Angela Zumbrunn

Wie «die Andere» anderen bei der Integration hilft

Als Projektleiterin des Förderprogramms «ici. gemeinsam hier.» von Migros-Engagement macht sich Angela Zumbrunn für Zugezogene stark. Dabei kann die Wahlbernerin aus ihrer Biografie heraus Brücken schlagen.

Integration fördern und so ein chancengleiches Zusammenleben ermöglichen – so lautet das Ziel des Projekts «ici. gemeinsam hier.» Nach der ersten Durchführung 2022 strahlen die Augen von Projektleiterin Angela Zumbrunn mit jeder Weihnachtsbeleuchtung um die Wette. «Schweizweit können wir 92 Projekte mit 1,1 Millionen Franken für zwei Jahre finanziell und fachlich unterstützen.»
Zumbrunn erläutert einige der Kriterien, die die Bewerberprojekte für «ici. gemeinsam hier.», das ein Förderprogramm des Migros-Engagement ist, erfüllen sollten: «Die Angebote müssen gemeinnützig, niederschwellig und auf Augenhöhe sein. Klar auf die Bedürfnisse ihrer Zielgruppe zugeschnitten und nicht von einer Gruppe für eine andere, sondern gemeinsam umgesetzt werden. Die Teams sollten möglichst divers zusammengesetzt sein und die meisten Engagierten Freiwillige.

«ici» fördert in drei Themenbereichen: «Interkulturelle Begegnung und Kommunikation im Alltag», «Mehrsprachiges Aufwachsen von Kindern vor dem Kindergarteneintritt» und «Heranführung an berufliche Perspektiven von Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter».

17 Projekte in der Region Bern
Zumbrunn ist überrascht, wie viele Projekte auf die Ausschreibung vom Oktober bis Dezember 2021 eingereicht wurden. «233 aus allen Landesteilen.» Ab Mai 2022 gab es dann die ersten Fördergelder. «Alle 92 Projekte, die von der Jury ausgewählt wurden, sind voll in der Umsetzung. Wir stellen auch Coaches zur Seite.»

Am 18. Dezember ist der Tag der Migrant:innen. Für «ici» ein guter Anlass, die Integrationsprojekte ins Scheinwerferlicht zu rücken. Braucht es einen solchen Aktionstag? Zumbrunn nickt bestimmt: «Ja! In diesem Thema stecken so vieleGeschichten von Menschen, die sonst keine Stimme und Sichtbarkeit haben.»

Bewusst spricht Zumbrunn nicht nur von Geflüchteten oder Migrant:innen. «Wir schauen nicht auf den Status, es geht uns um jede Art von Zugezogenen.» Die Projekte sollen staatliche Integrationsangebote nicht konkurrenzieren, sondern ergänzen. «ici» hat deshalb Partner wie Kantone und Bund ins Boot geholt. «Wir fördern Projekte, die in der Integrationsarbeit Lücken schliessen, damit keine Menschen mehr durch die Maschen fallen.»

In der Region Bern gibt es 17 Projekte, die von «ici» finanziell bedacht werden. Von Müttertreffs über Beratungsstellen, Berufsförderung, Wanderclub bis hin Sportangeboten ist viel dabei. «Ich erinnere mich da an den Familientreff Liebefeld. Das ist ein beliebter offener Ort, der für die Menschen im Quartier Begegnung schafft. Mit dem Fördergeld wurde ein kinderfreundlicher Garten geschaffen und es wird an einem neuen Kindernachmittag gearbeitet.»

Was Zumbrunn bei allen Projekten beeindruckt, ist das Empowerment: «Es berührt mich, wie viele Menschen etwas zu geben haben und sich für ein besseres Zusammenleben freiwillig einsetzen. Ob privilegiert oder jene, die Integrationshürden selbst erlebt haben: Sie sind in der Gesellschaft angekommen und wollen das weitergeben.»

«Es gibt eine neue Schweiz»
Auch in Zumbrunns Biografie gibt es eine Migrationsgeschichte, allerdings mit anderer Ausgangslage. Sie wurde in Sri Lanka geboren und als Kind von einer Schweizer Familie adoptiert. «Integrationsschwierigkeiten hatte ich nicht, wurde hier sozialisiert. Ich hatte gute Voraussetzungen. Das einzige Hindernis war meine Hautfarbe, die nicht zu meinem Namen passte.»

Obwohl Zumbrunn hier aufwuchs und Mundart ihre Herzenssprache ist, kennt sie das Gefühl, in der Schweizer Gesellschaft skeptisch betrachtet zu werden. «Ich bin ich auch mit Vorurteilen konfrontiert, werde als die Andere wahrgenommen. Deshalb ist der Abbau von Vorurteilen und das Bilden von neuen Identitäten durch Projekte wie ‹ici› mir auch persönlich wichtig. Es gibt eine ganz neue Schweiz, die nicht nur das eine oder andere ist, sondern beides. Dieses Denken habe ich früher vermisst.»

Die Frage, wo sie denn ursprünglich herkomme oder die Bemerkung, dass sie ja gut Deutsch spreche, begegneten Zumbrunn schon oft. «Ich musste mich auf meinem Lebensweg viel erklären. Ich wünsche mir, dass es in Zukunft normaler wird, dass solche Menschen als Schweizerinnen und Schweizer angesehen werden können.»

Heute sieht sie sich als Person, die gerne an verschiedenen Orten lebt. Nach Sri Lanka hat sie Beziehungen aufgebaut. «Das Land ist ein wichtiger Teil meines Lebens geworden.»

Ihr Studium brachte Zumbrunn nach Bern, wo sie schliesslich auch eine Familie gründete. Sie arbeitete beim Staatssekretariat für Migration SEM und bei der Konferenz der kantonalen Sozialdirektor:innen. Anfang des Jahres wechselte sie zur Migros.

Sie freut sich, dass «ici» im Frühjahr in die nächste Runde geht. Hoffentlich mit vielen Projekteingaben, auch aus Bern.

Michèle Graf

Angela Zumbrunn (40) wurde in Sri Lanka geboren und lebt in Bern. Die Sozialanthropologin verantwortet das Förderprogramm «ici. gemeinsam hier.» von Migros-Engagement. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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