Auf Safari in Afrika, im Camper durch die USA, Baden an der Küste Ecuadors – und dann kam Corona. In der Pandemie mussten die Berner Blogger Annika und Marco ihre Weltreise abbrechen. Zurück in der Heimat sind sie dennoch glücklich.
Am Anfang stand eine Krise. «Mit 25 hatte ich alles und war doch unglücklich », zieht Marco Bieri heute Bilanz. Er mochte zwar seinen Beruf als Polymechaniker im Schichtbetrieb sehr, trieb Sport, arbeitete nebenher als Türsteher. «Weltenbummler habe ich immer bewundert, aber ich traute mich lange nicht.» Doch je länger es ihm schlecht ging, desto grösser wurde der Wunsch nach einer radikalen Veränderung.
Selbstfindungstrip
So plante Marco sein grosses Abenteuer, als unverhofft Annika Hecht in sein Leben trat. Würde die frische Liebe Marcos Fernweh aushalten? Bang beichtete er ihr, dass er seine Weltreise auf jeden Fall machen werde. Annikas Reaktion verblüffte: «Und, darf ich mitkommen? » Denn im Herzen ist die Kommunikationsplanerin auch eine Abenteurerin, die «mehr von der Welt sehen will». Nur wenige Monate später tauschten beide ihre Jobs und Wohnung in Bern gegen das Leben als Blogger mit Rucksack. Erst Afrika, dann Nord- und Südamerika plus Asien. «Ein hohes Risiko, aber es war die beste Entscheidung», sagt Annika überzeugt. Das Paar investierte einen hohen fünfstelligen Betrag in die Reise – und bereut es nicht.
Im Bann der Haie
Was das Reisebudget besonders strapazierte, war ihre Unterwasser-Leidenschaft. Seit seinem ersten Tauchgang haben Marco Haie «völlig in ihren Bann gezogen.» Annika teilt diese Begeisterung. «Haie sind faszinierend. Manche Arten wie der Blueshark sind richtig neugierig.» Unter Wasser ist das Paar völlig ruhig und angstfrei. Marco bedauert, dass diese intelligenten, sensiblen Tiere einen so schlechten Stand haben. In den letzten 20 Jahren ist die Population mancher Arten gar um 90 Prozent gesunken. In ihrem Reiseblog klären Marco und Annika deshalb auch über die Meeresräuber auf: «Wenn der Hai an der Spitze der Nahrungskette fehlt, ist das schlecht für das ganze Ökosystem Meer.»
Spaziergang mit Gepard
Ganz nach dem Motto «Das Leben beginnt am Ende der Komfortzone» wurde die Weltreise auch zum Härtetest. Marco und Annika machts erst so richtig Spass, wenn sie mit Pick-up durch Afrika unterwegs auf sich allein gestellt sind. «Da kommt bei einer Panne kein TCS vorbei.» Sie reizt es, Grenzen zu testen. Auch wenn es im Camper mal durchs Dach regnet. In Namibia halfen die Tierfreunde in einer Auffangstation aus, kümmerten sich um Babyäffchen. Annikas eindrücklichstes Erlebnis: «Ich durfte dort mit einem Geparden spazieren gehen.» Diese Erlebnisse hält das Paar in seinem Blog mit grosser Leidenschaft fest. Im Laufe der Reise wurde der immer beliebter. Jeden Sonntag musste ein neuer Eintrag her: Für Planungsliebhaberin Annika und den spontanen Marco war das zeitweise gar stressig. «Fast hätten wir das Geniessen vergessen. Schliesslich haben wir nur noch gepostet, wenn wir Lust hatten und dann fägte es wieder», sagt Annika.
Corona statt Australien
Dass eine weitere Krise ihrer Weltreise so ein jähes Ende setzen würde, hätten die beiden nie gedacht. Als die Coronawelle über alle Kontinente rollte, befanden sie sich gerade in ihrem Traumland Australien. Mehr als ein paar Strandspaziergänge waren wegen Selbstisolation nicht drin. Im April traten die Reiseblogger endgültig die Rückreise an.
Büroalltag statt endloser Weiten
Vorerst haben sie in der Wohnung von Marcos Onkel Unterschlupf gefunden, die Rucksäcke stehen in der Ecke, ein Elefanten-Anhänger-Mitbringsel liegt auf dem Tisch. Der Alltag hat die Reisevögel wieder. «Einerseits geniessen wir jetzt Struktur und Sicherheit, andererseits mussten wir die grosse Freiheit aufgeben, morgens spontan in die eine oder andere Richtung loszufahren», sagt Marco. Dennoch strahlen beide. Annika hat ihren neuen Job in der Postlogistik schon begonnen, Marco fängt im Juli an. Komplette System ausbrecher wollen sie nicht mehr werden, planen aber längere Ferien. «Australien und Indonesien wurde uns durch Corona gestohlen», bedauert Marco. Diese Länder stehen neben Nordeuropa und Japan noch auf ihrer Wunschliste. «Uns zieht es immer wieder in die Ferne, gerade weil es hier so schön ist», erklärt Annika. Sie weiss, dass ihre Heimat wie ein sicherer Hafen stets auf sie warten wird.
Abenteuer vor der Haustür
Für 2020 habe die beiden das Reisen aber verschoben: «Im Flugzeug mit Maske zu sitzen und ständig Fiebermessen, macht keinen Spass.» Lieber ein Jahr warten, bis alle Attraktionen wieder offen sind. Und auch in der Schweiz wird es ihnen nicht langweilig werden: Nun gehen sie halt im See tauchen. Das junge Paar bleibt locker: «Das haben wir auf unserer Weltreise gelernt: Offen sein, egal was und wie es kommt. Reisen bedeutet mehr als ins Flugzeug zu steigen. Alles, was wir im Leben machen, ist eine Reise.»
Michèle Graf