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Frank Bertisch ist seit 2016 Leiter interne Revision bei der Coop-Gruppe. Foto: Fabian Hofmann

«Der Verwaltungsrat steht in der Pflicht»

Von der externen Revision haben die meisten eine Ahnung, nicht jedoch von der internen. Warum existiert sie überhaupt, was sind ihre Aufgaben? Frank Bertisch, Vizepräsident des Institute of Internal Auditors (IIA Switzerland) lüftet das Geheimnis dieses bedeutenden Führungsinstrumentes.

Welche konkreten Aufgaben hat die interne Revision?
Auf der Basis eines zuvor verabschiedeten Prüfplans wird ein spezifischer Auftrag, zum Beispiel die Abläufe von Beschaffungsprozessen von Waren und Rohstoffen. Dabei wird unter anderem auch die Sorgfalt der Kalkulation geprüft. Ein besonderes Augenmerk gilt jenen Elementen der Beschaffung, welche mit besonderen Risiken verbunden sind. Sie stehen bei der Auftragsplanung im Vordergrund.

Zusammen mit den Verantwortlichen im Unternehmen plant ein interner Revisor den Ablauf der Prüfung und klärt mit ihnen das Vorgehen. Während üblicherweise zwei bis acht Wochen lässt er sich durch Betriebsverantwortliche die Vorgänge erläutern, führt Interviews durch, analysiert die Abläufe – natürlich auch jene, die in IT-Systemen ablaufen – und beurteilt letztlich, wie wirksam der untersuchte Bereich die wichtigsten Risiken zu steuern und zu überwachen vermag. Die Erkenntnisse fasst er in einem Bericht zusammen, den er nach einem Abschlussgespräch dem Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung zukommen lässt.

Wir haben in der Schweiz rund 600 000 KMUs mit maximal 250 Mitarbeitenden. Ab welcher Betriebsgrösse ist eine interne Revision sinnvoll?
Der Verwaltungsrat sollte sich spätestens dann damit auseinandersetzen, wenn die Abläufe unübersichtlich werden. Ein Coiffeurgeschäft mit drei Mitarbeitenden benötigt keine interne Revision, wohl aber sinnvollerweise eine Coiffeurkette mit zig Geschäften, um ein Beispiel zu nennen. Die interne Revision kann punktuell auch bei externen Dienstleistern eingekauft werden, es muss also nicht zwingend eine Stelle dafür im Unternehmen geschaffen werden.

Wem ist die interne Revision unterstellt?
Dem Verwaltungsrat, beziehungsweise dem Prüfungsausschuss innerhalb des VR. Administrativ sollte die interne Revision idealerweise direkt dem CEO unterstellt sein.

Welches sind die häufigsten Ansprechpartner der internen Revision?
Die Verantwortlichen in den verschiedenen Fachbereichen eines Unternehmens, zum Beispiel der CEO, die Finanzabteilung, die IT, der Einkauf. Der eigentliche «Kunde» ist der Verwaltungsrat. Der VR steht in der Pflicht, hält doch das Obligationenrecht (OR) sogenannte «unübertragbare Aufgaben» fest. Unter anderem hat er gemäss OR die «Oberaufsicht über die mit der Geschäftsführung betrauten Personen, namentlich im Hinblick auf die Befolgung der Gesetze, Statuten, Reglemente und Weisungen.»

Hat die interne Revision Sanktionsmöglichkeiten?
Nein. Zum Beispiel bei Regelverstössen in spezifischen Fällen berät sie den Verwaltungsrat, inwieweit Sanktionen zielführend sein können. Die interne Revision hat hier einen klaren Beratungsauftrag.

Wie steht es mit der «Popularität» der internen Revision bei der Belegschaft?
Vorerst eher zurückhaltend, gewisse Abwehrreaktionen sind normal und auch verständlich. Deshalb ist ein ausführliches Briefing mit den Betroffenen vor dem Audit, wie eingangs erwähnt, sehr wichtig. Die interne Revision ist in erster Linie unterstützend tätig und ist dabei auf das spezifische Branchenwissen der betreffenden Betriebsverantwortlichen angewiesen. Diese sollten stets Einsicht in die Audit-Entwürfe erhalten, bevor sie an den Verwaltungsrat gelangen.

In der Schweiz gibt es keine gesetzliche Grundlage für den Betrieb einer internen Revisionsfunktion, ausser für Banken, Versicherungen und Krankenkassen. Hat die interne Revision bei der Credit Suisse versagt?
Ich kenne die Internas der Credit Suisse nicht, weder seitens des Verwaltungsrates noch der internen Revision. So wie der Fall aber öffentlich dargelegt wird, kann man vermuten, dass dem VR das Instrument der internen Revision im besten Fall formell korrekt zur Verfügung gestanden hatte, er dieses aber vielleicht nicht aktiver nutzte, um Risiken besser zu begegnen oder abzuwenden. Branchenexperten zufolge stand die Expertise des VR im Bereich Risikomanagement in der Kritik.

Würden Sie eine gesetzliche Vorschrift begrüssen?
Sie würde die Anliegen der internen Revision natürlich unterstützen. Aber ich ziehe eine proaktive Nutzung und Unterstützung der internen Revision durch den Verwaltungsrat einer gesetzlichen Regelung vor. Der Wirtschafts-Dachverband economiesuisse empfiehlt im Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance die Einrichtung der internen Revision. Dieser Code wird von unserem Verband, dem Institute of Internal Auditors (IIA Switzerland) mitgetragen.

Was sind zurzeit die grössten Herausforderungen bei der internen Revision?
Die IT-Sicherheit – Stichwort Cybersicherheit – stellt uns vor grosse Herausforderungen. Das IT-Audit sollte Teil der internen Revision sein. Auch muss sich die interne Revision zwingend mit Nachhaltigkeitsprozessen befassen.

Peter Widmer

Weitere Infos: iias.ch

PERSÖNLICH

Frank Bertisch, geboren am 4. April 1963, wuchs in Münchenstein BL auf und schloss an der Universität Bern das Betriebswirtschaftsstudium (lic. rer. pol.) ab. Danach arbeitete er u. a. in der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern, als Berater bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und während mehreren Jahren als Leiter interne Revision bei der Kuoni Group in Zürich. Seit 2016 ist er als Leiter interne Revision bei der Coop-Gruppe in Basel tätig. Beim Institute of Internal Auditors (IIA Switzerland) amtiert er seit 2014 als Vizepräsident. Bertisch wohnt mit seiner Partnerin in der Länggasse in Bern.

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