Der Corona-Lockdown war für sie ein Schock. Schneiderin Colette Stämpfli (52) machte aus der Not aber eine Tugend – und produzierte Stoffmasken. Mit riesigem Erfolg.
«Als der Lockdown verhängt wurde, ist mir das Herz in die Hose gefallen», sagt Colette Stämpfli. Unglücklicherweise habe sie sich während eines Jahres krankheitshalber keinen Lohn ausbezahlt. Das rächte sich nun. Ihr wurde klar, dass sie zu der Gruppe von Selbstständigen gehörte, die zwischen die Maschen fallen würden. Die Boutiquenbesitzerin und Schneiderin konnte also nicht auf Hilfe vom Staat hoffen. Als sie wegen einer Allergie in die Notaufnahme musste, erhielt sie eine Papiermaske. «Sie stank und war unbequem.» Zurück im Atelier, nähte Stämpfli ihre erste Stoffmaske, bei der sie auf Nachhaltigkeit, Bequemlichkeit und Ästhetik achtete. Sie traute sich zuerst nicht, diese ihrer Schaufensterpuppe Olga anzuziehen. «Ich wollte aus dem Elend keinen Profit ziehen», so die gelernte Herrenschneiderin, die seit 22 Jahren selbstständig ist.
Modelle für Geiger und Bärte
Doch die Nachfrage – der eigene Bruder bestellte als einer der ersten ein Exemplar – liess sie die anfänglichen Zweifel bald über Bord werfen. «Das Virus wird uns noch lange begleiten. Die Maske wird ein unabdingbares Mode-Accessoire werden», ist Stämpfli mittlerweile überzeugt. Als die Medien über ihr Projekt berichteten, gab es vereinzelt blöde Kommentare, mehrheitlich aber Zuspruch und die ersten Grossaufträge. Das lokale Gewerbe liegt Stämpfli am Herzen, ebenso die Bedürfnisse ihrer Kundinnen und Kunden. Die Masken sind so individuell wie ihre Trägerinnen und Träger. Das so genannte Bartmodell etwa ist so fabriziert, dass es den Bart nicht zerdrückt. Ein anderes Model ist für Geigerinnen und Geiger massgefertigt. Auf ein grünes Exemplar hat Stämpfli eine Olive appliziert. «Diese Maske ist für eine Bekannte und spielt auf deren Namen an», so Stämpfli. Wie viele Masken sie bisher bereits genäht hat, weiss Stämpfli nicht so genau. «Ich habe während des Lockdowns aufgehört zu zählen.» Der Gassenküche Bern spendete sie Masken, da sie erfahren hatte, dass Mangel herrschte und die Institution keine Masken von der Stadt erhalten hatte.
Maske für Schaufensterpuppe
Was trägt die Schneiderin selbst, wenn sie maskiert ausgeht? Stämpfli hat einen individuellen Stil. «Ich trage meistens Rot und Schwarz, bin wenig geschminkt und nehme meine Haare zusammen.» Zu diesem schlichten und doch einprägsamen Look setzt sie passende Masken auf. «Geblümtes mit Kariertem zu kombinieren, kommt mir nicht in den Sinn», meint die Schneiderin, die in einem Etui fünf verschiedene Masken auf sich trägt. Ihr Business war ursprünglich eine Kinderkleiderbörse gewesen. Im Jahr 2000 eröffnete sie schliesslich ihr Geschäft Laubfrosch, das vor allem auf Kinderkleider spezialisiert war. Der Frosch, dem sie eine Krone verpasst hat, ist immer noch ihr Logo. Doch seit April dieses Jahres ist sie in die Stauffacherstrasse 6 bei Riemen und Walpen eingemietet und nennt ihr Geschäft nun selbstbewusst nach ihrem Vornamen: COLETTE. Farbig gestrichene Wände, Plastikblumen, Madonnen und natürlich jede Menge Stoffe bestimmen Stämpflis Reich. Nebst eingekauften Labels und Kinderspielsachen werden unter dem Namen «Schön» und «Schön er» Eigenkreationen für Damen und Herren angeboten. Es gibt zu vielen der Kleider eine passende Maske dazu. Eine solche trägt nun auch Schaufensterpuppe Olga.
Helen Lagger