Vor der Kulisse von Eiger, Mönch und Jungfrau zeigen die Thunerseespiele zurzeit das Musical «Ich war noch niemals in New York» mit den Hits von Udo Jürgens. Mittendrin bringt Fabio Guillelmon in der Rolle des Florian das Publikum zum Lachen.
Beim Fotoshooting fühlt sich der Schüler aus Bern sichtlich wohl. Entspannt lächelt er in die Kamera und präsentiert sich gekonnt auf und vor der Bühne vor der Freiheitsstatue sowie backstage im Licht des mit unzähligen Perücken bestückten Maskenraums. Ein Plan hängt an der Wand. «Um 18.30 Uhr gehe ich jeweils in die Maske. Das dauert zirka eine Viertelstunde. Wir singen ein, testen das Mikrofon, quatschen, legen die Requisiten bereit und 20 Minuten vor Beginn steige ich ins Kostüm», erklärt Fabio den Ablauf eines typischen Abends vor der Aufführung. Dass er sich diesen Sommer mit zwei Bühnenkollegen die Rolle des Florians teilt, ist kein Zufall – aber für ihn pures Glück. Doch beginnen wir von vorn.
Liebe auf den ersten Blick
Die Faszination fürs Musical keimte zum ersten Mal vor 9 Jahren auf – und ausgerechnet im Musical «Ich war noch niemals in New York». «2010 besuchten wir Fabios Urgrossmutter in Stuttgart. Überall hingen Plakate des Musicals – und Fabio wollte es unbedingt sehen», erzählt Mutter Jane. Einige Monate später war es soweit. Fabio sass in der ersten Reihe und war hin und weg. «Besonders fasziniert war ich von der Rolle des Florians, von seiner kecken Art und den lustigen Kommentaren, mit denen er das Publikum immer wieder zum Lachen bringt», erinnert er sich. Die Rolle schien ein weit entfernter Traum zu sein. Bis im Herbst 2018. Im Verlauf seiner sechsjährigen Bühnenkarriere mit dem Kinderchor Köniz sang er etliche Male bei Produktionen des Stadttheaters Bern mit. In der Oper «Anna Karenina» kam er Ende 2017 zu seiner ersten Solorolle als Serjoscha. Prompt entdeckten die Verantwortlichen der Thunerseespiele das junge Talent und motivierten Fabio zum Casting für die neue Produktion. Er sang Udo Jürgens’ Hit «Mit 66 Jahren» und bekam die Rolle – zusammen mit Linus Niederhauser und Jeremy Birchmeier.
Ohrwurm als Höhepunkt
«Mit 66 Jahren» – genau dieses Lied singt Fabio in jedem seiner Auftritte als Solo. Es ist sein persönlicher Höhepunkt. Obwohl er mit der Musik von Udo Jürgens bis zum Start der Proben für die Thunerseespiele nicht viel anfangen konnte, gehören nun Lieder wie «Schöne Grüsse aus der Hölle» oder «Aber bitte mit Sahne» zu seinen Lieblingen. «Ich kann alle Liedtexte und auch die Sprechtexte des gesamten Ensembles auswendig», lacht der Jungschauspieler. Das Lernen von Choreografien und Melodien fällt ihm dank langjährigem Stepptanztraining und Cellounterricht leicht. Und auch den Schulstoff hat er nebst den vielen Proben seit Mai mit links gemeistert.
Sommerferien zuhause
Mit seinem Engagement hat sich die Familie auch verpflichtet. Ferien liegen diesen Sommer höchstens während einer Woche drin. «Die Auftritte und Ersatzvorstellungen sind glücklicherweise frühzeitig eingeteilt worden», sagt Jane und Fabio ergänzt: «Es macht einfach unheimlich viel Spass, Teil einer so grossen Produktion zu sein, mit den Schauspielern zusammen zu essen, zu lernen und zu feiern. Die Stimmung im Ensemble ist hervorragend, alle geben jedes Mal ihr Bestes. Der Mix aus Profis und Amateuren ist für mich sehr bereichernd. Wir unternehmen öfters etwas zusammen und gestalten eine Benefizveranstaltung.»
Fabio bleibt bescheiden
Mit der jugendlichen Hauptrolle der Thunerseespiele ist für Fabio ein Traum wahr geworden. «Es ist wichtig, dieses Erfolgserlebnis richtig einzuordnen», meint Jane. Fabio bestätigt: «Es gibt nur sehr wenige Solorollen für Jugendliche und Kinder. Dass ich innert kurzer Zeit gleich in zwei grossen Stücken dabei sein kann, ist pures Glück. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort.» Er bleibt bescheiden und bleibt realistisch: «Wenn ich in Zukunft zum Beispiel im Amateur-Chor der Musical Singers der Thunerseespiele mitsingen darf, bin ich glücklich. Nicht nur wegen des Bühnenerlebnisses, sondern vor allem wegen der tollen Stimmung und den kreativen Menschen.» Wovon er nach diesem aufregenden Sommer noch träumt? «Ich würde gerne eines Tages in einem Musical Gesang und Stepptanz kombiniert performen.»
Regina Münstermann