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Dieser Könizer sagt dem Food Waste den Kampf an

Mirko Buri missioniert nicht; er handelt. Seine Worte und Taten stimmen überein. In seinem Restaurant Mein Küchenchef in Köniz beweist er, dass vom Feld bis auf den Teller rund zehnmal weniger Lebensmittelverluste anfallen als in der herkömmlichen Gastronomie.

Es war 2012, als sich Mirko Buri den deutschen Dokumentarfilm «Taste the Waste» von Valentin Thurn anschaute. Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen und er ging auf die Schweizer Felder, um sich zu vergewissern, ob sich die Situation auch so präsentiere wie in Deutschland. Es war leider so. «Als ich tonnenweise Gemüse rumliegen sah, wurde mir als Koch bewusst, dass man damit noch so viele Menschen ernähren könnte. Damals fand bei mir ein komplettes Umdenken statt», erinnert sich Buri.

Krumme Rüebli von regionalen Bauern
Erfüllt frisches Gemüse oder Obst nicht die strengen Normen des konventionellen Marktes – in Mirko Buris Restaurant «Mein Küchenchef» findet es einen Abnehmer. So ziehen Buri und seine Mitarbeitenden regelmässig auf die Felder in der Region Bern zu einer sogenannten «Nachernte» und sammeln krumme Rüebli ein, natürlich nur mit vorgängiger Erlaubnis des Bauern. «Oft fragen uns dann die Bauern, ob wir Pferde hätten, für welche dieses Gemüse bestimmt sei. Sie sind dann fassungslos, wenn wir antworten, dass wir die Produkte in unserem Restaurant verwenden!», erzählt Mirko Buri. Zurzeit sind es etwa 45 Landwirtschaftsbetriebe in der Region Bern, von denen Buri regelmässig nicht-marktkonforme Produkte bezieht und diese vor dem Müll rettet. So werden in seinem Restaurant jährlich 28 Tonnen überschüssige Lebensmittel verarbeitet. Sind es die Kunden, welche nur makelloses Gemüse und Obst verlangen, oder die Anbieter? Mirko Buri gibt sich vorsichtig: «Wenn dem Konsumenten nur formschöne Produkte angeboten werden, kennt er nichts anderes und hat keine Wahl. Tendenziell entscheidet sich der Mensch generell nur fürs Schöne, Tadellose.» Er stelle das auch bei sich selber fest: «Wenn ich Rüebli rüste, wähle ich zuerst die geraden, bevor ich mich an die unförmigen wage. Die verursachen zudem mehr Arbeit.» Es liege am System, jeder Anbieter und Kunde wünsche das Schönste zum besten Preis. «Dass wir heute derart viel Abfall produzieren, liegt an der masslosen Übertreibung der letzten 40 Jahre», sinniert Küchenchef Buri. Nicht weniger als 39 Prozent aller Lebensmittelabfälle würden in den Schweizer Haushalten verursacht (siehe auch Box). Mögliche Ursachen sieht Buri in zu kurzen Haltbarkeitsfristen der gekauften Produkte oder in einer ungenügenden Planung.

Nur kochen was man braucht
Restaurants, Heime und Spitäler wollen ihren Kunden und Patienten eine immer grössere Vielfalt an Mahlzeiten anbieten. Das erzeugt doch automatisch mehr Lebensmittelabfälle. Mirko Buri verneint: «Wir alle schätzen die Vielfalt und möchten nicht mehr darauf verzichten. Jeder Koch ist aber konditioniert, zehn Prozent mehr zuzubereiten als wirklich benötigt wird, aus Angst, man habe zu wenig! Hier liegt eine weitere Quelle des Übels.» Nur kochen, was man braucht – diese und weitere Informationen zu Food Waste und wie er verhindert werden kann, vermittelt Mirko Buri auch in seinen zahlreichen Seminaren. Er ist Mitglied und Referent des Vereins United Against Waste und sensibilisiert dort Betriebsleiter, Küchenchefs und Küchenbrigaden für den nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln. «Es sind halt kleine Schritte, aber inzwischen gibt es schweizweit schon zahlreiche Gastrobetriebe, welche nach unserem Konzept handeln.» Indes: Er sei ein ungeduldiger Mensch und es mache ihn manchmal kribbelig, wenn er sehe, wie langsam alle gehe: «Es dauert wohl wieder 40 Jahre, bis sich das Bewusstsein und das Verhalten der Gesellschaft geändert haben.» Resigniert habe er aber dennoch nie, es wäre ein schlechter Ratgeber! Was isst denn Mirko Buri am liebsten? «Das ist stimmungs- und saisonabhängig», sagt er diplomatisch. «Ich geniesse jeweils die Vielfalt der Saison in vollen Zügen. So freue ich mich schon heute auf die kommende Spargelsaison im Mai.» Um einige Produkte, wie zum Beispiel Zuchtfisch, macht er aus ethischen Gründen einen weiten Bogen.

Peter Widmer

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