Sollen geimpfte Menschen von bestimmten Privilegien wie etwa bei Coiffeur- und Restaurantbesuchen profitieren dürfen? Muss die Zertifikatspflicht also ausgeweitet werden? Die Meinungen der Befragten in dieser Hinsicht sind ziemlich zwiespältig. Viele befürchten, dass solche Privilegien die Gesellschaft noch mehr spalten könnten. Einige sind jedoch der Überzeugung, dass Ungeimpfte nicht solidarisch seien oder fragen sich, was mit denjenigen sei, die Angst vor den Nebenwirkungen haben?
Fotos/Umfrage: Franzisca Ellenberger

Marianne Leuenberger (Arztsekretärin, 55), Zürich
«Ich habe mehr Angst davor, dass dieses Thema unsere
Gesellschaft spaltet, als vor dem Virus selber.»

Edith Kühni (71, links), La Corbaz,
mit Adelheid Zürny
(83), Nesslau
Edith Kühni: «Ja nicht! Die Schweiz ist ein
freies Land mit freien Entscheidungen.»
Adelheid Zürny: «So werden neue
Vorurteile geschaffen und diese wirken
lange nach. Es sollte in der Gesellschaft
nicht noch mehr Gräben geben.»

Tabea Schäfer (Sanitärinstallateurin, 18)
mit Reto Küenzi (Spengler, 20), Bern
Tabea Schäfer: «Ich finde es unangebracht,
Geimpfte zu bevorzugen. Schliesslich gibt
es auch Leute, die Angst vor den
Nebenwirkungen haben.»
Reto Küenzi: «Es ist ein Witz, wenn Chefs
bestimmen können: ‹Lass dich impfen
oder du erhältst die Kündigung.›
Vorher hat es auch niemanden interessiert,
ob man gegen Grippe geimpft ist.»

Moritz Kranz
(Student, 22) Stuttgart
«Ich bin der Meinung, dass sowohl
die Geimpften, die Genesenen und die
Getesteten Privilegien haben sollten.»

Silke Scheibe (IT-Beraterin, 57, links), Bern
mit Sabine Wirth (Architektin, 62),
Berlin
Silke Scheibe: «Ich bin zwiegespalten,
denn Leute, die sich nicht impfen lassen,
sind nicht solidarisch. Aber mit Privilegien
für Geimpfte schafft man eine
Zweiklassengesellschaft.»
Sabine Wirth: «Es sollte keinen Impfzwang
geben. Aber als Ungeimpfte muss man mit
Konsequenzen leben, wie die Raucher ja
auch draussen bleiben müssen. Es gibt im
Moment einfach keine Normalität –
eher eine neue.»

Alex Ringli
(Immobilienmanager, 38), Bern
«Das ist ein sehr schwieriges Thema.
Es gibt so viele differenzierte
Meinungen darüber. Wie weit darf
man gehen? Ich verstehe, dass man
die Menschen schützen will. Ich bin
aber nicht für einen Impfzwang.»

Juliana Zafiroski (Pflegefachfrau, 35), mit
Ehemann Dejan (Zahntechniker, 37), Münchenbuchsee
Juliana Zafiroski: «Wie bei vielem ist es eine Gratwanderung. Ich sehe beide Seiten.
Man kann dieses Thema nicht in ein Ja-Nein-Schema herunterbrechen.»
Dejan Zafiroski: «Wieso nicht, wenn damit die Lage des Gesundheitssystems verbessert wird?
Ich kann als Ungeimpfter gut auf diese Privilegien verzichten.»

Marion Ehlich (Bildmischerin, 56), Berlin, mit Andrea Maurizio Medici (Angestellter, 56), Bern
Marion Ehlich: «Ich fände es vernünftig, dass es Privilegien für Veranstaltungen gibt.
Vor allem Menschen gegenüber, die sich nicht impfen lassen können, seien es Kinder
oder aus gesundheitlichen Gründen.»
Andrea Maurizio Medici: «Privilegien? Nein. Aber es geht um eine gesellschaftliche
Verantwortung. Freiheit hört dort auf, wo man die Freiheit anderer einschränkt.»