Unter der Corona-Maske festet es sich nicht ansatzweise so gut wie unter der Narrenkappe. Die Berner Fasnacht 2021 ist abgesagt. Doch Fasnächtler Thomas Fritz‘ Begeisterung für den närrischen Event ist ungebrochen.
Statt mit dem Kostüm durch Berns Gassen zu ziehen, steht Thomas Fritz heute voll kostümiert in seinem Garten in Bümpliz. Im Nieselregen statt mit Konfetti. Ein sprechendes Bild: Der Fasnächtler muss zuhause bleiben.
Nach dem Abbruch 2020 am Fasnachtsfreitag – wie Fritz sagt, «einer der trübsten Tage in meinem Leben» – wird es 2021 in Bern gar kein när-risches Treiben geben. Ein herber Rückschlag für den langjährigen Kassier und Vize des Vereins Bärner Fasnacht: «Ein Jahr lang haben wir hin- und herüberlegt, wie man eine sichere Fasnacht veranstalten könnte. Wir erkannten: Eine coronakonforme Fasnacht verdient den Namen nicht. Also mussten wir absagen. Ein gewaltiger Verlust.» So schickten die Fasnächtler mit Ehrengast Alec von Graffenried den Berner Bären in einem Video am 11.11.20 wieder in den Winterschlaf.
Der Ausfall schmerzt. «Es ist hart», gibt Fritz zu. Ablenkung tut da Not. Das erste Mal seit 35 Jahren wird er an den sonst für ihn schönsten Tagen im Jahr arbeiten. Doch der aktive Guggenmusiker und Verkleidungs-fan verliert seine gute Laune nicht.
Mit der Fasnacht gewachsen
Zu viel bedeutet ihm die Fasnacht. Schon als der Event in Bern Mitte der 80er noch im Kinderkostüm steckte, waren seine Frau und er begeistert dabei. «Wir gingen zu zehnt als Guggenmusik zum Umzug. Völlig dilettantisch, aber das spielte keine Rolle. Wir sind mit der Berner Fasnacht gewachsen.»
Thomas Fritz erinnert sich an die ersten Kostümnähversuche am heimischen Küchentisch. Jeweils ein Familienprojekt. Seit den 90ern ist er auch im Verein Bärner Fasnacht dabei. Er findet, dass die drei verrückten Tage der Stadt, die sonst ein bisschen steif sei, guttun und alles auflockern. Seit einigen Jahren hat der Stadtpräsident so das Patronat der Fasnacht inne, die Behörden ziehen wohlwollend mit.
«Wo andere als Leidenschaft Sport nennen, steht bei mir die Fasnacht auf Platz eins. Seit über 30 Jahren ein fixer Punkt in meinem Kalender.» Woher rührt diese Passion? Fritz muss nicht lange überlegen: Bereits als Kind verkleidete er sich gerne. «Einerseits kann ich durch mein thematisches Kostüm ein Bild malen. Ich will mich nicht verstecken, sondern etwas zeigen.» Oft schneidert er mit seiner Frau ein Partnerkostüm: So gingen sie beim Thema Heimat als Stier und Trachtenfrau, die ihn führt. «Andererseits schaffen wir als Guggen ein einmaliges fröhliches Musikerlebnis, weil wir Bekanntes verfremden. Absichtlich schräg.»
In der Gruppe SpitzeBlaatere spielt er Tuba. Coronabedingt liegt auch das auf Eis. «Mit Blasinstrumenten hat man eben keine Chance, regelkonform zu proben.» Jetzt gibt es einmal pro Monat einen Guggen-Zoom-Call. Ebenso beschränkt sich Fritz‘ Aufgabe im Verein Bärner Fasnacht derzeit auf Kontaktpflege. Denn 2022 will man die geschätzten Freiwilligen wieder im Boot haben.
Um einmal im Jahr ausgelassen feiern zu können, ist ganz unnärrisch eine minutiöse Planung nötig. Die To-do-Liste des Vorstands um-fasst 230 Punkte: Bewilligungen einholen, Standbetreiber einweisen, Gastgruppen einladen, Absperrungen aufbauen, Helfende coachen, Abfallmanagement.
«Vorne fegen, hinten saugen»
In normalen Jahren kostet Fritz jeden Moment der Fasnacht aus. Mit den SpitzeBlaatere organisiert er auch in Altersheimen Konzerte oder stattet Menschen mit Behinderung einen Besuch ab. Fasnacht für alle ist bei ihm mehr als ein Motto. Er liebt die Vielfältigkeit des Events. «Ich habe jeden Programmpunkt schaurig gern. Bei uns hat alles Platz.» Ein Beispiel sind die Mutze-Bebbis, ein Verein von Heimweh-Baslern. Und wenn beispielsweise die Schisshüsler in Münsingen einen Wagen bauen und ihn am Fasnachtsdonnerstag zu Fuss die Stadt hochziehen, ist Fritz von solchem Elan stets begeistert.
Sein Geheimtipp ist aber ein anderes Erlebnis: «Ist die Stimmung am Samstag gut, bleiben wir, bis die Putzequipe kommt. Das ist skurril und echt sehenswert.» Fritz schildert, wie die Fasnächtler die Stadt verlassen und um 4.15 Uhr ein Regiment von 20 Reinigungskräften und vier Putzmaschinen emsig die Stadt vom Konfetti befreit. «Vorne wird gefegt, hinten gesaugt. Irre.»
2021 noch vernünftig, 2022 dann wieder gewohnt närrisch
Ein Ersatz für die Fasnacht 2021 existiert nicht. Selbst der Vorstand wird sich am 18. Februar nicht treffen – aus Prinzip. «Wir wollen keine Menschenansammlung provozieren. Eine Fasnacht wäre jetzt unvernünftig.»
So bleibt vorerst nur das Schwelgen in Erinnerungen. Anstatt live wird der Verein jeweils zur passenden Zeit online die Fasnacht mit Fotos und Texten der vergangenen Jahre zelebrieren: Bärenbefreiung, Schnitzelbank-Soiree oder Umzug. «2021 ist das Jahr des Rückblicks und des Ausblicks», findet Fritz. Plakat und Plaketten wird es erst 2022 wieder geben – die Gestaltung steht schon. «Dann habenwir wieder so richtig Fasnacht, draussen und miteinander. Vollgas und hurra!»
Michèle Graf