Der Polizist: Eine nicht ganz unerwartete Reise

Mike Grosskinsky am Zibelemärit

 

Zibelemärit in Bern, das bedeutet Ausnahmezustand. Das gilt auch für Polizisten. Je später der Tag, desto grösser das Risiko, dass etwas passiert. 

Seit fünfeinhalb Jahren ist Mike Grosskinsky bei der Polizei. Am kommenden Montag wird er seinen dritten Zibelemärit in Uniform erleben. «Für mich stimmt es so. Aber extra deswegen dahinfahren würde ich nicht», sagt er im Gespräch mit dem Bärnerbär ganz offen über den Tag, den sich so viele Menschen aus dem In- und Ausland dick in der Agenda eintragen und freihalten.

Beobachten statt betrinken – da nimmt Grosskinsky gleichzeitig in Kauf, dass er schon mal mit Konfetti eingedeckt wird. «Mit der Uniform bin ich ja auch exponiert.» Häufig sind es Kinder, die sich einen Spass erlauben würden, erklärt der 35-Jährige. «Das ist kein Problem. Narrenfreiheit geniessen aber gerade Erwachsene natürlich nicht.» Grenzen müssen sein, auch am Zibelemärit.Klar.

«Kann schon mühsam werden»
Die Toleranzgrenze wirklich überschreiten, das machen andere. Mike Grosskinsky hat ein Gespür dafür, wenn die Hemmschwelle fällt. «Dann kann es schon mal mühsam werden.» Generell sei es so, dass, je länger der Zibelemärit dauere, das Risiko etwa einer Schlägerei kontinuierlich zunehme. Der Alkohol zeige seine enthemmende Wirkung. Wenn es tatsächlich «chlepft», reagieren Grosskinsky und seine Kollegen so schnell als möglich. «Wir sind zur Stelle oder versuchen, schon präventiv zu intervenieren.» Was an einem solchen Montag im November, wenn sich Tausende Menschen durch die engen Gassen Berns drängen, wohl nicht immer ganz einfach ist.

Leute, die sich einen hinter die Binde kippen und dadurch ihr aggressives Naturell an den Tag legen, gibt es an jedem Fest. Doch eigentlich bräuchte es sie gar nicht. Schon gar nicht aus Sicht der Ordnungshüter. Die haben an solchen Tagen sowieso schon genug zu tun. «Es kommt zu Taschendiebstählen. Da sind Kinder, die ihre Eltern verlieren. Oft einfach auch Menschen, die Auskunft brauchen. Und Gegenstände, die an den Ständen gestohlen werden», resümiert Grosskinsky. Immerhin, meint er beruhigend: «Es läuft alles in einem gewissen Rahmen.»

Die grosse Kleiderfrage
Angst, am Zibelemärit seinen Dienst zu verrichten, hat Grosskinsky deshalb keine. Seine Gedanken im Hinblick auf den Anlass, die sähen eher so aus: «Das wird insgesamt lustig, ab und zu vielleicht etwas mühsam und wohl auch kalt. Ich schlage mich mit solchen Fragen rum: Was ziehe ich an, damit ich nicht friere?» Der Berner lacht. Warme Kleidung dürfte übrigens tatsächlich ein Thema werden: Am Zibelemärit sind Temperaturen von rund 7 Grad zu erwarten. Immerhin soll es trocken bleiben. Wobei: Regenschirme gehören bei der Polizei ja sowieso nicht zur Grundausstattung.

Länger arbeiten als sonst
Auf Mike Grosskinsky wartet folglich ein anstrengender Tag. Aus mentaler wie auch aus körperlicher Sicht. Nicht zuletzt deswegen, weil seine Schicht am Zibelemärit länger dauert als sonst. «Ich persönlich fange mittags an und arbeite bis am späteren Abend. Der Einsatz dauert minim länger als an anderen Tagen, wir machen also ein bisschen Überzeit, die aber angerechnet wird.»

Grosskinsky hat seinen Dienst in anderen Jahren aber auch schon, ganz im Sinne des Zibelemärits, am frühen Morgen angetreten. «Da herrscht eine spezielle Stimmung, wenn man von Anfang an zuschauen kann, wie die Stände aufgebaut werden und sich die Stadt langsam füllt.» Diese Ruhe, die der Polizist sonst privat so schätzt, finde man abends nicht mehr. «Da ist Bern voll mit Menschen.» Trotzdem gebe es auch tagsüber immer wieder schöne Momente, freut er sich. «Zum Beispiel, wenn man ein verloren gegangenes Kind seinen Eltern zurückbringen kann. Da weiss man, warum man seinen Job macht.»

Irgendwann hat dann auch Mike Grosskinsky Feierabend. Nach vielen Stunden in der Kälte. Und gönnt sich, wenn er davor noch nicht dazu gekommen ist, einen herzhaften Zibele- oder Chäschuche.  Oder einen warmen Schluck Glühwein. «Falls es dann überhaupt noch welchen hat.» Yves Schott

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