Auf der Bühne ein Don – im Leben mit Donna

Am Wochenende war Premiere. Der gebürtige Amerikaner Todd Boyce stand zum ersten Mal im Stadttheater Bern als Mozarts
«Don Giovanni» auf der Bühne. Seit einem Jahr lebt er in der Bundesstadt und fühlt sich bestens aufgehoben. Eine entspannte Begegnung nach einer Probe und vor dem Theaterhaus.

Die Spielstätte am Kornhausplatz, wo Todd Boyce als wollüstiger Womanizer eine glitzernde Egomanen-Show zum Besten gibt, liegt im Schatten. Wir treffen den US-Amerikaner aus Wisconsin gleich schräg gegenüber im Restaurant Ringgenberg und erhaschen ein paar letzte Sonnenstrahlen. Der 34-jährige Bariton, der seit einem Jahr zum Ensemble von Konzert Theater Bern gehört, ist bereits dort, wo viele aus seinem Stimmfach hinwollen: Er ist «Don Giovanni», Mozarts Antiheld. Ein Machtmensch, der sein wildes Treiben am Ende teuer bezahlen muss. Das Opus, das 1787 in Prag uraufgeführt wurde, ist eines der beliebtesten Werke im Opernrepertoire. Und der Don ist eine Paraderolle für jeden Sänger. «Die Herausforderungen für die Partie sind gross», gibt Todd Boyce unumwunden zu und ergänzt, «die Charakterrolle hat verschiedene Facetten, er ist hart, aber auch verletzlich und er muss vor allem gut singen können.»

Nur am Anfang nervös

Dass der Opernsänger stimmlich parat ist, hat er in Bern längst bewiesen. In der letzten Saison begeisterte er das Publikum als Graf Almaviva in Mozarts Opera buffa «Le nozze di Figaro». War die Nervosität für den grösseren Part des Don ausgeprägter? «Ich bin immer nervös vor dem ersten Auftritt», relativiert der smarte Künstler, «dafür kommt es danach nicht mehr vor.» In der Lesart von Regisseur Matthew Wild entwickelt sich die unrühmliche Geschichte des Playboys und Pokergesellen nicht in einer Burg, sondern in einer Spielerstadt wie Las Vegas. Todd Boyce ist von der Idee sehr angetan: «Das Setting in einem Casino und mit einem Despoten mittendrin, der keine Konsequenzen für sein Tun befürchten muss, passt perfekt». Es sei zudem spannend gewesen zu sehen, dass die moderne Sicht aufgeht: «Wussten Sie, dass Casino übersetzt auch Burg bedeutet?», beantwortet Boyce die Frage gleich selbst und lacht dabei schelmisch.

Ein Typ wie Trump

Die glitzernden Anzüge und die Lackschuhe, die er als schillernder Vegas-Verführer trägt, passen bestens zum sportlichen Mittdreissiger. Gibt es Gemeinsamkeiten mit «DirtyDon»? Todd Boyce verwirft die Hände, als ob er eine Fliege verscheuchen wolle: «Nein, um Gottes Willen. Wir sind extrem weit voneinander entfernt. Erst recht vom Typ Trump, den sich die Regie als Blaupause nahm.» Dafür ist Boyce sehr nahe mit dem Ensemble. Besonders mit Gast Michele Govi hat er viel Spass, der in der Oper Don Giovannis Diener Leporello spielt und am Theater Orchester Biel Solothurn ein Publikumsliebling ist. «Michele ist Italiener und sein Rhythmus ist ansteckend», kommt er ins Schwärmen, «ich kann so viel von ihm lernen.» Auch für die anderen Kollegen hat Todd nur Lob übrig: «We are family», drückt er die Bewunderung aus und die Bedeutung ist seit Sister Sledge klar: «Wir sind eine Familie».

Mozart ist kein Kinderspiel

Eine der ungeklärten Fragen, was uns Mozart und sein Librettist Lorenzo da Ponte mit dem Archetyp des Don Giovannis sagen wollten, kann auch Todd Boyce nicht beantworten. Er weiss nur: «Ich zeige einen Menschen, der getrieben und deshalb auch einsam ist. Das macht es für mich letztendlich einfacher, diesen Fiesling zu spielen.» Mozarts Musik, vorwiegend heiter, passe gut zu einem, der andere hintergeht. «Don Giovanni lacht dir ins Gesicht und sagt Dir gleichzeitig, dass er dich gleich töten wird.» Die Kunst bei der Darstellung sei es, die musikalische und schauspielerische Spannung zu halten, versichert Todd Boyce, «Mozart zu singen, ist kein Kinderspiel. Alles muss auf den Punkt gebracht werden und gleichzeitig im Fluss bleiben.»

Bestens angekommen in Bern 

Leicht ist es dem Amerikaner hingegen gefallen, bei den Bernern anzukommen. «Ich wurde gut und schnell aufgenommen», sagt er und lacht ein Jungenlachen, «man muss einfach raus und unter die Leute.» Seit einem Jahr ist Todd Boyce verheiratet, seine Frau Lucie arbeitet auch bei Konzert Theater Bern. Wenn sie einmal genug haben vom intensiven Theaterleben, kommt die nahe Natur gelegen. «Kürzlich waren wir Wandern in der Twann Schlucht. Es gibt nichts Besseres, um sich für eine Weile auszuklinken.» Peter Wäch

Info: «Don Giovanni», W. A. Mozart, Stadttheater Bern, bis Di, 17. April 2018; Auf CD: «Lotario», G. F. Händel, Händelfestspiele Göttingen/KTB

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