Portrait.

«Der lohnendste Seitensprung meines Lebens!»

Er sportelt um anderen den Sport zu ermöglichen: Seit seinem 80. Geburtstag sammelt Zehnkampflegende Edy Hubacher Spenden für die Special Olympics. Ans Aufgeben denkt der Rätselonkel der Nation noch lange nicht.

Mit Kugel und Diskus brach Edy
Hubacher vor sechs Jahrzehnten etliche Rekorde. Den Diskus warf er bei seinem vierten Rekord auf 56.78 m. Mit der Kugel steigerte er sich von 16.26 auf 19.34 m. Dabei war der hochgewachsene Berner für einen Werfer eigentlich zu schlank. Schon seit der jüngsten Jugend interessierte er sich für viele Sportarten: Fussball, Handball, Leichtathletik. Besonders der Vierkampf der Nachwuchswettkämpfe zog ihn an. Seinem grossen Ziel, Zehnkämpfer zu werden, stellte sich entgegen, dass er der in der RS geholten Bandscheibenschäden wegen, ein ärztliches Verbot für Hoch- und Stabhochsprung erhielt. So beschränkte Hubacher sich auf den Fünfkampf. Für seinen Verein TV Länggasse startete er zweimal an den Zehnkampfmeisterschaften, wurde trotz des obligatorischen Nullers 9. und 10. Für die Olympischen Spiele in Mexico 1968 konzentrierte er sich auf seine Kerndisziplinen, obschon der Sportler unterdessen – durch einen Trick seines Trainers Armin Scheurer – auch mit dem Stab zählbare Resultate erreichte. Das brachte ihm den schönsten Titel und sogar einen Länderkampfsieg ein – mit der Weltbestleistung Kugelstossen im Zehnkampf 19.17 m, die bis heute Bestand hat.

Von zufälligen, erfolgreichen Begegnungen
Bei einer zufälligen Begegnung in Magglingen, machte Hubacher die Bekanntschaft von Jean Wicki, der ihn überreden konnte, seinen Bob anzuschieben. «Das war der lohnendste Seitensprung meines Lebens!», schmunzelt er. «Jean chauffierte mich und zwei Kollegen in Sapporo im Vierer zu Olympiagold. Eine Woche vorher hatten wir im Zweier bereits Bronze gewonnen – zwei von zehn Medaillen, die das Team nach Hause brachte.» Die Goldenen Tage von Sapporo – unvergesslich!

Doch Hubachers Karriere erschöpfte sich nicht in seinen sportlichen Rekorden. «Maximilian Schell rief mich eines Abends aus Holly­wood an und sagte, er brauche mich für einen Film.» So spielte der Zehnkämpfer 1975 in «Der Richter und sein Henker» unverhofft an der Seite von Robert Shaw, Jon Voight und Jacqueline Bisset. «Im Flugzeug nach Rom, wo in der Cinecitta die Innenaufnahmen gedreht wurden, flunkerte ich dem anderen Bodyguard, dem dreifachen Schwingerkönig Ruedi Hunsperger vor, dass ich eine Liebesszene mit Jacqueline Bisset drehen dürfe, mir das als Lehrer nicht leisten könne und deshalb ihm dieses Vergnügen überlasse. Er fürchtete die Reaktion des Schwingerverbands, rang mit sich und dann mit mir, als er merkte, dass ich ihn auf den Arm genommen hatte.»

Rätsel-Leidenschaft
35 Jahre arbeitete Hubacher als Lehrer und lebte eine weitere Leidenschaft aus: Rätsel lösen und später entwerfen. Inzwischen hat er über 4000 Rätsel für verschiedene Zeitschriften kreiert, am meisten für die Radio-Musik-Box, die Schweizer Rätselmeisterschaft und den Bärnerbär. «Der ‹Nebelspalter› suchte 1963 einen Rätselautor. Ich schickte eines zur Probe ein und wurde angenommen. Von nun an ging’s bergab – aber nur was meine Freizeit betraf.» Hubacher holt Ordner voller Rätsel. Mit Tusche gezeichnete Schemata kommen zum Vorschein; darunter stehen handschriftlich die Definitionen. Heutzutage bringen die Zeitungen fast nur die preisgünstigen computergenerierten Schwedenrätsel. «Fastfood – mit Google lösbar. Ich bezeichne mich als Querdenker light, frage gern um ein paar Ecken herum.» Er steckt viel Grips und etliche Arbeitsstunden in seine Werke. Den Spitznamen Rätselonkel der Nation trägt er gern. Bei Rätselpapst winkt er ab, er nennt sich selbst Rätselschmied.

Gemeinschaft leben und fördern
Hubacher blickt von den Ordnern auf. Seine Frau Annekäti verabschiedet sich, das Urenkelchen muss aus dem Kindergarten abgeholt werden. Im Winter haben die beiden Diamantene Hochzeit gefeiert. 60 Jahre Liebe, was ist ihr Geheimnis? Das Paar strahlt sich an und sie sagt nur: «Wir kennen unsere Stärken und Schwächen.» Während sie zum Kindergarten spaziert, zeigt er die Familienfotos seiner drei Töchter und der drei Enkelinnen. Auch Hubachers Sohn, der 1986 bei einem Bergunfall auf den Philippinen ums Leben kam, ist auf zahlreichen Fotos präsent. «Er hat immer noch einen hohen Stellenwert in unserer Familie.» Familienmensch Hubacher hält kurz inne. Dann erzählt er, wie dankbar alle sind, in einem Vier-Generationen-Haus leben zu dürfen.

Ein Miteinander der Generationen und unterschiedlicher Menschen versuchte er stets zu fördern. Präven­tion und Inklusion waren und blieben seine wichtigsten Ziele. Durch einen glücklichen Zufall kam er enger mit der Organisation Special Olympics in Kontakt, die Sportler:innen mit Beeinträchtigung fördert. Hubacher berichtet von Begegnungen mit ihnen, im Projekt «FC Thun macht Schule», bei den National Summer Games 2014 und 2022. Er erzählt mit leuchtenden Augen von ihrem Kampfgeist und Spass am Wettbewerb: «Sie wollen sich messen, sind stolz auf ihre Medaillen. Gerade während der Pandemie war das schwierig. Spenden ermöglichten es, dass die isolierten Sportler:innen online trainiert wurden und sogar Wettkämpfe austragen konnten.» Der Kontakt zu Menschen mit Behinderungen habe ihm «richtig dr Ermel ine gno», er bekomme so viel zurück.

Der Nachwuchs liegt ihm am Herzen
An seinem 80. Geburtstag rief Hu­bacher deshalb seine «Birthday Challenge» ins Leben. Der Athlet marschierte 10 km um das Wohnhaus und das Schönguet, die Ideenwerkstatt seiner Töchter, und begann Spenden zu sammeln. Auf der Webseite von Special Olympics wird sich ab dem 15. Juni die Wall of Fame und das Ergebnis dieser Aktion finden.

Der Nachwuchs liegt dem sportlichen Urgrossvater eben am Herzen. Auch wenn sein Herz ihm grosse Sorgen bereitete. Eine rinnende Herzklappe verursachte Atemnot, Aszites und grossen Gewichtsverlust. Die dringend notwendige Operation fand vor einer Woche im Inselspital statt, Hubacher ist erleichtert: «Professor Praz, eine Koryphäe der Herzchirurgie, vollbrachte eine Parforceleistung. Mein Vertrauen in Gott und in den Chirurgen wurde belohnt.» So hat sich Hubachers Motto zum x-ten Mal bewahrheitet: Serendipity – die Gabe glückliche Entdeckungen zu machen.

Michèle Graf

PERSÖNLICH

Edy Hubacher, geboren am 15. April in Bern, ist einer der erfolgreichsten Schweizer Sportler. Der Lehrer, Autor und Rätselschmied ist vierfacher Vater, dreifacher Grossvater und lebt mit Ehefrau, Kinder, Enkel und Urenkelin in einem Viergenerationenhaus.

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