Die Bodenackerfähre bei Muri, die einzige Fähre zwischen Thun und Bern, ist fast immer in Betrieb. Wer hier arbeitet, wird reich beschenkt. Und muss vor allem in der warmen Jahreszeit seine Augen offenhalten.
Institutionen wie die bei Ausflüglern, Wanderern, Bikern und Hündelern beliebte Fähri bilden einen in sich ruhenden Mikrokosmos. Hier begegnen sich viele Menschen. Sie verbringen einige Minuten sprichwörtlich zusammen in einem Boot, und wenn sie aussteigen, nehmen sie meist das entspannte Gefühl des sanften Gleitens über den schönsten Fluss der Welt mit. Eine Fahrt mit der Fähre ist Mobilität der Ruhe und bleibt länger haften als das Sitzen im Tram oder Auto. Nachhaltigkeit für die Seele also. Die Fähre fährt ohne jeglichen Treibstoff, ohne Motor und auch bei Windstille. Es ist eine sogenannte Gierseilfähre – sie nutzt die Kraft des strömenden Wassers, indem sie den Rumpf schräg zur Strömung stellt bzw. «giert». Ihr Antrieb sind die Energie des Flusses und das Steuerruder des Fährmanns. Im Falle der Bodenackerfähre seit fast 200 Jahren: die erste Nennung ist ein Konzessionsprotokoll von 1835, damals noch als Elfenau-Fähre. Seither verkehrt die Bodenackerfähre, jetzt täglich ab 10 Uhr, im Winter bis 17 Uhr, in der Sommerzeit bis 18.30, von Mai bis August bis 20.30. Ausser es regnet, dann ist um 18 Uhr Schluss. Der einzige Betriebsunterbruch ist – für die jährliche Wartung – in der zweiten Februarwoche. Oder, selten, bei grossem Hochwasser. Auf der Bodenackerfähre arbeiten nur Männer. Wohl ein Zufall, denn Frauen könnten das auch. Die Fährmannen sind dem Werkhof von Muri-Gümligen unterstellt und arbeiten Teilzeit von 15 bis 50 Prozent. Die Equipe ist bunt zusammengesetzt. Daniel Glauser, der auch als organisatorischer Leiter amtet, ist Architekt. Patrik Stöckli ist Hochbauzeichner und Comic-Liebhabern aus dem Drachenäscht an der Rathausgasse bekannt. Der Dienstälteste ist ein Promi der Bärner Kunstszene, der Kontrabassist Mich Gerber. Zwei Informatiker, Urs Diggelmann und Oli Meier, runden das Team ab.
Warum wird man Fährimann?
Obwohl an schönen Sonntagen über 600 Fahrgäste verzeichnet werden, das Passagieraufkommen ist überschaubar – mit dem Fährmannjob schafft mans unmöglich zu Vermögen. Was aber ist der Reiz? Daniel Glauser sieht das so: «Ich habe noch nie so wenig verdient und wurde noch nie so reich beschenkt. Ich erlebe hier Natur bei jedem Wetter, habe schöne Begegnungen, auch Bundesräte waren dabei, alles ist im Hier und Jetzt, und wenn ich abends nach Hause komme, habe ich keine Pendenzen.» Und Patrik Stöckli ergänzt: «Die Arbeit draussen ist ein Genuss. Auch wenn ich am Morgen vielleicht zuerst Schnee räumen oder nach Regen das Boot auspumpen muss.» Aber es gibt doch Tage, wo nichts läuft? «Die gibt es nicht, Hündeler etwa gehen bei jedem Wetter raus, und die gehören zu unseren Stammkunden. Und ist es mal ruhiger, löse ich einige Sudokus.»
«Das kann anstrengend sein»
Etwa 30000 Menschen nutzen die Fähre jährlich, und es gibt, wie erwähnt, auch Stosszeiten. Wenig angenehm sind – an schönen Wochenenden – die anderen «Verkehrsteilnehmer»: die schier endlose Gummiboot-Flotte. «Das kann anstrengend sein», sagt Stöckli, «denn obwohl wir wohl Vorfahrt hätten, müssen wir auf die Böötler Rücksicht nehmen. Die sind hier bereits seit Stunden unterwegs, nicht mehr alle ganz nüchtern. Da spielen wir nicht den Stärkeren, sondern warten Lücken ab.» Weil Gummiboote nicht flink manövrierbar sind, drohen Kollisionen, mit der Fähre oder schon ein paar Meter weiter oben mit dem weniger gut sichtbaren Metallseil. Trotz aller Vorsicht, Zusammenstösse gab es schon, doch sind alle glimpflich verlaufen.
Lahor Jakrlin