Annemarie Bachofner-Geiser feiert dieses Jahr ihren 88. Geburtstag sowie die 33. Fasnacht und ihr Comeback auf der Bühne des Stadttheaters nach 55 Jahren. Der Bärnerbär widmet der Buchhändlerin, Pianistin und Schauspielerin ein Porträt zur dreifachen Schnapszahl.

Das ist doch Madame de …! Wer zum ersten Mal der Bärenbefreiung beiwohnt, dürfte sich am Donnerstag die Augen reiben. Denn wie jedes Jahr zum Auftakt der Berner Fasnacht gibt sich auch Louise Elisabeth de Meuron (1882-1980), geborene von Tscharner-von Wattenwyl, die Ehre.
«D’Madame de Meuron», wie alle sie nannten, geboren im stattlichen Haus vis-à-vis dem Münster (heute Sitz der kantonalen Finanzdirektion), Schlossherrin von Rümligen und Amsoldingen, prägte mit ihrem Spazierstock und Hörrohr sowie mit ihrer altmodischen Trauerkleidung – die trug sie seit dem Selbstmord ihres Sohnes Roger und tat es damit ihrer Namensvetterin Kaiserin Elisabeth von Habsburg gleich, die sich nach dem Selbstmord ihres Sohnes Rudolf in Mayerling nur noch in Schwarz kleidete – die Berner Altstadt, wo sie zahlreiche Immobilien besass.

Mit 88 zum 33. Mal an der Fasnacht
Hinter der jährlichen Wiederauferstehung der legendären Berner Aristokratin steckt Annemarie-Bachofner-Geiser. «Ich bin zum 33. Mal an der Berner Fasnacht dabei», freut sie sich auf die närrischen Zeiten. Nach ihrem Auftritt als Madame de Meuron wird die rüstige Rentnerin, die im Sommer ihren 88. Geburtstag feiern kann, an den folgenden Fasnachtstagen im Theater beim Kreuzgasse-Brunnen auf der Bühne stehen, «dann aber in einem bäuerlichen Kleid», so Annemarie Bachofner-Geiser. Regie beim Fasnachts-Theaterstück mit dem vielversprechenden Titel «Eine Schillernde Zirkus-VorsTell-ung» führt ihre Tochter Barbara Schweizer-Bachofner.
Vor 70 Jahren stand Annemarie Bachofner-Geiser zum ersten Mal auf den Brettern, die die Welt bedeuten. Zuerst spielte sie in Weihnachtsmärchen, später in zahlreichen Laientheatergruppen, aber zwischendurch auch «in einem professionellen Ensemble», wie sie sagt, im damaligen Atelier-Theater, dem heutigen Theater an der Effingerstrasse.

Die berühmte Schwester
Doch vollberuflich auf die Schauspielerei wollte sie nie setzen. «Diese Laufbahn überliess ich Linda», sagt Annemarie Bachofner-Geiser lächelnd. Ihre vier Jahre jüngere Schwester Linda Geiser gehört seit Jahrzehnten zu den grossen Figuren der Schweizer Schauspielszene.
Während Annemaries geliebtes Schwesterherz Linda mit den Franz- Schnyder-Filmen «Ueli der Knecht», «Der 10. Mai», «Annebäbi Jowäger» und «Die sechs Kummerbuben» sowie mit der TV-Serie «Lüthi und Blanc» in der Schweiz zum Star avancierte und auch mit einem Hollywood-Film («Der Pfandleiher») an der Seite Rod Steigers international berühmt wurde, wählte die älteste Tochter eines Lehrers und SP-Politikers eine bürgerliche Laufbahn.

Stadttheater-Comeback nach 55 Jahren
Nach der Matura absolvierte Annemarie Bachofner-Geiser die Ausbildung zur Buchhändlerin, sie heiratete und wurde Mutter zweier Mädchen. Die erste Schwangerschaft bedeute das Ende als Statistin und Darstellerin von kleinen Nebenrollen auf der Bühne des Berner Stadttheaters. Doch es war, so wie es sich jetzt herausstellt, kein Ende für immer. «Gut 55 Jahre nach meinem letzten Auftritt im Stadttheater bin ich wieder als Statistin im Einsatz», freut sich Annemarie Bachofner-Geiser. Unter der Regie von Jonathan Loosli und Mathis Künzler steht sie im Stück «Elefant von Murten» auf der Bühne. Dieser erste Theatertext des Solothurner Drehbuchautors Uwe Lützen handelt von der wahren Geschichte eines Zirkuselefanten, der 1866 in Murten seinen Wärter tötete, anschliessend abhaute, durch die Strassen der Stadt rannte und die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzte. Erst mit einer Kanonenkugel konnte der aufgebrachte Dickhäuter zur Strecke gebracht werden. Das Skelett befindet sich heute im Naturhistorischen Museum in Bern.

Am Flügel in der Royal Albert Hall
Das Stadttheater-Comeback mit ihrem Auftritt in «Der Elefant in Murten» ist bei weitem nicht ihr grösster! Den erlebte sie 1953 in der Royal Albert Hall in London. Am internationalen Fest der Jugendchöre begleitete die damals 22-jährige die Schweizer Gesangsdelegation am Flügel. «Beim Konzert ging alles gut, wegen des Scheinwerfers sah ich nur einen dunklen Saal, doch als ich dann während des tosenden Schlussapplauses in der Saalbeleuchtung die Menge von fast 10 000 Zuschauern sah, fiel ich beinahe in Ohnmacht», erinnert sich Annemarie Bachofner an den denkwürdigen Abend im Krönungsjahr von Queen Elisabeth II.
Zur angestrebten Karriere als Konzertpianistin hat es ihr leider nicht gereicht, denn «ich bin durch die Prüfung gefallen, zum Leidwesen meines Vaters, der immer wollte, dass ich die berühmteste Pianistin der Welt werde», so Annemarie Bachofner-Geiser.
Doch berühmt zu sein taugt wenig für ein erfülltes Leben. Das weiss auch Annemarie Bachofner-Geiser und das war sich auch die «richtige» Madame de Meuron voll bewusst. Als sie kurz vor ihrem 90. Geburtstag über ihr Leben interviewt wurde, sagte sie: «Alles ist Unsinn gewesen, sehr schöner, herrlicher Unsinn.»

Matthias Mast