Paul Burri ist einer der letzten traditionellen Schlittenbauer der Schweiz. Nun hat die Saison begonnen: Die Aufträge flattern in seine Werkstatt nur so herein. Wir sahen zu, wie der Berner einen Davoser verleimte. Dazu arbeitet Burri auch als Bestatter.
Draussen ist es bitterkalt, doch in der Werkstatt von Paul Burri wird es rasch warm. Denn hier wird geschuftet. Die Schlitten-Saison steht bevor. Paul Burri stellt traditionelle Holzschlitten, so genannte Davoser und Grindelwalder, von Hand aus Holz her. Wie das Geschäft mit solchen Schlitten künftig läuft, steht in den Sternen. «Ich benutze Maschinen, die ein heutiger Schreiner gar nicht mehr kennt», führt er aus. Ausserdem gäbe es immer weniger Schnee. Burri ist gelernter Schreiner, den Beruf Schlittenbauer gibt es offiziell nicht. «Ich arbeitete in einer Schreinerwerkstatt, wobei der damalige Schlittenbauer aus Rümligen immer zu uns kam, um Fenster zu kaufen.» Der Mann hatte Rheuma und jammerte, er fände niemanden, der seine Werkstatt übernehmen wolle – diese bestand als Familienbetrieb seit 1896. «Ich ging schauen und es gefiel mir.» Burri übernahm das Geschäft 1995. Seit rund vier Jahren betreibt er seine Werkstatt in Lohnstorf, wo er geboren und aufgewachsen ist. «Wo zum Teufel ist mein Holzhammer?», fragt er und sucht überall in dem mit Holz, Maschinen und Werkzeug vollgestopften, ehemaligen Gemeindehaus. «Holzhämmer sind besser, da sie bei der Bearbeitung keine Dellen verursachen», erklärt er. Zum Schlittenbau wird Eschenholz verwendet, das besonders langfaserig und dadurch biegsam ist. «Ordnung ist das halbe Leben, ich lebe in der anderen Hälfte», fasst das an der Eingangstüre der Werkstatt hängende Holzschild das Credo des Schreiners zusammen. Den Holzhammer findet er nicht, die Arbeit geht trotzdem flott weiter. Ist Schlittenbauen gefährlich? Burri präsentiert schalkhaft seine zehn Finger. Alles noch dran. «Einen habe ich mal ein bisschen abgehobelt, aber das wächst wieder nach», sagt er scherzend. Burri zeigt an einem fast fertigen Modell, wie man Schlitten verleimt. In zwei Stunden kann er einen Schlitten von A bis Z bauen. Ein Standardschlitten kostet zwischen 150 und 240 Franken. Schlitten sind das perfekte Weihnachtsgeschenk, auf Wunsch brennt Burri auch Namen ins Holz. Das kürzeste Modell ist 80 Zentimeter lang, das längste 1,20 Meter. Den grössten Auftrag erhielt Burri von Coop im Rahmen der Aktion «Promontania». «Ich habe in einem Jahr 844 Schlitten gebaut.» Dieses Jahr werden es rund 100 Stück, mehrheitlich für private Kundschaft.
«Heute wird gleich gesalzen»
Schlittenbauen ist eine schöne Arbeit», sagt er. Schon Burris Vorfahren arbeiteten mit Holz. «Sie waren Küfer und haben Sauerkabis-Kübel hergestellt.» Das meiste erledigt Burri im Alleingang. Wenn er Hilfe braucht, rekrutiert er auch mal Leute aus dem Dorf. So hatte er schon eine Pflegefachfrau, einen Konditor und einen Lehrer als Assistenten. «Den Lehrer wollte ich zuerst nicht, aber es ist schliesslich gutgegangen», lacht er. Burri hat vier Schlitten, die er privat benutzt und zwanzig Stücke, die er an seine Kunden verleiht. So wie man bei einer Garage Autos Probefahren kann, ist dies auch bei Burri mit Schlitten möglich. «Viele wählen ein teureres Modell, nachdem sie verschiedene Schlitten ausprobiert haben.» Er selbst schlittelte als Kind auf der Dorfstrasse in Lohnstorf. «Heute hat es selten Schnee und wenn, wird gleich gesalzen», bedauert er. Er selbst bevorzugt den «Grindelwalder» gegenüber dem weltweit bekannten «Davoser». «Ich finde sie schöner und man sitzt besser.» Nebst seiner Tätigkeit als Schlittenbauer ist Burri auch Bauer, er hält Geissen und Schafe als Nutztiere und arbeitet als Bestatter. «Es war früher üblich, dass der Dorfschreiner auch der Bestatter war», erklärt er. 90 Prozent der Leute, die er einsargt, kannte er persönlich. Zum Tod hat er ein pragmatisches Verhältnis. «Es ist wichtig, dass man einigermassen gut ab der Welt treten darf.» Mit seinem Leichenwagen fährt er auch mal in die Ferien.
Helen Lagger