Boris Bittel (46) ist Troubadour. Der Berner schöpft die Ideen für seine Lieder aus dem eigenen Leben als Vater und Immobilienbewirtschafter.
Boris Bittel nimmt seine Gitarre ins Kornhaus Café mit. Gleich gibt es eine Kostprobe seines musikalischen Schaffens. Der Berner Troubadour singt, wie er angeblich von Castingshow zu Castingshow rannte und immer abgewiesen wurde. Heidi Klum findet ihn zu breit, Dieter Bohlen schickt ihn zu «Wer wird Millionär?» und bei «Dschungelcamp» sowie «Bauer ledig sucht» kann man ihn ebenfalls nicht brauchen. Zuletzt ist er wieder im Büro tätig. Natürlich ist das in Ich-Form geschriebene Lied reine Fiktion, das sich über diese Art von TV-Formaten lustig macht. «Ich selbst würde niemals an einem Casting teilnehmen», so Bittel. «Ich bin 46 Jahre alt. Was soll ich dort?» Als junger Mann habe er sich vor allem für Eishockey interessiert. Das Gitarrespielen hat Bittel sich ganz allein beigebracht. Die Mundartmusik, insbesondere jene von Mani Matter und Polo Hofer hätten ihn immer schon begeistert. «Berndeutsch ist der schönste Dialekt. Er klingt einfach gut in den Ohren», schwärmt der Vater einer Patchwork-Familie mit drei Kindern, der in Schliern bei Köniz wohnt. Zur Musik fand der als Immobilienbewirtschafter für die Stadt Bern tätige Verwalter relativ spät. «Mit zwanzig kaufte ich mir meine erste Gitarre.» Nachdem Bittel sich in verschiedenen Stilrichtungen ausprobiert hatte, verschrieb er sich schliesslich ganz dem Genre «Berner Chanson» und schrieb 2018 seine ersten eigenen Lieder. «Beim Chanson geht es um den Text», so Bittel. Man müsse zuhören wollen und sich Zeit nehmen für die Geschichte, die er als Liedermacher erzähle. «Idealerweise bei einem guten Glas Wein.» Bei seinen Auftritten gebe es immer auch eine kleine Einleitung, bevor er zu singen beginne. «Zurück zur Ruhe» laute sein Motto. Lärmquellen existierten schliesslich schon genug. Bittel ist eine OneMan-Band ohne Management im Hintergrund. Sei es die Gestaltung seiner Website oder die Pressearbeit – der umtriebige Troubadour macht alles selbst.
Die verrückten Mieter
Für seine Lieder lässt Bittel sich mehrheitlich vom eigenen Alltag als Vater und Immobilienbewirtschafter inspirieren. So habe er etwa ein Lied über das Teenageralter geschrieben, in dem sich sein 15-jähriger Sohn prompt wiedererkannt habe. Auch Berns beliebtester Treffpunkt, der Loebegge, wurde von Bittel besungen. Indem er die Wartenden mit ihren Handys absorbierten und durch Ohrenstöpsel abgekapselten Menschen beschreibt, betreibt er Kritik am Zeitgeist. Es sei an einem Konzert der Liedermacher Ädu Baumgartner und Rolf Marti gewesen, an dem er begriffen habe, worum es in diesem Genre gehe. Ädu Baumgartner habe von seinen Erfahrungen als Betreuer in einem Krankenheim gesungen. «Das hat mich beeindruckt.» Davon inspiriert schieb Bittel das «Verwalterlied», in dem er von seinem Alltag als Immobilienbewirtschafter erzählt. «Man hat in diesem Beruf mit den unterschiedlichsten Leuten zu tun.» So singt Bittel im Lied von den Konflikten und Nöten der teils skurrilen Mieter und seiner Rolle als Schlichter. Jemand tanzt auf dem Tisch, während ein anderer zum Leidwesen aller auf den Gartengrill spuckt. «Und wenn der Bittel chunnt, de heissts, der ander isch es gsi», so der singende Verwalter. «Ohni mini Mieter würds das Lied nid gä», lautet der Refrain des eingängigen Songs.
Hamburg und Hafenromantik
Mit Ädu Baumgartner alias Trubädour tritt Bittel bald gemeinsam auf. Zu zweit könne man sich die Bälle gegenseitig zuspielen, eine richtige Show veranstalten. Dass er nicht von seiner Musik leben können muss, sieht er als Privileg. «Mein Ziel ist es, meine Lieder unter die Leute zu bringen.» Nebst Bern hat Bittel eine zweite Lieblingsstadt. Zwei- bis dreimal pro Jahr fährt er nach Hamburg. Die Stadt sei ein Tor zur Welt, schwärmt er. «Für mich gibt es nichts Schöneres, als mit einem kühlen Astra auf den Hafen zu blicken.» Es versteht sich von selbst, dass aus dieser Sehnsucht ein Lied entstand. «Die schönsten Lieder schreibe ich im Winter, wenn eine etwas schwermütige Stimmung herrscht.» Ein idealer Auftritt? «In einem Berner Altstadtkeller, wenn es draussen schneit und tobt.»
Helen Lagger