David Signer (52) betreut kleine Kinder in einer Kita im Mattequartier. Negative Reaktionen, weil er als Mann in einem typischen Frauenberuf arbeitet, erlebt er eigentlich nie. Signer liebt die Kinder und die Kinder lieben ihn. Ein Besuch bei den «Aarepirate».
«Mamaaaa!» Nein. Es ist nicht Heintje, der da singt. Der eben noch friedlich spielende Milo (Name von der Redaktion geändert) hat gemerkt, dass sein Mami nicht mehr da ist. Doch David Signer kann ihn rasch beruhigen. Der 52-jährige Berner ist Leiter der Gruppe «Aarepirate» in der Kindertagesstätte Matte. «Mama muss arbeiten», erklärt er dem Kind ruhig und holt ein Puzzle hervor. Es ist eines von der Sorte, das man mehr haptisch als mit dem Verstand lösen kann. Der Zweijährige muss Schweinchen und Enten in die dazugehörigen Formen pressen. Es klappt. Milo ist wieder zufrieden, das Mami fast vergessen. Später putzt ihm Signer die Nase. Ein zweiter Knirps betritt den Raum im Untergeschoss, wo die Gruppe «Aarepirate» untergebracht ist. Der Kleine kennt Signer bestens und streckt ihm zur Begrüssung die Hände entgegen, damit dieser ihn hochnimmt. «Was möchtest du machen? Mit der Eisenbahn spielen?», fragt Signer. Das kommt offensichtlich an. Bald ist das Kind in sein Spiel vertieft. «Wenn die Kinder etwas am Tun sind, gehe ich nicht dazwischen», erklärt Signer. Ein Tagesablauf existiert indes schon. Um neun Uhr wird ein Znüni serviert, um elf werde Zmittag gegessen und danach geschlafen. Jedes Kind hat sein eigenes Ritual, bringt ein Tierli mit oder braucht ein Tüechli oder seinen Nuggi. Leise Musik helfe den Kindern beim Einschlafen. Rituale seien wichtig. «Sie geben Sicherheit.» Signer kam relativ spät zu seinem Beruf. Er begann eine Lehre als Zimmermann, bevor er die Ausbildung zum Kleinkindererzieher und eine Zweitausbildung als Montessori-Lehrer abschloss. Heute laute die Berufsbezeichnung Fachangestellte/r Betreuung Kind (FaBek). Zunehmend würden auch Männer diesen Beruf ergreifen. Signer hatte allerdings ein weibliches Vorbild. Bereits seine Mutter arbeitete als Erzieherin in einem Montessori-Kindergarten. 1995 habe er dort ausgeholfen und gemerkt, dass ihm dieser Job liege. Seit sechs Jahren ist Signer nun bereits in der Kita Matte beschäftigt.
Ohne Vorurteile
«Die Kinder sind toll. Ich freue mich jeden Tag hierherzukommen», sagt Signer. Sie seien auch Vorbilder für ihn, weil sie ehrlich, direkt und ohne Vorurteile seien. Dass er als Mann in einem typischen Frauenberuf arbeite, sei nie ein Problem gewesen. «Ich wurde immer gut aufgenommen.» Signer denkt sogar, dass viele Leute es positiv finden würden, wenn die Kinder von Männern und Frauen betreut werden. Gerade in Familien mit alleinerziehenden Müttern fehlten doch oft die männlichen Vorbilder. Signer ist zudem überzeugt, dass Kinder, die eine Kita besuchen, sozial reifer sind. «Es tut ihnen gut, in einer Gruppe zu sein. Wir sind kein reiner Hütedienst.» Vielmehr würden Interessen der Kinder aufgenommen und vertieft. Für fremdsprachige Kinder kann die Kita viel zu einer raschen Integration beitragen. Pedro (Name geändert) zum Beispiel spricht zuhause Spanisch und kann noch nicht so gut Deutsch. Hier lernt er die Sprache rasch. Etwa beim gemeinsamen Aufbau einer Holzeisenbahn. Achtzehn Kinder gehören zu der von Signer betreuten Gruppe «Aarepirate». Auch alle anderen Gruppen im Haus tragen Namen, die etwas mit Wasser zu tun haben. Schliesslich ist man in der Badgasse der Aare sehr nah. So gibt es auch die Gruppe «Glitzerwasser» oder «Wasserwelle». Die Gruppe mit den Babys heisst «Wasserschildchrötli». Bei Signer sind die Piratinnen und Piraten oft auf hoher See: Das Thema wird mit Spielzeug – etwa einem Piratenschiff von Playmobil – sowie in Büchern und Liedern aufgenommen. Und wenn ein Kind Geburtstag hat, muss eine Piraten-Schatztruhe geborgen werden.
Helen Lagger