«Bern ist etwas behäbig, hat aber viel Savoir-vivre!»

FDP-Nationalrätin Christa Markwalder (42) blickt zurück auf 2017. Für Bern findet sie klare Worte – im positiven wie im negativen Sinn.

Bärnerbär: Wir fragen ähnlich wie Markus Gilli im «Sonntalk»: Lust und Frust im 2017?
Christa Markwalder:
Das 2017 fing nach meinem Jahr als Nationalratspräsidentin mit einer Erholungsphase an. 2016 war bereicherend, aber auch intensiv. Die Ferien in Thailand waren perfekt.

Und der Frust im vergangenen Jahr?
Aus politischer Sicht war das die Ablehnung der Unternehmenssteuerreform (USR) III sowie die parlamentarische Verunstaltung der Altersvorsorge 2020. Jetzt heisst es zurück auf Feld 1.

Bleibt Ihnen die Zeit als höchste Schweizerin also in guter Erinnerung?
Auf jeden Fall, aber interessanterweise vermisse ich die Zeit nicht, denn es war von Anfang an klar, dass dieses Amt auf ein Jahr begrenzt ist. Geblieben sind viele schöne Erinnerungen und spannende Begegnungen. Nun kann ich wieder politisieren und meine Meinung laut sagen (lacht).

Wir führen das Interview im Vorweihnachtstrubel. Gibt es da für Sie als Juristin und Nationalrätin überhaupt Zeit für etwas Kontemplation?
Nein, vor allem politisch ist es nicht wirklich eine ruhige Zeit. Früher war es noch hektischer, die Wintersession dauerte bis kurz vor Heiligabend.

Was sind oder waren die wichtigsten Geschäfte im Parlament?
In der Wintersession ist es stets das Budget, diesmal wieder ein veritabler Poker zwischen National- und Ständerat.

Die Einsparung der Bundesmillion für die Kultur in Bern ist vom Tisch.
Das freut mich. Wir halten uns damit an die Vereinbarung mit der Stadt Bern, kulturelle Institutionen wie Konzert Theater Bern zu unterstützen.

Bei den Bürgerlichen hat man trotzdem oft den Eindruck, dass der Bereich Kultur gering geschätzt wird.
Diesen Eindruck teile ich nicht. Bei der Bundesmillion gab es Vorbehalte, weil man das Geld nicht in die Berner Reitschule fliessen sehen wollte. Wegen Krawallen und Ausschreitungen hat die Reitschule im Bundeshaus einen schlechten Ruf. Doch sie wird nicht mit der Bundesmillion unterstützt.

Was sind die Herausforderungen 2018?
Wir leben in einer Welt voller Unvorhersehbarkeiten mit Donald Trump als US-Präsident, einem machthungrigen Russland und einem zunehmend repressiven Regime in der Türkei. Der Brexit steht vor der Tür, und in Ungarn und Polen sind demokratische Errungenschaften wie der Rechtstaat unter Druck. Von alldem ist auch die Schweiz betroffen, mal direkt, mal indirekt.

Und innenpolitisch?
Es geht mit der Unternehmenssteuer und der Altersvorsorge um zwei grosse Projekte, die wir neu aufgleisen müssen. Es gibt aber auch Volksinitiativen, die mir Bauchweh machen.

Sie reden von der NoBillag-Initiative.
Ich engagiere mich für die Ablehnung. Unsere Medienvielfalt würde zerstört, nicht nur bei der SRG, sondern auch bei lokalen TV- und Radiosendern, die heute Gebühren bekommen. Ich will nicht, dass Konzessionen an den Meistbietenden versteigert werden.

Was beschäftigt Sie noch?
Die Selbstbestimmungsinitiative der SVP wäre eine Schwächung unserer internationalen Beziehungen. Bei einem Ja wären wir kein verlässlicher Handelspartner mehr. Das ist gravierend, weil 70 Prozent unseres Wohlstands mit dem Ausland generiert werden. Ebenso schädlich wäre eine Annahme der Konzernverantwortungs-Initiative.

«Bern braucht Schub»

Zurück zu 2017. Sind Sie jemand, der Ende Jahr bewusst Rückschau hält?
Früher habe ich das ausgiebiger gemacht und das auch schriftlich festgehalten. Heute führe ich unregelmässig Tagebuch. Vorne schreibe ich mir Notizen auf zu Dingen, die ich erledigen will. Erinnerungen, Eindrücke und Emotionen beginne ich auf der letzten Seite. So trifft sich dann beides irgendwann Mal in der Mitte.

Wie sieht es mit Vorsätzen aus?
Im Vorsätzemachen bin ich nicht gut. Politisch betrachtet sind es Pläne, die sich laufend entwickeln.

Wie feiern Sie die Festtage?
Ich habe einen Adventskranz zuhause. Der Weihnachtsbaum steht aber bei meinen Eltern, denn wir feiern in der Familie drei Mal hintereinander in unterschiedlicher Zusammensetzung.

Wo sind Sie an Silvester?
In den Bündner Bergen mit der Familie und danach in Davos: Zum 62. Mal findet dort die traditionelle britisch-schweizerische Parlamentarierskiwoche statt.

Wo sich Brexiteers und Remainers in Eintracht zum Sport finden?
(Lacht) Es gibt tatsächlich Befürworter und Gegner des Brexits in unserer Gruppe. Wir diskutieren die Thematik seit geraumer Zeit und das vor allem bei der Bergfahrt, was wir salopp als «Skiliftdiplomatie» bezeichnen.

Am Silvester haben Sie auch schon Cello gespielt im Casino Luzern.
Das war vor etwa 20 Jahren, meine Schwester arbeitete damals dort. Zurzeit übe ich Piano-Trios von Beethoven.

Sie sind seit 25 Jahren im Orchesterverein Burgdorf sowie bei der Parlamentarierband Fraktionszwang aktiv.
2017 war ein spannendes musikalisches Jahr. Im Sommer konnte ich im Tonhallen-Projekt «Orpheum Supporters Orchestra» mitspielen. Mit Fraktionszwang wird es wieder Auftritte in Bern geben. Ein Probewochenende fand bei mir in Burgdorf statt, wir haben ein Quartierfest daraus gemacht.

Was beschäftigt Sie in Bern?
Ich bin gespannt auf die Grossrats- und Regierungsratswahlen. Der Kanton Bern hat eine gewisse «Behäbigkeit» entwickelt und braucht Schub im Sinne von mehr Dynamik und weniger Strukturerhaltung. Wir benötigen eine solide industrielle Basis, den Willen zu wirtschaftlicher Prosperität, Innovation und begeistertem Unternehmertum.

Die Sparrunde der Bürgerlichen, insbesondere von SVP-Regierungsrat Pierre-Alain Schnegg, ist heftig umstritten.
Wir müssen die Kantonsfinanzen in den Griff bekommen, schliesslich befindet sich der Kanton Bern im Steuerwettbewerb und hängt am Tropf des nationalen Finanzausgleichs. Bei der Verwaltung gibt es bestimmt Einsparpotenzial, ohne dass die Dienstleistungsqualität für die Bürgerinnen und Bürger darunter leiden würde.

Wo halten Sie sich gerne auf in Bern?
Die positive Seite der Berner Behäbigkeit ist das Savoir-vivre. Bei schönem Wetter an der Front oder auf der kleinen Schanze einen Kaffee trinken – das ist für mich Lebensqualität.

Interview: Peter Wäch

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