In New York wohnte Isabelle Flachsmann einst in einer WG, in der sogar mal die Decke einstürzte. Mittlerweile lebt die Musicaldarstellerin mit ihrer Familie in Rüfenacht und sieht auf die Alpen. Dafür hat sie keinen Aufwand gescheut.
«Jesses Gott, man sieht fast die ganzen Berner Alpen!», schwärmt Isabelle Flachsmann immer noch, als sie uns vom offenen Wohn- und Essbereich in den grossen, vollverglasten Wintergarten hinausführt und wir fragen, was die herrliche Aussicht denn an Gipfeln zu bieten hat. «Der Niesen ist dabei, an guten Tagen sogar Eiger, Mönch und Jungfrau. Aber wie sie alle heissen, ist mir nicht so wichtig.» Als die Sängerin und ihr Ehemann Lukas Bürki dieses zum Verkauf ausgeschriebene Haus vor dreieinhalb Jahren besichtigen konnten, war es Liebe auf den ersten Blick. Nur hatten sie gerade den Zuschlag für ein anderes Objekt bekommen und zugesagt.
Lieber Rüfenacht statt Belp
Wie es dazu gekommen ist? «Wir haben uns vorher im Breitenrain-Quartier sehr wohlgefühlt, aber nachdem unser Sohn Fridolin vor sieben Jahren auf die Welt kam, wurde es uns in der Dreieinhalbzimmer-Wohnung einfach zu eng», erzählt Flachsmann. Sie suchten sehr lange, die Bewerbungsschreiben wurden immer überschwänglicher. «Ich schrieb Liebesbriefe, Lukas, der Grafiker ist, zeichnete, und Fridolin musste ein Bild malen. Als wir die Hoffnung schon fast aufgegeben hatten, bekamen wir für ein Haus in Belp die Zusage, verzichteten jedoch letztlich, weil es uns nicht komplett aus den Socken gehauen hatte.» Kurz daraus flog ihnen das Haus in Rüfenacht zu, das neben dem Panorama mehr Platz drinnen und draussen bietet. «Unser Sohn soll in unserem grossen Garten spielen können, ohne sich über den Autoverkehr Gedanken machen zu müssen», sagt die 47-Jährige. Eine farbenfrohe Wiese ist ihnen lieber als ein Golfrasen. Alles darf wuchern und soll möglichst viele Tiere anziehen. «Wir haben auch zwei Igelhäuser und Teiche, in denen Molche leben.» Den Gemüseanbau entdecken die Eltern gerade gemeinsam mit Fridolin. Die Gurken gediehen im vorletzten Jahr super, wurden fast so riesig wie Kürbisse, während sie im vergangenen Jahr fast alle von den Schnecken gefressen worden. «Trotzdem werden wir wieder keine Schneckenkörner streuen, sondern nun versuchen, sie mit alternativen Methoden fernzuhalten.» Der aktivste Tierschützer in der Familie ist aber ihr Sohn. Er studiert im Kinderzimmer unter seinem eigenen Mikroskop Insektenlarven und sammelt sie in Schächteli. «Einmal habe ich sogar eine tote Hornisse in seiner Hosentasche gefunden, ein anderes Mal zog es streng zum Fenster hinein, weil Fridolin davor ein Steinmausoleum für eine Maus errichtet hatte», berichtet Flachsmann amüsiert. «Er möchte Forscher werden und Tiere retten.»
Das New Yorker Schlangenloch Als Isabelle Flachsmann nach der Matura ihren grossen Traum von einer Musicalkarriere verfolgte, zog sie nach New York und lebte dort in einer Dreizimmer-WG mit einem Mann und seiner Katze sowie zwei Frauen und ihrer Schlange. «Unser Appartement entsprach dem Klischee vom Loch, in dem die meisten Künstler in dieser Stadt hausen müssen, da die Mieten astronomisch sind», erinnert sie sich. «Einmal ist sogar die Decke eingestürzt. Als ich aus der Küche zurückkam, war der Stuhl vor meinem Computer mit Kies und Mörtel bedeckt.» Da Flachsmann den Vermieter zuvor auf Risse in der Decke aufmerksam gemacht hatte, wäre das nicht nur ein Kündigungsgrund gewesen, sondern in den USA auch eine Chance, ihn lukrativ zur verklagen. Sie hat es jedoch nicht getan. «Ich war mir bewusst, worauf ich mich bei dieser Wohnung eingelassen hatte, und wollte nicht Tag und Nacht jobben, um mir eine bessere Unterkunft leisten zu können, sondern mehr Zeit fürs Training haben. Meine Möbel waren alle von der Strasse, nur eine super Matratze habe ich mir geleistet!» Der zweite Vorteil war, dass sie den Times Square von der Upper Westside mit dem Express in nur zehn Minuten erreichen konnte. Nachdem sie dort an unzähligen Castings teilgenommen und in mehreren Off-Broadway-Shows mitgewirkt hatte, wurde sie 2001 für die Broadway-Show «42nd Street» engagiert. «Eigentlich bin ich zum zwanzigjährigen Jubiläum unserer Premiere im Mai mit vielen der damaligen Sängerinnen und Tänzern zu einem Flashmob auf dem Times Square verabredet, doch wegen der Pandemie wird er wohl nicht möglich sein.» Lukas Bürki (40) lernte sie 2008 bei einem Heimatbesuch in der Schweiz kennen, als ein Freund seinen 50. Geburtstag mit einem rauschenden Fest auf dem Schloss Thun feierte. «Wir waren als Vampire verkleidet, haben mit einem Glas Blut angestossen und bei Vollmond getanzt – es war total kitschig», verrät Flachsmann. Als das Paar fürchtete, die Beziehung könnte auf Dauer an der Long Distance scheitern, entschloss sich Bürki, statt in London in New York ein Zwischenjahr einzulegen, um Englisch zu lernen, und zwar in ihrer WG. «Ich dachte, wenn wir es unter diesen Umständen zusammen aushalten, dann ist Lukas der Mann fürs Leben!», erzählt Flachsmann lachend. Als er den Test bestanden hatte, sie heiraten und eine Familie gründen wollten, zog sie 2010 in die Wohnung im Breitenrain, die er zuvor mit einem Kollegen geteilt hatte.
Auto muss Möbel weichen
Wer glaubt, die Eheleute hätten bei ihrem jüngsten Umzug ihre Habseligkeit wieder in ein paar Koffer packen und statt dem Flugzeug einfach das 6er-Tram nehmen können, täuscht sich gewaltig. «Das mit dem dauerhaft reduziert Leben klappt bei uns nicht», bekennt Flachsmann. «Ich bin keine, die gut ausmisten kann, und Lukas sammelt Designer-Möbelstücke, die er teilweise weiterverkauft.» Der Wohn-/Essbereich ist dennoch bewundernswert luftig möbliert. «Im Moment haben wir recht viel Platz, da noch einige Möbel in der Garage stehen», erklärt Flachsmann schmunzelnd. «Deswegen mussten wir das Auto auch den ganzen Winter draussen abstellen.» Im Zentrum des Wohnzimmers steht eine moderne, zweiteilige Couch von Prostoria. Als die Familie umzog, war ein grosses, variables Sitzmöbel die wichtigste Anschaffung. «Es ist bequem und robust, aber trotzdem relativ stylish», erläutert Flachsmann. «Fridolin hat schon alles Mögliche darauf ausgeleert. Entweder bekamen wir den dunkelgrauen Stoff wieder sauber oder konnten das Polster neu beziehen lassen.» Die Leichtigkeit der zwei Sessel, der Zamotta-Liege und der Glastische von Eileen Gray stehen in einem spannenden Kontrast zu den markanten Kuben. Witzig wirken die überdimensionale MaxInk-Lampe, die sich die Komödian tin fürs Foto wie eine altertümliche Coiffeur-Trockenhaube über den Kopf zieht, und die Bar, die sich in einer ehemaligen Tanksäule befindet. Vis-à-vis setzt ein Werbeplakat, das Bürki für Campari gestaltet hat, einen zweiten roten Farbtupfer. Beim Tisch im Esszimmer handelt es sich ebenfalls um eine Eigenkreation des Berners. Er entwarf dieses Designobjekt, bei dem das Holzgestell und die zwei Glasplatten so ineinandergreifen, dass dies zusammen mit der Statik für Stabilität sorgt, für Glas Trösch. Eine freistehende Zwischenwand schafft eine räumliche Trennung zum Wohnzimmer, beengt jedoch nicht. An ihr hängen unter anderem eine detaillierte Bleistiftzeichnung von Manhattan, die Bürki als Geschenk für seine Frau online ersteigert hat, und das schöne erste Aquarell von Fridolin, das sinnigerweise, aber wohl eher zufällig an ein Insekt erinnert. Im Wintergarten steht ausser der langen Tafel mit Freischwingern, einem Einzelsessel und einer Liege das Imitat eines Bowl Chairs, in das sich Flachsmann gerne hineinkuschelt und ein Buch liest. Darin versteckt sich die gebürtige Zugerin keineswegs vor den Bernern. «Ich finde die Mentalität der Leute super. Sie sind etwas entspannter als die Zuger und viel entspannter als die Zürcher. Und ausgesprochen hilfsbereit», freut sich Flachsmann. Was ihr fehlt, ist der Zugersee. Nicht nur, weil sie mit ihm Heimatgefühle verbindet, sondern auch, weil er sich im Sommer mehr erwärmt als Thunersee oder Aare. «Im Vergleich zu den Bernern bin ich nun mal eine Warmdusche – rin», gesteht sie. «Deshalb zieht es mich von hier aus eher an den Murtensee.»
Proberaum im Untergeschoss
Isabelle Flachsmann würde natürlich hoffen, dass sie in diesem Jahr zum Baden wieder weniger Zeit hat. Die Tour mit der Musik- und ComedyFormation «Die Exfreundinnen» musste 2020 wegen Corona nach der Premiere des Programms «Sekt(e)» auf Eis gelegt werden. So konnte auch der im April vorgesehene Auftritt im Bierhübeli nicht stattfinden und die Mai-Daten im La Cappella sind fraglich. Flachsmann hat die Zeit genutzt, um das Buch und die Songtexte eines neuen Musicals zu schreiben. «Es richtet sich an alle Altersgruppen und handelt von Aussenseitern, die sich zusammenschliessen und gemeinsam etwas auf die Beine stellen.» Entstanden ist es im Untergeschoss des Hauses, wo sie ihren Proberaum hat und ihr Mann sein Büro. «Dank der grosszügigen Platzverhältnisse hat seine Arbeit im Homeoffice für uns nur Vorteile», freut sich die Sängerin. «Wie können zusammen Zmittag essen und haben noch mehr von unserem wunderschönen Zuhause.»
Reinhold Hönle