung. Vom Rotlichtmilieu bis zur Pilzkontrolle. Um das Polizeiinspektorat kommt kaum einer herum. Das ist gut so, denn unter der Co-Leitung der beiden Inspektoren Marc Heeb und Alexander Ott hat sich die vielseitigste Abteilung der Stadtbehörden zu einem topmodernen Servicedienstleister entwickelt.
«Wir sind für die Bürger das Portal zur Stadt. Viele begleiten wir von der Wiege oder Einreise bis zur Bahre. Nur sind sich dies die meisten gar nicht bewusst», fasst Marc Heeb die Leistungen des Polizeiinspektorats prägnant zusammen. Er ist mit Alexander Ott dessen Co-Leiter. Heeb steht der Orts- und Gewerbepolizei vor und ist damit oberster Zuständiger für Einbürgerungen, Veranstaltungen, Gewerbe, Markt, Gastgewerbe, Taxi, Bewilligungen für den öffentlichen Grund, Exmissionen, Fundbüro, Bestattungswesen, verkehrspolizeiliche Bewilligungen sowie für Amts- und Vollzugshilfen. Alexander Ott wiederum leitet die Einwohnerdienste, die Migrationsabteilung und die Fremdenpolizei. Letztere ist das «Pièce de Résistance» des Polizeiinspektorats: «Insbesondere bei der Bekämpfung des Menschenhandels, der Prostitution und der organisierten Bettelei bewältigen wir viele heikle Fälle, dies in enger Zusammenarbeit mit unseren Partnerbehörden vom Kanton und Bund», erklärt Alexander Ott und weist darauf hin, dass bei Vollzugsmassnahmen der Fremdenpolizei oft schwierige und unangenehme Situationen für die betroffenen Menschen entstünden. «Ausschaffungen beispielsweise sind sehr herausfordernd. Hier ist von unserer Seite viel Fingerspitzengefühl gefragt. Egal, was wir tun, entweder sind wir den Nichtbetroffenen zu restriktiv oder zu liberal»,
«Grundsätzlich stehen wir Anlässen und Anfragen sehr positiv gegenüber»
betont der 55-Jährige. Im Bereich Ausländerwesen entscheiden die Einwohnerdienste, Migrationsund Fremdenpolizei eigenständig über Aufenthalt und Niederlassung von ausländischen Personen. Dazu gehören An-, Um- und Abmeldungen, Erst- und Rückkehrgespräche, Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltsbewilligungen, Familiennachzug, Ausstellen von Visa, Wegweisungen, Verfügungen, Vollzugsmassnahmen und Massnahmen in den Bereichen Menschenhandel, Menschenschmuggel, Zwangsheirat und häusliche Gewalt.
Kaum noch Bettler
Umso mehr freut sich Ott über den Erfolg gegen die organisierten Bettlerbanden: «Vor 2009 hatten wir in Bern pro Tag über 30 ausländische Bettler, zum Teil Verstümmelte und viele Minderjährige. Diese sind längst aus dem Stadtbild verschwunden.» Mit der Aktion Agora kontrollierte und beobachtete die Fremdenpolizei in Zivil die Bettel-Szene intensiv und konnte die Banden nachhaltig abschrecken und viele Täter abweisen oder rückführen. «Dabei ging es uns weniger um die Bettler, sondern vielmehr um die Drahtzieher im Hintergrund. Diesen waren die Bettler hilflos ausgeliefert», erklärt Ott. Er und sein Team behandelten die fast sklavenähnlich arbeitenden Bettler nicht als Täter, sondern als Opfer. «Uns geht es dabei um einen nachhaltigen Opferschutz sowie um eine strikte Täterverfolgung. Ein Bettelverbot gilt in der Stadt nur im und rund um den Bahnhof. Sonst ist bei uns das nicht organisierte Betteln erlaubt», betont Ott. Auch bei der Prostitution erzielte das Polizeiinspektorat dank koordinierten Aktionen und der gezielten Unterstützung für die betroffenen Dirnen Erfolge: «In Bern gibt es nur noch einen sehr kleinen Strassenstrich. Auch hatten wir hier nie Auswüchse wie dies Zü- rich beim Sihlquai lange Zeit hatte», ergänzt Ott.
(Fast) alles ist möglich
Die Orts- und Gewerbepolizei hilft mit ihrem Leistungsgedanken mit, dass viele Veranstaltungen das Leben in der Hauptstadt bereichern. «Grundsätzlich stehen wir Anlässen und Anfragen sehr positiv gegenüber. Wir sehen uns als unterstützender Dienstleister und nicht als Schiedsgericht, das den Daumen nach oben oder nach unten richtet», betont Marc Heeb und ergänzt, dass bei ihm und seiner Crew fast alles möglich sei. Es erstaunt deshalb nicht, dass viele Berner Veranstalter die Arbeit der Orts- und Gewerbepolizei entsprechend schätzen. Carlo Bommes, CEO und Inhaber von Appalooza Productions, beispielsweise ordnet die Crew um Marc Heeb im Interview (siehe Kasten rechts) landesweit klar an der Spitze ein. Der langjährige Stadtpräsident Alexander Tschäppät (siehe nebenstehende Kolumne) sieht dies genauso.
Meeting um 7 Uhr morgens
Die beiden Co-Inspektoratsleiter sprechen sich täglich ab. Das morgendliche Meeting um sieben Uhr ist ein Fixtermin. «Wir sind Sparringpartner, die sich gegenseitig unterstützen und beraten. Habe ich bei der Orts- und Gewerbepolizei ein Problem, hilft mir Alexander. Dafür greife ich ihm unter die Arme, wenn er bei den Einwohnerdiensten, der Migration oder der Fremdenpolizei einen Rat oder einen Dienst benö- tigt», erklärt Marc Heeb. Entwickelt haben das Co-Lead-Prinzip Heeb und Ott vor vier Jahren gleich selbst. Indem beide Geschäftsbereiche denselben Abteilungsstab haben, konnten seither erhebliche Ressourcen gespart werden. «Zudem sind wir einander viel näher und können gemeinsame Projekt effizienter planen und umsetzen», erzählt Ott. «Gehen unsere Leute zum Beispiel einen Take-away-Stand prüfen, können sie die Küche, die Bestuhlung auf der Gasse, die Arbeitsverträge und mögliche Beziehungen zur Schattenwirtschaft in einem einzigen Besuch prüfen.» Je nach Verdachtssituation agieren die Vertreter des Polizeiinspektorats auch hier mit Spezialisten des Kantons und des Bundes zusammen. «Viele Probleme zeigen sich in den Städten. Das heisst aber noch lange nicht, dass wir sie alleine zu lösen haben», gibt Ott zu Protokoll.
Die Mutter der Berner Daten
Wie kundenorientiert das Polizeiinspektorat arbeitet, zeigt sich bei der Einwohnerkontrolle auch anhand der dort eingesetzten 16 Sprachen: «Viele der über 114000 Kundenkontakte pro Jahr könnten wir sonst gar nicht bewältigen», erklärt Alexander Ott. Was viele nicht wissen: Das Polizeiinspektorat hat die Hoheit über Einwohnerdaten. So fragen die Steuerverwaltung, die Schulbehörden, die Fürsorgeämter, die politischen Ämter für die Stimm- und Wahlunterlagen und auch Energie Wasser Bern die Daten jeweils beim Polizeiinspektorat an. «Entsprechend gut verschlüsselt und geschützt lagern wir sie», betont Alexander Ott. Wo die entsprechenden Server stehen, verrät er verständlicherweise nicht. Dafür bedankt er sich gemeinsam mit Marc Heeb bei seinem Chef Reto Nause. «Er gibt uns den notwendigen Handlungsspielraum. Zudem hat er uns gegenüber Dritten schon mehrfach den Rücken gestärkt. Dieses Vertrauen schätzen wir sehr», erklären die beiden Co-Polizeiinspektoren unisono.