Opt

Der erste Knollenblätterpilz hat ihr die Nackenhaare gesträubt

Mit Pilzexpertin Monika Christen (62) wird der Waldspaziergang zum Erlebnis. Pilze finden und bestimmen ist für die ausgebildete Kontrolleurin eine grosse Leidenschaft.

Man muss zurzeit kein Glückspilz sein, um Steinpilze, Maronen-Röhrlinge oder andere Speisepilze im Wald zu finden. «Es gibt momentan eine grosse Schwemme», sagt Monika Christen, die im Vorstand des Pilzvereins Bern sitzt und ausgebildete Pilzkontrolleurin ist. Gemeinsam mit der Expertin wird der Waldspaziergang in der Nähe von Herrenschwanden zum Erlebnis. Man fühlt sich wie auf einer Safari, wobei nicht das Aufstöbern exotischer Tiere, sondern das Entdecken von Fliegenpilzen oder Hexenröhrlingen zu den Höhepunkten der Exkursion gehört. Mit einem Körbchen am Arm geht es auf Schleichwegen zu einer Stelle, an der Christen am Vorabend Steinpilze gesichtet hat. «Ich bin gespannt, ob sie noch da sind», so die Expertin. Tatsächlich sind auch noch andere Pilzsammler unterwegs, die sich gegenseitig die Schätze des Waldes abspenstig machen könnten. Bis zu zwei Kilo dürfen im Kanton Bern pro Mal mitgenommen werden. Ein Spaziergänger kreuzt unseren Weg. Bereits von Weitem hat Christen ihn als Pilzsucher erkannt. «An der Tasche, die er mitführt, und dem speziellen Gang», wie sie verrät.

Das Pilzesammeln liegt im Trend
Der Blick ist während der Exkursion gesenkt. Was wir suchen, wächst auf dem Waldboden, eingebettet in Moos oder an Baumstrünken. Zuerst begegnet uns ein sogenannter Ockertäubling. Nicht giftig zwar, aber auch kein Speisepilz, wie Christen erklärt. Ihr Golden Retriever Mia ist freudig mit von der Partie. Manchmal muss der Hund an die Leine, damit er gefundene Pilze nicht zertritt. Bereits als sie noch ein Kind war, sammelte Christen gemeinsam mit ihrer Mutter Pilze. «Ein Pilzbuch von E. Habersaat, das bei uns herumlag, hat mich total fasziniert.» Doch später, als sie selbst Mutter wurde, hatte sie kaum mehr Zeit zum Pilze sammeln. Erst als die Kinder ausgeflogen waren, habe sie die Leidenschaft wieder gepackt. «Ich wollte etwas ganz für mich allein machen und bin 1996 dem Pilzverein Bern beigetreten.» Im Jahr 2000 habe sie ausserdem die Prüfung zur Pilzkontrolleurin absolviert. Das Pilzesammeln liege im Trend. Viele junge Leute interessierten sich in letzter Zeit dafür, so Christen. «Der Mensch ist von Natur aus ein Jäger und Sammler», erklärt sich die Expertin die nicht abreissende Faszination.

Vorsicht vor Doppelgängern!
In ihrer Funktion als Kontrolleurin erlebt Christen einiges. «Als mir zum ersten Mal jemand Knollenblätterpilze vorlegte, hat es mir die Nackenhaare gesträubt.» Auch ein Fliegenpilz, dem die weissen charakteristischen Punkte abgefallen seien, könne den Laien täuschen. Von vielen Pilzen gäbe es sogenannte Doppelgänger, so dass ein giftiger Pilz sich manchmal nur anhand kleiner Feinheiten von einem Speisepilz unterscheiden liesse, so die Expertin. Der giftige Gallenröhrling etwa unterscheide sich vom Steinpilz nur durch ein weisses beziehungsweise dunkles Netz, das sich wie ein Damenstrumpf um seinen Fuss winde. Bei unseren Fundstücken verweist Christen mal auf eine glatte Manschette, mal auf einen weiss umfaserten Stil oder einen «schmierigen» Hut, an dem man manche Exemplare erkennen kann. Man müsse Pilze mit allen Sinnen sammeln, sagt sie, und schnuppert an einem Grauen Wulstling, der nach altem Keller rieche. Sie selbst habe diese Saison erst zweimal Pilze gegessen. Das Entdecken habe bei ihr Vorrang. Einen giftigen Pilz habe sie selbst noch nie gegessen. Wie verheerend Pilzvergiftungen sein können, weiss sie jedoch aus erster Hand. Christen wird gelegentlich bei Unfällen von Spitälern zur Diagnostik beigezogen. Doch auch wenn man die Pilze hat kontrollieren lassen, gibt es einiges zu beachten. Zu wenig lange gekocht, sind manche Pilze kaum verdaulich und können ebenfalls Reaktionen auslösen. Auch Pilze seien nicht unbedingt nett zu einander, verrät Christen.

Manche Pilze verfärben sich
So entdecken wir einen Rotfussröhrling, der von einem Goldschimmel befallen ist oder einen Parasitischen Röhrling, der auf einem Kartoffelbovist wächst. Manche Pilze verfärben sich auf spektakuläre Art und Weise. So wird das zitronengelbe Fleisch eines flockenstieligen Hexenröhrlings blau, sobald man ihn entzweischneidet. «Da steht eine Hexe mitten auf dem Weg», sagt Christen am Ende des Rundgangs. Seinem Namen zum Trotz ist dieser Pilz nicht böse. Vielmehr handelt es sich um einen beliebten Speisepilz. Doch die Schnecken waren schneller. Der Hut der Hexe ist voller Löcher.

Helen Lagger

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge