Aussergewöhnlich, grossartig, überragend, beeindruckend

Wer die Aufgabe hat, über Martin Plüss zu schreiben, ist einerseits ein Glückspilz, gleichzeitig aber auch ein Pechvogel. Glückspilz, weil der im November zurückgetretene SCBCaptain stets nur für positive Schlagzeilen sorgte – Pechvogel, weil die deutsche Sprache zu arm an Superlativen ist, um diesem Eishockey-Künstler gerecht werden zu können.

Martin Plüss war am vergangenen Freitag, vor dem Spiel gegen die ZSC Lions, der 13. Spieler in der 87-jährigen Geschichte des SCB, dem die Ehre zufiel, dass sein Dress mit der Nummer 28 nie mehr vergeben und unter dem Dach der PostFinance- Arena aufgehängt wird. Im zarten Alter von 17 Jahren debütierte der am 5. April 1977 geborene Martin Plüss im Fanionteam des EHC Kloten, als noch Reto Pavoni das Tor hütete und Felix «Fige» Hollenstein den Gegenspielern der Bande entlang davonbrauste. Zwei Mal, 1995 und 1996, stemmte er mit den «Fliegern» den Meisterkübel in die Höhe. Sogar im eishockeyverrückten Schweden, damals in der Welthierarchie noch um Welten vor der Schweiz, wurden die Experten auf den technisch perfekten, intelligenten Mittelstürmer aufmerksam, holten ihn ins «Tre Kronor»-Land, wo er mit Frölunda HC 2005 auch den schwedischen Meistertitel holte.

Der Meisterdirigent
In den letzten neun Jahren dirigierte Martin Plüss den SCB, holte vier Meistertitel (2010/2013/2016/2017) und einmal den Cup (2015) – meist lief der Ostschweizer als Captain auf. Was Stardirigent Herbert von Karajan in den Konzertsälen der Welt, war Martin Plüss beim SCB auf dem Eis – warum sollte er an Neujahr 2019 nicht das Konzert der Wiener Philharmoniker dirigieren und beim abschliessenden Radetzky-Marsch den Dirigentenstock genauso elegant schwingen wie bis zum Ende der vergangenen Saison und dem letzten Playoff-Finalspiel am 17. April den Stock auf dem Eis?

236 Länderspiele
Klar, dass Martin Plüss während seiner ganzen Laufbahn auch einer der Leithammel im Schweizer Nationalteam war. 236 Länderspiele, vier Teilnahmen an Olympischen Spielen, zwölf Weltmeisterschaften und der Gewinn der WM-Silbermedaille 2013 stehen in seinen Statistik-Blättern. Zahlen, die in der Tat beeindruckend sind und Beweis dafür, welch überragender Spieler die Nummer 28 war. Für den SCB stand der Mann, der seine Karriere als Knirps bei den Junioren des EV Dielsdorf-Niederhasli startete, in der Meisterschaft insgesamt 536 Mal im Einsatz. 194 Mal schoss er selbst ein Tor, 216 Mal leistete er das Zuspiel, so dass heute 410 Punkte auf dem Konto stehen. Auch im Alter von 40 Jahren war Martin Plüss topfit und konnte jeden Zweikampf aufnehmen, auch mit Spielern, deren Vater er hätte sein können. Logisch deshalb, dass noch viele Tore und Assists möglich gewesen wären, doch nach reiflicher Überlegung entschloss sich der SCB-Captain schliesslich, die Schlittschuhe an den berühmten Nagel zu hängen. Dieser Entschluss ist Martin Plüss zweifellos schwergefallen, auch weil die Angebote für eine Fortsetzung der Karriere zahlreich waren. Doch einmal mehr hatte er das Ziel, das er sich persönlich gesteckt hatte – «mit 40 Jahren noch auf höchstem Niveau zu spielen» – erreicht und konnte mit Freude und Genugtuung auf die letzte, erfolgreiche Saison zurückblicken, auch hier nicht sich selbst, sondern wie immer das Team in den Vordergrund stellend. «Wir waren mental stark, haben gekämpft, hatten spielerische Varianten und uns immer auf das Wesentliche konzentriert. Wir waren die klar beste Mannschaft», verriet er den Lesern des SCB-Magazins «spirit».

Pierre Benoit

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