Knusprig, lecker und glutenfrei: Mit Jovi’s glutenfreier Bäckerei lanciert Jovana Beslac ihr erstes Start-up. Ihre grosse Herausforderung: voller Geschmack bei null Gluten.
Reismehl-Baguettes, Kastanienbrötli, Erdnuss-Gipfeli: An diesem Sonntag steht die Tür der Bäckerei Jovi’s kaum still. Sogar eine kleine Schlage hat sich vor dem Laden in der Länggasse gebildet. An der Theke kann Besitzerin Jovana Beslac die Freude auf ihrem Gesicht über den Anklang ihrer glutenfreien Produkte kaum verbergen – trotz Maske.
Eine unerwartete Marktlücke
Vor einer Bäckerei Schlange stehen? Das wäre der Jovi‘s-Gründerin früher kaum in den Sinn gekommen. Denn um Bäckereien musste die selbsternannte Naschkatze lang einen grossen Bogen machen. «Mit acht Jahren bekam ich die Diagnose Zöliakie», erzählt Jovana Beslac. Bei dieser vererbbaren Autoimmunkrankheit sorgt das in Getreide enthaltene Gluten für eine dauerhafte Entzündung im Darm. «Gluten ist Gift für mich», sagt sie offen. So muss sie seit ihrer Kindheit auf viele Lebensmittel verzichten, ihre Familie backte selbst, in jedem Restaurant muss Jovana die Zutaten nachfragen. Mal eben mittags ein Sandwich vom Beck holen oder bedenkenlos beim Apéro zugreifen? Für die studierte Betriebswirtschafterin ein Ding der Unmöglichkeit. Zwar bieten die Supermärkte mittlerweile glutenfreie Produkte an – deren Qualität, Geschmack und Preis überzeugten die junge Bernerin aber weniger.
Als sie dann in einer Semesterarbeit ein Start-up planen durfte, wurde ihr schnell klar: «Ich entwerfe ein Konzept für eine glutenfreie Bäckerei!» Damit stillte Jovana nicht nur ihre eigene Sehnsucht nach leckerem Gebäck, sondern fand auch eine Schweizer Marktlücke. «Auf Reisen in unsere Nachbarländer lernte ich so viele glutenfreie Bäckereien mit hoher Qualität kennen und konnte gar nicht glauben, dass es so was in der Schweiz nicht gab.» Im April 2020 meldete Jovana Beslac ihr Business an, finanziert aus eigener Tasche. Unterstützt wird sie von einem Start-up-Mentor. So wurde aus dem Traum-Start-up auf dem Papier ein echtes Unternehmen. Seit August gibt es die Produkte jeden Sonntag in der Ässbar zu kaufen.
Zuvor tüftelte Jovana, die keine Bäckerlehre gemacht hat, monatelang mit ihrem Bäckermeister Salvi aus Basel an Rezepturen, Teigmischungen und suchte Rohstoffe wie das kleine Korn Teff. Anfangs wollte kein Backwerk richtig aufgehen, doch das Team gab die Hoffnung nicht auf. Die Backstube läuft unter dem Motto: Back(e) to the roots. «Kleingedruckte Inhaltsstoffe existieren bei uns nicht. Die Menschen sollen wissen, was sie essen», so Jovana. Um verschiedene Allergien abzudecken, werden auch laktosefreie, fruktosearme oder nussfreie Brötli angeboten. Letztendlich soll aber nicht das die Kundschaft überzeugen, sondern der Geschmack: «Viele finden die üblichen glutenfreien Backsachen fad. Dieses Vorurteil wollen wir mit unseren neuen Produkten abbauen. Wenn die Leute blindkosten, sind sie oft überrascht, dass alles glutenfrei ist.»
Mehr als ein Prozent der Schweizer Bevölkerung verträgt kein Gluten, Tendenz steigend. Aber auch für Nichtallergiker soll das nährstoffreiche Brot zur Option werden. Schon nach den ersten Wochen kann sich Jovana über wiederkehrende Kunden freuen. Wichtig ist ihr, dass die Sachen frisch und bezahlbar sind. Schliesslich habe sich niemand eine Allergie ausgesucht und müsse deshalb überteuerte Preise hinnehmen.
Ab 2021 mit eigenem Lokal
Als Nächstes will Jovana glutenfreies Sauerteigbrot und Gastro-Produkte entwickeln. Doch Backwaren ohne Gluten haben auch ihre Grenzen: «Klassiker wie Züpfe lassen sich kaum glutenfrei herstellen», gibt Jovana Beslac zu. Schliesslich bringt dieser Kleber Elastizität ins Brot und macht es luftig. Weizen ist nicht ersetzbar. So bietet Jovi’s vielmehr Backwaren aus unbekannteren Rohstoffen an. Das Hausbrot namens Jovi ist der Bestseller.
Die meisten Produkte können auch online bestellt werden, dazu gibt es einen Tortenservice. Auch letzterer resultiert wieder aus Jovanas Erfahrungen. «An Kindergeburtstagen war ich immer das Mädchen, das Fruchtsalat ass, während es für die anderen Torte gab», erinnert sie sich und kann heute darüber lachen. «Das kann keine Option mehr sein. Kinder mit Allergien haben es doch auch verdient, eine schöne Torte zu bekommen.»
Ab 2021 wird es die kleine Bäckerei in einem eigenen Ladenlokal geben. Wo das sein wird, weiss Jovana noch nicht genau. Ein paar gute Standorte hat sie schon im Auge und verspricht: «Wir bleiben auf jeden Fall in Bern. Das ist meine Heimat.»
Michèle Graf