Die Berner Schauspielerin Nina Wägli sorgt seit zwölf Jahren als Energiebündel und Traumdoktorin Dr. Pönk für freudige Moment bei kranken Kindern. Jetzt gibts die Comedy des Energiebündels auch für Erwachsene.
Haare, als hätte sie in eine Steckdose gepackt, ein Stern als Nasespitz und ein Kittel vollgepackt mit mehr Gadgets als jeder Agent: Das Arbeitsoutfit von Nina Wägli ist echt wild und bunt. Gepaart mit ihrer ansteckend fröhlichen Art ist sie damit die perfekte Traumdoktorin. Seit 2011, damals nannten sich die Traumdoktoren der Stiftung Theodora noch Spitalclowns, ist Wägli alias Dr. Pönk in Krankenzimmern von Kindern unterwegs.
Pönk? «Weil ich eine anarchische Energie ins Spital bringen will. Mir gefällt das Knallige an dem Namen», sagt die Künstlerin. So verbreitet sie im oft anstrengenden Spitalalltag Leichtigkeit und Freude. Ob bei Kindern mit Leukämie, Armbruch oder Bauch-OP. «Ich nehme den Fokus für einen kurzen Moment weg von der Krankheit», sagt Wägli zu ihrer Aufgabe. «Nie mit dem Ziel, dass das Kind jetzt lachen muss. Manchmal liegt es auch einfach im Arm der Mama und geniesst meine Anwesenheit still.»
Dr. Pönk stellt gerne kuriose Fragen, vergleicht Chirurgen mit blauen Schlümpfen, zaubert Ballontierchen, stolpert über ihre eigenen Füsse oder drückt coole Klebetattoos auf. «Ich versuche, schnell eine Bindung aufzubauen. Ich gehe mit Offenheit und Neugier ins Zimmer, Komik entsteht automatisch.» Neben Pflegenden, Medizinern und Angehörigen sieht sie sich als Supplement, das viel erleichtern kann.
Fluch und Segen des Berufs
Zu dem besonderen Job kam Wägli ganz klassisch durch eine Stellenanzeige. «Man braucht artistische, aber auch soziale Fähigkeiten. Da machte mein CV irgendwie auf einmal Sinn. Ich habe einfach sehr gerne Menschen und der Job fordert mich auf eine gute Art.» Ihr Alter Ego Dr. Pönk sei sie selbst, nur hoch drei, lacht Wägli.
Im Spital findet Dr. Pönk einen spannenden Schmelztiegel an Kulturen, Religionen und sozialen Schichten vor, geniesst das Vertrauen von Patienten und Eltern. Sie bewundert, wie gut viele Kinder mit ihrer Krankheit und schweren Diagnosen umgehen können. «Oft besser als die Eltern», weiss die erfahrene Traumdoktorin, die in ihren Berufsjahren, meist im Inselspital, schon viel gesehen hat. Trotz aller Routine berühren die menschlichen Schicksale sie immer noch tief. «Mich nimmt es stets mit, wenn kleine Patienten zum Beispiel mit einer vermuteten Grippe ins Spital kommen und dann wird plötzlich ein Krebs entdeckt. Das trifft die Familien völlig unerwartet.»
Da sie selbst Mami ist, weiss sie, wie verletzlich Eltern sind, wenn das eigene Kind Schmerzen hat. Nach jedem ihrer Einsätze geht der Alltag vor der Spitaltür ungehindert weiter. Für Wägli Fluch und Segen ihres Berufs zugleich. «Wenn ich die Gedanken mit nach Hause trage, hilft es mir, mit meiner Familie oder Freundinnen zu reden. Tränen und Lachen liegen im Leben nah beieinander, das habe ich oft erfahren.»
Humor ist auch ihre Überlebensstrategie. Wenn Wägli jede Situation ernst nehmen würde, würde sie, die drei Söhne hat, kein Land mehr sehen. In Kleinigkeiten gibt sie nach, nimmt es gelassen, wenn die Jungs die neusten Vitaminpillen auf den Küchenboden ausleeren. «Ups, Mama!»
Doch in den gewichtigen Dingen kann die Clownin durchaus konsequent sein. Dazu gehören Verbindlichkeit und Vertrauen. Wenn die Kinder etwas auf dem Herzen haben, finden sie bei Mama ein offenes Ohr. Auch bei schlechtem Timing, lacht Wägli: «Neulich mussten wir morgens zur Schule pressieren und einer platzt mit der Frage raus: ‹Du, gibt es Gott?› Ja, Situationskomik gibts bei uns viel.»
Was da so alles in den Kinderköpfen herumschwirrt, fasziniert die Mutter. Sie findet es traurig, dass viele Erwachsene es verlernt haben, die Welt durch Kinderaugen zu betrachten, diesem Blick Wert beizumessen und Zeit zu schenken. Und da muss man auch mal das ein oder andere unerwartete Chaos aushalten. «Neulich stürmte im Tram ein Mann an mir vorbei und sein Schlüsselanhänger verhakte sich im Reissverschluss meiner Tasche. Er ging nicht mehr los, wir waren echt aneinandergekettet. So ein Fiasko, total verhedderet im Feierabendverkehr! Er musste mit mir aussteigen und hat sich beim Loslösen noch in den Finger gepiekst.» Sie verschlägt die Hände überm Kopf, lacht lieber anstatt sich zu nerven.
Solche und ähnliche Tücken des Alltags sind für Wägli Rohgold für ihr zweites Standbein als Comedian. Mit ihrem ersten Programm «Verhedderet» steht sie seit 2021 auf den Kabarettbühnen; als sie selbst, ohne Clownsschminke, dafür mit scharfem Humor für Erwachsene.
Wie sie sich selbst durch den Kakao zieht
Ist das ihr Ausgleich zu der Arbeit mit Kindern? «Ja, ich wollte mich künstlerisch wieder weiterbilden. Und auf der Bühne kann ich mein Programm spielen, im Spital bin ich nonstop am Improvisieren.» Hier zieht sie sich selbst respektive ihre Unfähigkeit, die vielen täglichen Entscheidungen, ob grosse oder kleine, zu fällen, durch den Kakao. Dazu spielt sie Trompete und zaubert. «Mega lange» habe es gedauert, das Programm zu schreiben, sagt sie. Selbstkritisch hat Wägli jedes Wort abgewogen, traute sich erst mit den Gags raus, wenn sie 100-prozentig sassen.
Der Erfolg hat sich nach harter Arbeit, die so leicht aussieht, inzwischen eingestellt. «Wenn man etwas gut, mit Herzblut und Ausdauer macht, funktioniert es irgendwann auch. Ich bin ein Comedy-Kabarett-Mix. Ich will einfach die Menschen unterhalten.»
Michèle Graf
Nina Wägli, geboren am 27. Mai 1981, stammt aus Bern, wuchs zeitweise in den USA auf. Die gelernte Flugbegleiterin studierte Schauspiel, danach soziokulturelle Animation und wurde Traumdoktorin. Die Mutter von drei Buben ist verheiratet und steht mit ihrem Comedy-Programm «Verhedderet» auf der Bühne.
Die Stiftung Theodora wurde 1993 von den Brüdern André und Jan Poulie gegründet. Ziel der Programme ist es, Kindern in Spitälern und in Institutionen für Kinder mit Behinderung Lachen, Freude und wertvolle Momente der Abwechslung zu schenken. Die 72 Traumdoktoren der Stiftung besuchen wöchentlich 32 Spitäler und 27 spezialisierte Institutionen in der Schweiz. theodora.ch