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Die Krise hat bei ihm einen Schub ausgelöst

Geschlossene Geschäfte, Umsatzeinbussen und grosse Ungewissheit. In der CoronaKrise plagen viele Unternehmer Ängste. Fitness-Experte Andreas Lanz von Tatkraft Training ist dennoch optimistisch und verrät dem Bärnerbär, wie er die Motivation nicht nur bei seinen Kunden hochhält.

Die Matte ist ausgerollt, Stoppuhr und Handtuch liegen parat. Nur eins ist bei Personal Trainer Andreas Lanz derzeit anders: Statt seinem Kunden direkt gegenüberzustehen, turnt dieser einige Kilometer entfernt im heimischen Wohnzimmer. «Sehr gut, die Position noch ein bisschen halten», motiviert Lanz und schaut in die Kamera. Über Videochat coacht und führt er seinen Kunden durch 40 Minuten Ganzkörpertraining. Geschafft!

Die neue Gelassenheit
Der Lockdown seit dem Beginn der Corona-Krise zwang auch Fitnessstudios zur Schliessung. «Wir waren die ersten Tage, wie alle, geschockt und verunsichert. Bei Tatkraft bieten wir Training für Einzelpersonen an. Zuerst konnte uns jedoch niemand sagen, was wir jetzt noch dürfen», erinnert sich Inhaber Andreas Lanz. In den Einzelcoachings könnten alle Schutzmassnahmen des Bundes erfüllt werden. Dennoch entschied er sich schliesslich, aus Solidarität mit der Branche und aus Vorsicht, den Trainingsbetrieb drastisch herunterzufahren. Auch Kurzarbeit musste er anmelden, staatliche Hilfen beantragen. «Wir haben derzeit etwa 70 Prozent weniger Auslastung», schätzt Lanz. Wie hoch die Einbussen sein werden, ist noch ungewiss.
Für den Fitnessunternehmer trotzdem kein Grund, sich aufzuregen oder das Handtuch zu werfen. Er konnte die Umstände schnell akzeptieren. Mit einer neuen Gelassenheit geht er von Tag zu Tag und lässt Existenzängste erst gar nicht zu. «Es gibt immer noch Spielräume. Krisen sind auch Chancen», sagt er bestimmt und deutet auf seinen Laptop. Der erzwungene Trainingsausfall hat bei ihm einen kleinen Digitalisierungsschub ausgelöst. Er habe noch nie im Leben so viel telefoniert wie in den letzten Wochen, muss Lanz lachend zugeben.
Und die Krise zwang ihn zur Kreativität. Innerhalb kürzester Zeit erstellte er mit seinem Team individuelle Trainingspläne, Videos und Live-Sessions. Gerade Kunden aus der Risiko-Gruppe nahmen dieses Angebot dankbar an. «Unser ältester Kunde ist 81. Er war der Erste, der sich fürs Online-Coaching angemeldet hat. Er macht vor dem Tablet begeistert mit.» Lanz arbeitet jetzt noch fokussierter, auch mit seinem Team. Da alle in der gleichen Situation stecken, ist zudem die Fehlertoleranz höher. Corona zwang alle zum Sprint: «Ich habe in zwei Wochen das geschafft, wofür ich sonst zwei Monate gebraucht hätte.»

Laster ablegen
Während der Krise bietet Andreas Lanz auch einen Gratis-Onlinekurs zur Wim-HofMethode an, ein Training mit Kälte und Atemtechniken, das das Immunsystem stärkt. 90 Teilnehmer sind dabei. «Das hätte ich nie erwartet», freut sich Lanz. Da die Teilnehmenden etwas zurückgeben wollen, nimmt er nun Spenden entgegen, die er nach der Krise weiterleiten wird. Anfangs befremdete es ihn, stundenlang und ohne Interaktion in eine Kamera zu reden; jetzt klappt das bestens.
Auch erlebt der Trainer durch den Lockdown eine grosse Entschleunigung und viel Zusammenhalt. «Trotz Distanz sind wir uns wieder nähergekommen und haben mehr Verständnis füreinander. Ich hoffe, diese Haltung bleibt uns», sagt Lanz. Mal von der alltäglichen Rastlosigkeit befreit, bleibt nun Zeit, Freunde anzurufen und endlich wieder gut zu kochen. Oder um ein Laster abzulegen: «Manche unserer Kunden haben die Gunst der Stunde genutzt, um mit dem Rauchen aufzuhören.»
Wer sich während der Krise schwer zum Workout motivieren kann, dem empfiehlt der Fitnessexperte umzudenken: «Habe ich normalerweise 30 Minuten Arbeitsweg täglich, kann ich diese geschenkte Zeit nun in einen Spaziergang investieren. Oder ich mache zu Hause spontan 20 Liegestütze und Rumpfbeugen. Es gibt hunderte kleiner Übungen.«
Wer schon vor der Krise Sport trieb, solle bei dieser Routine bleiben. Lanz rät zur Bern-Methode. Die hat nichts mit seiner Heimatstadt zu tun, sondern steht für: Behaviour (Verhalten, d.h. die Schutzmassnahmen einhalten), Exercise (Training), Regeneration (Erholung, auch durch genug Schlaf) und Nutrition (ausgewogene Ernährung). Wer so etwas für sein Wohlbefinden tut, wird in Stresssituationen wieder belastbarer sein. Lanz bleibt optimistisch, denn die Zeit nach Corona kommt – ganz sicher. Er hofft auf einen Nachholeffekt: «Es werden sicher wieder mehr Leute Sport treiben. Das wäre die schönste Reaktion.»

Michèle Graf

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