Liebe Aare Seite 29 Korr

Als das Hochwasser 1000 Sandwiches ruinierte

Vielleicht fällt die Badi-Saison 2020 Corona-bedingt ins Wasser. Das Aare-Erlebnis ist aber trotzdem möglich: mit dem Fanbuch «Liebe Aare».

Die Macherinnen des Infografikbuchs – Stefanie Christ (Konzept, Text), Sabine Glardon (Grafik) und Maria Künzli (Text) – stammen alle drei aus Bern und wissen: Die Aare ist Kult! Viele lieben sie, einige fürchten sie, alle sprechen über sie, gerade in den warmen Monaten, wenn der Fluss zum Naherholen lockt. Mit «Liebe Aare» wollen sie diesem Kultstatus gerecht werden und den Fluss in all seinen Facetten thematisieren – vom Berner Oberland übers Mittelland und Solothurn bis zur Rheinmündung. Geologische Eigenheiten, Wassertemperaturen, Flora und Fauna, Wasserfarbe, Namenserklärung und spezielle Orte in und an der Aare: Auf zahlreichen Infografiken werden die Leserinnen und Leser informiert und unterhalten zugleich.

Welcher Aare-Typ sind Sie?
Wer zum Beispiel wissen möchte, was für ein Aare-Typ er oder se ist, wird im Buch fündig. Etwa die «Partyseelöwen»: «Die Aare ist für sie ein gigantischer Dancefloor, der sich durchs Land schlängelt. An lauschigen Uferstellen errichten sie ein Feuer, um das sie bis in die Morgenstunden tanzen. Auf dem Wasser bewegen sie sich gerne in Schlauchbooten vorwärts, ausgestattet mit spiegelgläsernen Sonnenbrillen, Bier, das sie hinter dem Boot durchs kalte Wasser ziehen – und einer angemessenen Soundanlage, die alle auf und im Wasser beschallt. Ganz nach dem Motto: Lasst die Fische tanzen!» Den passenden Soundtrack liefert das Buch auch gleich mit und rät unter anderem zum Song «Id Aare». Dazu ist zu lesen: «Unufdringlech ästhetisch: Das ist die Aare für den Berner Rapper Nisu. Seine Aarehymne ist entspannt, leicht treibend, erfrischend und heimelig. Wie das Bad im Fluss selbst. Für ihn – und viele andere auch – ist die Aare der Mittelpunkt der Stadt, zumindest im Sommer: E Jungbrunne im Täli unge, d’Aorta im Härze vor Stadt.» Die drei Macherinnen haben ganz unterschiedliche Zugänge zur Aare: Während die Grafikerin Sabine Glardon Respekt und Faszination für den Fluss empfindet, ist Autorin Maria Künzli ein waschechtes Bärner Meitschi, das sogar neben der Aare wohnt. Stefanie Christ, verantwortlich für Text und Konzept, ist, was das Schwimmen angeht, eher ein Angsthase und zieht das Meer dem Fluss vor. Stefanie Christ kam auf die Idee, ein Aarebuch zu verfassen, nachdem sie vergeblich für jemandem nach einem entsprechenden Geschenk gesucht hat. Für sie war gar sogleich klar, dass sie ein solches mit Sabine Glardon verwirklichen wollte: «Wir haben beide lange für die ‹Berner Zeitung› gearbeitet und dort gemeinsam etliche Infografiken realisiert.» Auch Maria Künzli ist eine ehemalige BZ-Mitarbeiterin – die drei Macherinnen sind also längst ein eingespieltes Team.

Kein Buch nur für Fanatiker
Wichtig war ihnen, dass der Fluss in seiner Gesamtheit thematisiert wird. Darum kommen spezielle Orte aus dem Kanton Solothurn ebenso vor wie solche aus dem Kanton Aargau. Für all die Daten und Anekdoten stützten sie sich bei der Recherche auf offizielle Ämter, auf engagierte Vereine und Medienarchive. Bei der Recherche haben die Autorinnen selbst viel über den Fluss erfahren, der ihre Heimatstadt prägt. Beispielsweise, dass die älteste schriftliche Überlieferung des Flussnamens auf die Spätantike (ab 284 n.Chr.) zurückgeht, als Berns Hauptgewässer mit den lateinischen Namen «Arura» oder «Arula» erwähnt wurde. Dass die Aare jährlich rund 135000 Kubikmeter Geröll in den Brienzersee transportiert und dadurch die Berge im Quellgebiet in 3333 Jahren um 1 Meter niedriger werden. Dass täglich durchschnitt lich 10 Milliarden Liter Wasser unter dem Altenbergsteg in Bern hindurchfliessen. Dass von einem Solothurner Bach der aus den USA stammende Signalkrebs in die Aare eingewandert ist und seither heimische Flusskrebsbestände bedroht. Oder dass dem Hochwasser von 1999 im Berner Mattequartier 1000 Sandwiches zum Opfer fielen, die für den alljährlichen Auffahrtsausflug eines Clubs gedacht gewesen waren. Bei der Ästhetik haben sich die Macherinnen an der reduzierten Ästhetik der Sechzigerjahre-Werbung orientiert – und viele verspielte Elemente eingestreut. Sie wollten ein Buch schaffen, dass zum Schenken, zum Selberlesen oder zum Informieren Spass macht. «Wir haben erst an ein kleines Coffeetable-Book gedacht, aber dafür ist es nun etwas gross geraten», sagt Stefanie Christ. So viel hat der Fluss eben zu bieten. Trotz all dem: Das Buch richtet sich nicht nur an «Fanatiker». Es liefert auch Gründe, warum die Aare gar nicht so toll ist. Nummer 1: «Die Kälte: 17 Grad sind angenehm? Es gibt Kühlschränke, die wärmer eingestellt sind!»

Stefanie Christ

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