Spielzeug kaufen, Zeit mit Freunden, Musikschule – im Lockdown hat Primarschüler Maxime so einiges vermisst. Jetzt freut er sich auf sein Schulpult und die Grosseltern.
«So einen würde ich mir noch kaufen!» Maxime Karlen ist aufgeregt. Aus einer Box holt er einen Dinosaurier nach dem anderen hervor. Denn der Primarschüler plant schon, was er nach dem Ende des grossen Lockdowns alles machen will. So freut sich Maxime auch darauf, mit seinen Eltern zusammen wieder in Berns Geschäften einkaufen zu gehen. Ganz oben auf der Liste steht natürlich: «Spielzeug!» Genug Sackgeld hat er inzwischen angespart. In einem Glas stapeln sich die Münzen. Und wenn er etwas mehr ausgeben dürfte? Maxime überlegt, dann leuchten seine blauen Augen: «Lego.» Sein Lieblingsgeschäft in Bern ist der Chlätterbär. Aber noch ist es nicht soweit. Bevor die Läden, Restaurants und Schulen wieder öffnen, startet für den Erstklässler die letzte Woche Homeschooling. Auf dem Stundenplan stehen u.a. Mathematik, NMG und Deutsch. Letzteres bringt seine französischsprachige Mutter Valérie schon mal an ihre Grenzen. «Neulich musste Maxime in einem Gedicht Reimwörter einfüllen. Da bin ich fast verzweifelt», erzählt sie und kann heute über die Situation lachen. Auch die Bastelprojekte waren wegen Materialmangel und Motivationstiefs eine Herausforderung. Schliesslich klappte es aber doch. Stolz hält Maxime einen Falthasen in die Luft, den er vor Ostern gebastelt hat. Aber am besten gefällt ihm an der Schule zuhause das Fach Sport. Dafür suchte er sich im Wald Hindernissen und übersprang sie. Er ist gerne in der Natur. «Sonst gehen wir mit der Schulklasse öfter in den Wald, das vermisse ich jetzt», sagt er.
Der böse, kleine Feind
Am meisten vermissen er und seine Eltern derzeit aber Maximes kleinen Bruder. Der vierjährige Alexandre war zu Beginn des Lockdowns gerade in den Ferien bei seinen Grosseltern und seinem Onkel im Wallis. Spontan verlängerten die Karlens den Aufenthalt, auch weil der Kleine sich so freut, bei seinen Grosseltern zu sein. Corona erklärten die Eltern ihm spielerisch: «Das ist ein böser kleiner Feind, vor dem wir uns verstecken müssen.» Täglich erreichen sie nun Videos, in denen Alexandre auf der Wiese spielt oder Ostereier sucht. Am Sonntag sah Maxime seinen kleinen Bruder endlich wieder, die Grosseltern brachten ihn zurück. Seit Wochen hat Maxime viele Familienmitglieder und Freunde nicht gesehen. Es mangelte an Spielkameraden. «Alleine spielen ist langweilig.» Wenn Maxime am Montag wieder zur Schule gehen darf, wird er als Erstes mit seinen Freunden Fussball kicken und sein Pult begrüssen. «Dieser Tisch hier ist viel zu breit», bemängelt Maxime. Im Moment ist eben alles ein bisschen komplizierter. Er und seine 20 Mitschüler treffen sich täglich mit den Lehrern virtuell per Videochat. Einmal pro Woche hat Maxime mit einer Lehrerin alleine Unterricht. Mit dem Schulstoff kommen die Karlens gut zurecht. «Das ist eine der positiven Seiten an der Krise. Wir Eltern sehen, was die Lehrer für einen tollen Job machen. Ich hoffe, dass wir gegenseitig künftig mehr Verständnis haben», sagt Raphaël, Maximes Vater, während der Junior seine Eisenbahn aufbaut. An diesem Samstagnachmittag regnet es, sonst wäre Maxime sicher mit seinem blauen Velo unterwegs. «Und gäbe es Corona nicht, würde ich mit meiner ganzen Familie in den Tierpark gehen», erzählt Maxime.
Maxime stürmt das Meeting …
Im Moment entdeckt er dafür, was in seinem Garten kreucht und fleucht und berichtet von Würmern, die er kürzlich gefunden hat. «Die Kinder können derzeit mehr entdecken», findet Papa Raphaël. Der Digital Entrepreneur und seine Frau, die als Politologin tätig ist, sind froh, dass sich ihr ältester Sohn auch mal allein beschäftigen kann. Wirbelwind Maxime stürmte da schon mal das ein oder andere Homeoffice-Meeting. Die Kollegen nahmen es mit Humor. Maxime haut eben im wahrsten Sinne des Wortes gerne auf die Pauke. Ist doch sein Hobby Schlagzeug spielen. Musikunterricht gibt es für Maxime zwar derzeit auch nur per Videochat, aber bald geht es wieder ans Konsi in die Altstadt. Nach der ersten Musikstunde freut sich die Familie vor allem auf eines: im Tearoom gegenüber Zvieri zu essen.
Michèle Graf