Baeretower

Der altehrwürdige Gasthof ist nun eine riesige Windmühle

Zurzeit entsteht auf dem Areal des ehemaligen Restaurants Bären in Ostermundigen das bisher höchste Wohnhaus der Schweiz, der Bäretower. Der Bärnerbär durfte die Baustelle besichtigen. Ein reales Schauspiel in fünf Akten mit wechselnden Bühnenbildern.

1. Akt: Bahnhof Ostermundigen, vor den Baustellen-Containern
Auftritt der Darsteller im Zweipersonenstück: Daniel Blaser, Co-Projektleiter des Gesamtleisters Halter AG, und Thomas Iten, Gemeindepräsident von Ostermundigen. Letzterer blickt zurück: Es war im Jahr 2010. Der Zenith des Gasthofs Bären war zu dieser Zeit längst überschritten, enorme Investitionen wären nötig gewesen, um den Betrieb überhaupt w e i t e r f ü h r e n zu können. Die beiden damaligen Eigentümer verblüfften und brüskierten mit ihrer Hochhausidee vor elf Jahren die ehrwürdige Stammtischrunde. Aber der Gemeinderat nahm den Ball auf und machte sich mit einem Gestaltungsbeirat an die Testplanung. Unter anderem wurden nicht weniger als 60 unterschiedliche Turmvarianten an zahllosen Sitzungen analysiert. 2015 genehmigte die Bevölkerung von Ostermundigen mit 63 Prozent Ja-Stimmen das Projekt Bäretower, Ende 2018 begann mit dem Rückbau des alten Restaurants die Entstehung dieses Leuchtturmprojekts. «Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen. Wir haben uns für diese riesige Windmühle entschieden!», erzählt Thomas Iten nicht ohne Stolz.

2. Akt: Bärenplatz vor dem Tower
Wir schlängeln uns zwischen Lastwagen, Betonmischern und Gabelstaplern vorbei und suchen einen einigermassen ruhigen Platz, um den Worten von Projektleiter Daniel Blaser zu folgen. Der Bärenplatz, der direkt an die Bernstrasse grenzt, dient zurzeit als Logistikplattform. Um die tonnenschweren Lastwagen tragen zu können, war die Verstärkung des Untergrundes mit 292 Baumstämmen erforderlich, schildert Daniel Blaser den staunenden Besuchern. Als wohl bisherige grösste Knacknuss bezeichnet er die Logistik: «Auf engem Raum mit den täglich ein- und ausfahrenden Lastwagen das benötigte Material zu liefern und so in die Höhe zu transportieren, damit es zur richtigen Zeit an den richtigen Ort gelangt, ist eine besondere Herausforderung.» Zu Beginn der Arbeiten behinderten zudem noch Baugrubenabschlüsse und der Bau von Leitungen und Kanalisationen die Durchfahrt. Die Betonmasse wird mittels Pumpe und Pipeline in die Stockwerke befördert. «Der Transport mit dem Kranwäre zu langsam», begründet Daniel Blaser diese zeitsparende Methode. Der Bärenplatz werde dereinst mit einem Gneissgestein aus dem Onsernonetal und einem Wassertisch ausgerüstet, ergänzt Gemeindepräsident Thomas Iten. «Und eine Sandsteinmauer aus dem Ostermundiger Steinbruch wird den Bärenplatz physisch zwischen Verkehr und Lebensraum trennen.» In den neben dem Turm stehenden Kubus werden 2022 Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe und im Turm angehängten Annex ein Hotel einziehen.

3. Akt: 27. Stockwerk im Bäretower
Der Fassadenlift bringt uns ratternd in die 27. Etage des Hochhauses. «Der Fassadenlift ist neben dem Kran und dem Bärenplatz das logistische Herzstück des Baus», erklärt der Projektleiter während der Fahrt. Momentan sind die Arbeiter mit dem Bau des 31. Stockwerkes beschäftigt, dem zweitletzten Geschoss des Giganten. Ein Stockwerk werde in sieben Arbeitstagen erstellt, «von Decke zu Decke, das ist Hochgeschwindigkeit», sagt Daniel Blaser stolz. Auf der Plattform stehend blicken wir in die Tiefe, Netze schützen vor dem Absturz. Der Aus- und Rundblick auf Ostermundigen, die Stadt Bern und das Umland ist umwerfend und in dieser Art einmalig. Nur das Berner Münster ist mit 100,6 Metern um zehn Zentimeter höher als der Bäretower. Projektleiter Blaser verweist auf die Kranverankerungen im 18. und 27. Stockwerk, die für ein 130 Meter hohes Kranungetüm nötig seien. «Unser Kranführer ist ein Künstler. Es gibt nicht viele Kranführer, die ein solches Ding so präzis und rasch lenken können.»

4. Akt: 9. Stockwerk, Restaurant
Wir blicken von der noch flaschenund gläserlosen, leicht erhöhten Bar des insgesamt über 100-plätzigen Restaurants in den tiefer gelegenen Essbereich des Raumes. Es braucht noch etwas Vorstellungsvermögen, aber Projektleiter Blaser schildert anschaulich, wie dieses kulinarische, mit vielen architektonischen Raffinessen ausgerüstete Prunkstück ab Mai 2022 aussehen wird. Ein separater Lift wird die Gäste ins Restaurant mit den Panoramascheiben führen. Die Berner Sportgastro AG wird für das leibliche Wohl besorgt sein. Wird das Restaurant wieder Bären heissen? Die Frage bleibt (noch) unbeantwortet.

5. Akt: 3 ½-Zimmerwohnung im 3. Stockwerk
Bei einem Hochhaus ist der Baufortschritt spannend und am besten ersichtlich: Während im Bäretower zuoberst noch betoniert wird, reinigt man im untersten Stockwerk nächstens die Wohnungen, wo sich ab dem 3. Geschoss die Apartments befinden. Der Eichenparkettboden der 3 ½-Zimmerwohnung ist verlegt, Küche und Nasszelle sind montiert. Die Wohnung mit der gedeckten Loggia hat viele Windungen, wirkt originell, hell, grosszügig, auch unmöbliert bereits gemütlich – nicht alltäglich eben. Das Finale steht noch bevor und beginnt mit dem Einzug der vielen «Statisten» im Mai 2022. Ihnen gehört ab dann die Bühne. Gibt es Verzögerungen? «Nein, wir halten den Termin ein», sagt «Regisseur» Daniel Blaser selbstbewusst.

Peter Widmer

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