Thomas Bornhauser 1 Freisteller

… und dann setzte sich der Schwinger eine Spritze

Thomas Bornhausers aktueller Krimi «Wohlensee» ist ein Bestseller und muss bereits nachgedruckt werden. Es geht darin auch um Doping und Manipulationen im Sportland Schweiz. Ein Thema, das hierzulande offenbar niemand aufgreifen will. Wir haben beim ehemaligen legendären Kommunikations- und Kulturverantwortlichen der Migros Aare, ein heute erfolgreicher Schriftsteller, nachgefragt.

Thomas Bornhauser, gleich zur Sache: Es sind zum Teil happige Fakten, die Sie uns da im Roman auftischen. Sie haben dafür sowohl bei Sportlern als auch im Doping-Business recherchiert. Weshalb interessiert das scheinbar niemanden?
Weil im Schweizer Sport nicht sein kann, was nicht sein darf? Meine Recherchen zeigen: Wo es ums grosse Geld und Ruhm geht, da wird getrickst.

Beispiel?
Ich lerne per Zufall einen ehemaligen Schweizer Kunstturner kennen, vielleicht 1,66 Meter gross, heute 60 Jahre alt. Wir kommen ins Gespräch. Es folgt von ihm eine brisante Aussage: Anlässlich eines grossen Checks teilen ihm die Ärzte mit, dass man in seinem Rückenmark Spuren von Wachstumshemmern gefunden hat.

Weil es beim Kunstturnen von Vorteil ist, eher klein gewachsen zu sein. Simone Biles, mehrfache Weltmeisterin aus den USA, ist ja auch bloss 1,42 Meter gross …
Genau. Ich habe den Schweizer gefragt, wie er denn die Wachstumshemmer verabreicht erhalten hat? Seine Antwort: «Ohne mein Wissen, wir haben einfach die Vitamine eingenommen, die man uns verabreicht hat.»

Was sagt denn der Schweizer Turnverband STV dazu?
Ich habe dem STV die Möglichkeit einer Stellungnahme gegeben. Antwort: «In der Schweiz sind meines Wissens keine solchen Vorkommnisse bekannt.»

Doping beim Kunstturnen. Ergebnis einer anderen Recherche?
An einer Party lerne ich letztes Jahr ein Ehepaar kennen. Der übliche Smalltalk, worauf die Frau mir sagt – ihr Gatte sitzt neben ihr, unterbricht sie nicht! –, dass ihr Ehemann der Götti eines sehr, sehr bekannten Schwingers sei, sie nennt den Namen. Kürzlich seien sie an seinem Wohnhaus vorbeispaziert und hätten spontan geläutet. Dort habe die Frau gesehen, wie sich der Schwinger just in diesem Moment eine Spritze setzte. Ihre Frage: «Was spritzt du da?». Antwort: «Du hast jetzt aber nichts gesehen!» Ich weiss inzwischen, wer die Leute sind.

Und der Name des Schwingers?
Nur soviel: Es ist nicht jener, den man letzten Sommer nach einer Dopingprobe erwischt hat. Ein weiteres Beispiel gefällig?

Nur zu.
Willy Michel, bekannter Unternehmer und Mäzen, sagte in einem Interview der «Berner Zeitung», auf die Frage, ob YB für ihn als Sponsor kein Thema sei: «Ich kann mich nicht mit Spitzensport identifizieren. Denn ich arbeitete viele Jahre für Novo Nordisk, dem führenden Hersteller von Hormonprodukten. Wir waren der grösste Hersteller von Wachstumshormonen, von Anabolika. Ich musste das Zeugs damals verkaufen, ich weiss, wo es hingegangen ist, nämlich in jede Sportart. Für mich ist Spitzensport nicht sauber. Selbst Insulin kann einen Leistungsschub ermöglichen, ohne dass die Einnahme nachgewiesen werden kann.» Ich dachte nach dem Lesen, dass es jetzt ein sportliches Erdbeben absetzt. Nichts ist passiert.

Sie haben in einem Vorgespräch über einen Skandal in Bern gesprochen.
Passt zu vielem anderen. Journalist Hajo Seppelt, der Spezialist für Doping im deutschsprachigen Raum, hat mit versteckter Kamera in der ARD nachgewiesen, dass ein Sportarzt in Bern bereit war, einem Lockvogel Testosteron zur Leistungssteigerung zu vermitteln. Die Chance, erwischt zu werden, liege, so der Sportarzt, bei 1:100 000. Zudem konnte Seppelt belegen, dass dieser Sportarzt in Kontakt mit Sergej Portugalow stand, der Nummer 2 im Russland-Dopingskandal. Es war dann erstaunlicherweise keines der Berner Medien, die sich der Sache angenommen hat, sondern die «NZZ», die zudem belegen konnte, dass der Sportarzt gar keiner war, das Diplom an der Wand ein Fake. Er war zwar Arzt, aber dem angeblichen Sportarzt hatten damals noch einige Prüfungen gefehlt, um das Facharztdiplom regulär zu erwerben.

Noch andere solche Tiefschläge?
Mehrere, die zum Teil im Buch stehen oder die ich erst während nach dem Druck erfahren habe. Vielleicht schreibe ich doch noch ein Sachbuch zu Doping.

Haben Sie Anzeichen, dass auch heute manipuliert wird?
Zwei Trainer, mit denen ich gesprochen habe, berichten von eigenen Beobachtungen. Nach Trainingslager im Ausland, an denen sie selber nicht teilgenommen haben, sei auffällig, dass vereinzelt junge Athleten mit übermässiger Akne zurückkehren.

Akne ist aber bei Teenagern an der Tagesordnung.
Ja, damit erklärt man den Hautausschlag auch. Thema erledigt. Glauben wir es einfach.

Soweit zu den Männern. Wie ist es bei den Frauen?
Mir wurde diesbezüglich Unschönes erzählt. Made in Switzerland. Ich bin aber überzeugt, es stimmt nicht, dass man in bestimmten Sportarten bei Mädchen das «Frauwerden» hinauszögert, obwohl mir glaubwürdige Beispiele genannt wurden. Doch nicht in der Schweiz (schmunzelt).

Matthias Mast

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