
Er ist ein Fundus von Geschichten aus guten alten Zeiten. Und er will, dass diese Anekdoten weiterleben. Ab Donnerstag sucht Markus J. Hauser, Gründer der schrillen Berner Boutique «Comeback», im Schweizer Fernsehen einen Nachfolger.
Mit einem Mini so prall gefüllt mit Postern der Rolling Stones, dass die Federung der Rückreifen komplett zusammengepresst war, fuhr er einst nach London. Verzollt hat er die Druckerzeugnisse damals nicht. Verkauft hat er sie alle. Es kann mit grosser Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass er das erste Farbposter der Rolling Stones überhaupt in den Handel brachte. Live auf der Bühne erlebt hat er die Band etwa 20 Mal. Aber eigentlich tat er das alles nur, weil er von der Bühnenkluft der Rockstars der Siebziger-Jahre fasziniert war. «Sie trugen alle so einzigartige Hemden», erinnert sich Markus Hauser. «Ich wollte schon immer Hemden anbieten, wie sie Rockstars tragen, hatte aber das nötige Kleingeld nicht.» Der Handel mit Postern war finanziell viel einfacher zu realisieren, der Einkaufspreis von 3 Franken pro Stück erleichterte den Einstieg. Heute verkauft er nur noch Hemden wie sie Rockstars tragen. In einer Galerie von Rolling Stones Postern, welche seinen einzigartigen Laden an der Marktgasse 5 zieren.
Schrill, charakterstark, beispiellos
Hauser ist ein Fundus von Geschichten, die er in seiner Karriere vom Verkäuferlehrling zum Posterschmuggler und Hemden-Pionier erlebt hat. Chronisch gesammelt hat er sie alle in zwei dicken Alben, gute wie schlechte Erfahrungen. Früher sei er auf allen Hochzeiten zum Tanz aufgelaufen, sagt Hauser. Er hat für Skandale gesorgt, mit nackten Knetpuppen für Kleider geworben und national für so viel Aufsehen gesorgt, dass er ein Poster vom damals anzüglichen Werbematerial drucken und verkaufen musste. Einmal teilte er einen Mini mit einer Fräse in zwei Teile und platzierte ihn so an seinem Schaufenster, dass es aussah, als sei das Auto in seinen Laden reingefahren. Die nationalen Medien haben sowohl über die Aktion, als auch über die nächtliche Abschleppaktion der Stadtverwaltung berichtet. Eigentlich müsste man jedes Jahr so einen Skandal provozieren, sagt Hauser heute. Gut fürs Geschäft sei das schon gewesen. Aber er habe sich dabei auch viel zu ernst genommen. Das Resultat sei der Verlust seiner ersten Firma gewesen, «ich hatte mich mit Dimensionen identifiziert, die ich mir gar nicht leisten konnte.» Heute versteht Hauser, dass es im «Comeback» in Bern nicht um ihn, sondern um seine Produkte geht: einzigartige Hemden, wie man sie sonst nirgendwo findet. Schrill, charakterstark und beispiellos. So wie Hauser selbst halt. Ein Rock ’n‘ Roller.
Nun ist er nationales Thema
Als Hauser damals mit seinem Mini nach London fuhr, um Poster-Erträge in Kleider umzumünzen, hätte er wohl nie gedacht, dass er sein Geschäft eines Tages übergeben würde. Nachfolgelösungen sind nicht Teil der Karriereplanung von kreativen Menschen. Aber heute ist Hauser 72 Jahre alt. Er sucht einen Nachfolger für das «Comeback». Um das Karussell anzukurbeln, hat er dem Schweizer Fernsehen SRF zugesagt, bei einer Dok-Serie über Nachfolgelösungen mitzumachen. Ab diesem Donnerstag ist er Thema am nationalen Fernsehen. Früher hätte ihn das mit Stolz erfüllt, heute überkommt ihn Schüchternheit. «Ich bin mir das Schaufensterlicht nicht gewohnt», sagt er. Im Schaufenster des «Comeback» standen während 24 Jahren seine Hemden und nicht er. Mithilfe des Schweizer Fernsehens, so hofft Hauser, wird sich jemand finden, der dieses Geschäft inmitten von Massenwaren aus China bei den grossen Warenhausketten und der Online-Konkurrenz aus den USA nach altem Muster der Detailhandelskunst weiterführen wird. Jemand, der die Hemden ins Schaufenster stellt und sich selbst hinter dem Tresen sieht. Hauser ist sich sicher, dass ihm auch das noch gelingen wird. «Ich habe in meinem Leben erfahren, dass man die Dinge erreicht, die man sich in den Kopf setzt.» Man muss es ihm glauben, denn er hat aus einem Postergeschäft heraus eine Marktlücke im Textilbereich erkannt, die Lücke gefüllt und bis heute dominiert. Nach getaner Arbeit wird Hauser seine nächste Reise antreten, erneut in den Norden, wie damals, als er mit einem Mini den Ärmelkanal überquerte. Diesmal will er seine Freundin in den nördlichsten Spitz Norwegens führen. Dort betreibt sein Cousin einen Campingplatz. Sein Auto wird diesmal nicht so prall gefüllt sein wie damals, als er sein Geschäft gründete. Hauser besitzt nur etwa 20 Hemden. Der Rest ist für seine Kunden reserviert.
Jürg Federer