Bruno Blaser hat ein Händchen für wertvolles Holz. Die Liebe zu seinem Beruf hat der Berner Antikschreiner allerdings erst ziemlich spät entdeckt.
Ein Hauch Lack liegt in der Luft, nur überdeckt vom süsslichen Geruch von Leim und Holz. «Das nehme ich schon gar nicht mehr wahr», sagt Antikschreiner Bruno Blaser in seiner Werkstatt, lacht und zeigt einen hölzernen Spieltisch aus dem 19. Jahrhundert. Nach der Aufbereitung wird das Schachbrettmuster wieder gut zu sehen sein. Ringsherum warten Stühle, Schränke und Tische ebenfalls darauf, im alten Glanz zu erstrahlen. Blaser schätzt jedes Stück, dabei entdeckte er seine Liebe zu Antiquitäten erst auf den zweiten Blick. Als Jugendlicher interessierte er sich wenig für den Beruf seiner Mutter, die in den 80ern die Werkstatt ihres Lehrmeisters übernehmen konnte. «Ich bin erst mit Anfang 20 auf den Geschmack gekommen», erinnert sich der Quereinsteiger. Trotz handwerklichem Talent: Der entscheidende Faktor in seinem Beruf ist Erfahrung. Eine Ausbildung zum Antikschreiner gibt es bis heute nicht. «Das meiste habe ich von meiner Mutter gelernt. Von Generation zu Generation», erzählt Blaser.
Aufwendige Handarbeit
Als antik gelten Möbel, die älter als 100 Jahre sind. Wobei Möbel aus den Epochen vor 1850, bevor eine industrielle Fertigung möglich war, besonders wertvoll sind. Bei einem Bijou in seiner Werkstatt gerät der Restaurator ins Schwärmen: Ein Trois Corps, ein dreiteiliger Sekretär, aus dem Jahr 1804, sogar mit geheimen Schubladen. «Diese Schnitzereien…», staunt der Schreiner. Insgesamt 100 Arbeitsstunden wird er darauf verwenden, den kostbaren Schrank sanft zu restaurieren. Gerade klebt er zum zehnten Mal das Furnier. «Die grösste Freude habe ich, wenn ich einem alten Möbelstück, das unscheinbar in einer Ecke verstaubte, neues Leben einhauchen kann», so Bruno Blaser. Dabei geht es um weit mehr als blosse Instandsetzung. «Es bekommt seine Ausstrahlung zurück, kann seine Geschichte wieder erzählen.» Auch Möbel aus dem 18. Jahrhundert aus dem Schloss Jegenstorf durfte er schon herrichten und verrät: «Die sind oft einfacher zu restaurieren, weil sie in einer Topqualität hergestellt wurden. Sie leiden weniger und wurden gut gepflegt.» Dagegen sind Stühle die Sorgenkinder in der Werkstatt: oft stark abgenutzt und überall notdürftig geflickt.
Brauchbar machen, so dass das Möbel wieder erfreuen kann
Obwohl Blaser beruflich immer von Möbeln aus vergangenen Zeiten umgeben ist, findet er eine voll antike Einrichtung nicht wohnlich. «Niemand richtet sich mehr so museal ein. Nein, mir gefällt es, in moderne Räume das eine oder andere antike Stück mit Geschichte zu stellen. Gerade in hellen Wohnungen mit viel Glas wirkt das und belebt sich gegenseitig. Antiquitäten geben einem Wohnraum Wärme und Ausstrahlung. Das können neue Möbel nicht.» So lebt er es auch zuhause. Über seinem rustikalen Wohnzimmertisch hängt eine moderne Lampe.
Weg vom Prunk, hin zum besonderen Einzelstück
In den letzten 30 Jahren hat sich Blasers Geschäft stark verändert. Früher kamen die reichen Berner Antiquitätenliebhaber mit den kostspieligsten und grössten Möbeln zu ihm, aber auch einen breite Mittelschicht hatte Freude an den Möbeln auf Zeitreise. «Ob Luxusobjekt oder einfaches Möbel aus einem Bauernhaushalt, in meiner Anfangszeit war alles gefragt. Damals wurde viel gesammelt. Unglaublich, was da heute noch zutage kommt.» Hochglanzpolierte Luxusantiquitäten sind fast unverkäuflich geworden. Robuste Tannenmöbel in Form von Tischen, Schränken, Kommoden sind gefragter. Blaser vermutet dahinter auch einen ökologischen Gedanken. «Jetzt kommen zunehmend junge Leute zu mir, die bewusst keine Wegwerfmöbel wollen, sondern Stücke mit Geschichte.» Digital Natives auf der Suche nach «etwas zum Anfassen». Er streicht über die Tischplatte eines rustikalen Nussbaumholztisches, der gerade in seinem Ladenlokal steht. Fast zeitlos, in ungewöhnlicher Länge. Er könnte für eine grosse Familie ein Lebensmittelpunkt werden, stellt sich der Schreiner gerne vor. Das Stück muss einen faszinieren. Blaser beschreibt es als eine Beziehung: «In ein antikes Möbelstück muss man sich verlieben.»
Michèle Graf