Die Krankheit hat sie nur noch stärker gemacht

Im Frühling machte Francine Jordi öffentlich, an Brustkrebs gelitten zu haben. Mittlerweile ist die 41-jährige Sängerin wieder vollständig gesund. Im Bärnerbär-Interview erzählt sie, wie es ihr geht. Ein starkes Interview einer starken Frau.

Francine Jordi, ist es für Sie mittlerweile schon fast müssig geworden, über Ihre Erkrankung Brustkrebs reden zu müssen?
Ich habe damit gerechnet, dass wahrscheinlich ein grosses öffentliches Interesse daran besteht, deswegen habe ich das Ganze zuerst für mich behalten. Aber auch diese Zeit ist ein Teil meines Lebens, von der Pressemitteilung im April bis jetzt äusserte ich mich gar nicht dazu, nun beantworte ich gewisse Fragen – und schliesslich wird der Moment kommen, wo alles gesagt ist.

Also absolvieren Sie eine Art Pflichtübung.
Ich verspüre kein dringendes Mitteilungsbedürfnis. Es wird aber nicht nur über deine Sonnenseiten berichtet. Und wen es nicht interessiert: Ich zwinge niemanden, ein Interview von mir zu lesen.

War die Zeit die schlimmste Ihres Lebens?
Sagen wir: ein grober Einschnitt. Das Leben geht plötzlich in eine völlig andere Richtung. Klar stand ich zuerst unter Schock, dann habe ich die Situation aber ziemlich schnell akzeptiert und sagte mir: Okay, das ist mein Weg, der für mich vorgesehen ist. Jetzt gibst du deinem Körper alle Möglichkeiten, wieder gesund zu werden. Schliesslich hat er 40 Jahre lang für mich gearbeitet – und er hat mir unglaublich gut gedient. Ich wollte also alles tun, damit es auch ihm wieder gutgeht.

Sie haben Ihre Diagnose sehr rational aufgenommen, haben nie mit sich und der Welt gehadert.
Das Leben stellt dir immer wieder Aufgaben, und ich suchte die beste Art, damit umzugehen – und das ist für mich nun mal der positive Weg. Ich habe mich nicht gefragt: «Wieso habe ich das?» Sondern ich sagte: «Gottseidank hat man den Krebs so früh entdeckt.» Es ist ein Geschenk, dass die Therapie angeschlagen hat.

Sie waren dankbar.
Ja, was nicht heisst, dass ich mich tanzend durch diese Zeit bewegt hätte, das wäre eine Illusion. Wir reden hier nicht von einem Spaziergang.

War es eine Aufgabe, an der Sie gewachsen sind?
Auf jeden Fall, zum Positiven für mich. Früher habe ich mich mehr unter Druck gesetzt, heute bin ich viel gelassener. Termine nehme ich natürlich nach wie vor sehr ernst, gebe stets mein Bestes, ich arbeite mit Freude und Leidenschaft, bin dankbar, dass ich das tun darf. Früher dachte ich ab und zu: «Nein, nicht schon wieder um 4 Uhr morgens aufstehen.» Jetzt finde ich es schön, aufstehen zu dürfen. Eine Dusche nehmen und dann arbeiten zu gehen. Viele andere können das nicht, obwohl sie gerne würden. Dasselbe gilt für andere Meinungen: Sie sind für mich zweitrangig geworden. Es geht um mich, darum, was mir guttut und nicht, wie ich allen gefallen kann. Ich bin gelassener, mich beeindruckt etwas nicht mehr so schnell, mich interessiert nur noch, was im Leben für mich wirklich wichtig ist.

Das sind dann, bei aller persönlicher Tragik, die positiven Effekte dieser schwierigen Zeit.
Ich habe dadurch sehr viel Positives erfahren und viel für mich gelernt. Ich haushalte bewusster mit meinem Körper. Ich sage zum Beispiel: «Das ist mein freier Tag, egal, was passiert. Dann machen wir das und jenes an einem anderen Tag. Meistens klappt das ja sowieso, ich muss es halt bloss durchsetzen, was ich früher nicht getan habe. Da dachte ich eher: «Okay, dann muss ich wohl.»

Was gönnen Sie sich an Ihren Freitagen?
Ich muss dazu sagen: Ich bin im Sternzeichen Krebs, bin eine sensible Person und ging mit meinem Körper schon immer bewusst um. Ich geniesse Sonnenaufund untergänge, solche Dinge haben mir seit jeher Freude gemacht. Jetzt mache ich das wohl noch etwas bewusster, geniesse den Moment. Was gestern war, kann ich eh nicht mehr ändern, was morgen kommt, weiss ich nicht. Ich konzentriere mich viel mehr auf den Tag, was und mit wem ich etwas unternehmen will. Ich gehe mit meinem Hund Theo spazieren, fahre irgendwo hin. Das ist für mich auftanken.

Wie häufig können Sie sich das leisten?
Bis Ende Oktober bin ich dauerunterwegs. Dafür gibt es Termine nur zu einer bestimmten Tageszeit, weil ich am Tag darauf früh aufstehe. Sprich: Es gelten gewisse Regeln.

Haben Sie Angst vor einem Rückfall?
Angst ist ein schlechter Ratgeber. Es ist wie bei den Nebenwirkungen: Ich will mich erst mit einem Problem beschäftigen, wenn es existiert. Deswegen lebe ich den Moment, es wäre ja bereits wieder negativ, wenn ich mich aufs Andere konzentrieren würde.

Sie haben die Krankheit nie gegoogelt. Gab es trotzdem einen Gedanken, der Sie verfolgt hat?
Den Fokus auf die Konzerte am Wochenende zu halten, hat mir geholfen. Unterwegs, bei den Menschen zu sein. Das Schwierigste zu akzeptieren für mich war, dass ich nichts gespürt habe, ich hatte keine Schmerzen. Und trotzdem musste ich mich einer Chemotherapie unterziehen und wusste, dass der Körper leiden wird. Andererseits war ich sehr dankbar, dass es überhaupt die Möglichkeit gibt, dem Körper helfen zu können.

Haben Sie in der Zeit auch schlecht geschlafen?
Nein

Schauen wir nach vorne: Wie glücklich sind Sie auf einer Skala von 1 bis 10?
11 (lächelt). Ich bin sehr glücklich, auch in Bezug auf meine neue CD, welche so heisst wie mein aktuelles Motto: «Noch lange nicht genug». Privat bin ich ebenfalls sehr happy, das war ich aber schon zuvor. Ich bin dankbar und weiss, dass das alles nicht selbstverständlich ist: hier zu sitzen, keine Ableger im Körper gehabt zu haben, dass die Operation so gut gelaufen ist. Ich hatte unglaubliches Glück, auch in dieser schlimmen Zeit. Auf Facebook schrieb mir soeben eine 20-Jährige, sie habe bei der Sendung mit Carmen Nebel weinen müssen, da sie unheilbar krank sei. Ich meine: Sie ist 20. Was habe ich also für Sorgen?

Was haben Sie der Frau geantwortet?
Dass ich ihr ganz viel Kraft schicke und ihr von Herzen alles Gute wünsche.

Sie haben wohl Hunderte Nachrichten erhalten. Konnten Sie alle beantworten?
Ja. Das ist der schöne Teil der sozialen Medien, dass ich meine Fans besser spüre und merke, was sie beschäftigt. Natürlich geht das mit dem Beantworten nicht innerhalb einer Stunde, manchmal dauert das eine Woche oder sogar einen Monat. An meinen Geburtstagen wird es sowieso besonders hektisch (lacht).

Sie sind Single. Wäre es einfacher, wenn Ihnen in der schwierigen Zeit jemand zur Seite gestanden wäre?
Das habe ich mir damals überhaupt nicht überlegt. Der Fokus lag nur auf mir und meinem Gesundwerden. Für mich war es im Nachhinein gesehen wohl fast ein Vorteil, dass ich keinen Partner hatte und mir nicht Sorgen machen musste, jemanden zu vernachlässigen. Ich konnte mir ganz egoistisch die Zeit nehmen, die ich für mich brauchte. Meine Eltern und meine beiden Schwestern standen mir zur Seite, halfen mir zum Beispiel beim Einkaufen oder beim Kochen. Alltägliche Dinge, für die mir einfach die Kraft fehlte.

Ihnen geht es wieder gut, Sie sind voller Tatendrang … jetzt fehlt nur noch die Schlagzeile: «Francine Jordi: Nun hat sie endlich ihre grosse Liebe gefunden!»
(überlegt) Und dann kommt: «Wann heiratet sie?» Mit den Schlagzeilen geht es immer weiter. Als ich Tony Rominger heiratete, dachte ich auch, nun sei es erledigt (lacht). Doch dann kam die nächste Schlagzeile. Ich denke, das ist halt das Rad, in dem ich mich bewege, solange ich aktiv auf der Bühne stehe. Es wird aber nicht so sein, dass ich von mir aus anklopfe und sage: «Hallo, ich habe Neuigkeiten!»

Yves Schott

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