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Er interviewte Arafat und Mubarak, aber nie Max Frisch

Einst «Bund»-Chefredaktor, heute Buchautor und Reisebegleiter. Im Gespräch mit dem Bärnerbär blickt Artur K. Vogel auf seine schönsten Zeiten wie auch auf seine dunkelsten Stunden zurück.

«Ich kann mir das Theaterstück bereits vorstellen, das zwischen dem Esszimmer, den Salons, der Veranda und den Rasenflächen dieses Herrenhauses aufgeführt werden wird: eine Aufführung, die manchmal ins Komödiantische, manchmal ins Dramatische abdriften wird.» So zu lesen auf Seite 13 des Romans «Gnadenhochzeit», wo die Feierlichkeiten zu einem 70. Hochzeitstag in einer Genfer Villa eingeläutet werden.

Wie kam dessen Autor, Artur Kilian Vogel, auf die Idee, einen Roman über die Irrungen und Wirrungen von fünf Generationen zu verfassen? «Ich habe die Idee zusammen mit einem Bekannten aus der Romandie entwickelt. Es war bald klar, dass die Handlung ‹Röschtigraben-überschreitend› sein wird. Aber wegen unterschiedlicher Auffassungen trennten sich unsere Wege während des Projekts und ich schrieb das Buch schliesslich allein.» Sein welscher Kollege verfasste den Roman auf Französisch, jedoch mit völlig anderem Inhalt, wie Vogel verrät. Die französische Version erscheint im Herbst 2022.

Schreiben in schlaflosen Nächten
Doch wieso schreibt der ehemalige «Bund»-Chefredaktor überhaupt, Bücher? Ist ihm langweilig? «Nein, überhaupt nicht», entgegnet er lachend. Er habe seit seinem Ausscheiden beim «Bund» 2014 drei Berufe: Freelancer bei verschiedenen Print- und Online-Medien, Schriftsteller und Reiseleiter. «Ich brauche wenig Schlaf und wenn ich morgens um vier Uhr erwache, setze ich mich an den Compi und schreibe. Schreiben gehört nach wie vor zu meinen Lieblingsbeschäftigungen.»

Vogel hätte eigentlich lieber Architekt werden wollen, «aber ich war in den naturwissenschaftlichen Fächern eine derartige Niete, dass ein Architekturstudium ausser Frage stand», blickt er ohne Verdruss zurück.
In welchem seiner fünf Romane hat es am meisten Artur Vogel drin? Er überlegt nicht lange: «Beim ‹Zeitungsmann, dem die Sprache verloren ging›, den ich 2020 verfasst habe. In diesem Buch gibt es viele Schauplätze, die ich während meiner Korrespondentenzeit im Nahen Osten selbst erlebt habe.» Personen und Beziehungen seien aber frei erfunden.
Die Suche nach einem Verlag für die Herausgabe gestalte sich oft schwierig. Für den «Zeitungsmann» habe er während drei Jahren gegen 30 Verlage angeschrieben. «Von den meisten erhielt ich gar keine Antwort. Der Cameo-Verlag in Bern hat sich dann spontan entschlossen, das Buch zu verlegen.» Für die «Gnadenhochzeit» sei es dann kein Problem mehr gewesen.
Bei Vogels Romanen plätschert die Handlung nicht einfach so dahin, sie steigert sich, der Spannungsbogen hält bis zum Schluss. Er habe das Konzept im Kopf, manchmal schreibe er sich die einzelnen Kapitel auf. «Ich sehe meist schon den Anfang und den Schluss, dann geht es nur noch darum, die ‹Lücke› dazwischen zu füllen!», untertreibt er.

«Bund» erhält nur Bronze
Nach dem ersten Rang seiner beruflichen Stationen befragt, kommt die Antwort in Sekundenschnelle: «Das war meine achtjährige Korrespondententätigkeit für den ‹Tagesanzeiger› im Nahen Osten. Während dieser Zeit kamen auch meine beiden Töchter zur Welt, es war buchstäblich meine fruchtbarste Zeit!», lacht Vogel.

Seine damaligen Interviewpartner lesen sich wie eine Zeitreise: Jassir Arafat, Hafiz al-Assad, Hosni Mubarak, Shimon Peres, Jitzchak Rabin. Gerne hätte er einmal den bissigen deutschen Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki oder den Schweizer Schriftsteller Max Frisch im Interview gehabt, «aber dazu kann es leider nicht mehr kommen», bedauert er.

Die «Silbermedaille» vergibt Artur Vogel seiner gegenwärtigen Tätigkeit als Begleiter von Leserreisen in ferne Länder – Begründung erübrigt sich … Bloss auf dem dritten Platz rangiert seine Funktion als Chefredaktor von «Der Bund». Der Spardruck der neuen Besitzerin Tamedia (heute TX Group) sei enorm gewesen. «Man wollte den ‹Bund› einstellen», erinnert sich Vogel. «Zusammen mit dem ‹Tagesanzeiger› entwickelten wir ein Konzept, um die Zeitung am Leben zu erhalten. Es gelang uns zwar, aber ich musste in der Folge 25 Mitarbeitende entlassen, das war mein schwärzester Tag in meiner beruflichen Laufbahn.»
Was hält er vom De-facto-Zusammenschluss der beiden Tageszeitungen «Bund» und «BZ»? «Natürlich bedauere ich das extrem. Aber es hat wohl wenig Sinn zu lamentieren, denn weder Verleger, Leser noch Werbetreibende sind heute noch wirklich an Print-Titeln interessiert.»

Zum Schluss unseres Gesprächs gesteht Vogel, dass er den Bärnerbär während seiner Zeit als «Bund»-Chefredaktor gerne dafür genutzt habe, auf den People-Seiten zu erscheinen. «Nicht zu oft, aber wohl dosiert!» Mit Spannung verfolge er heute jeweils die Rubrik «Sässurücke»: «Ich finde es gut, dass es den Bärnerbär in unserer Stadt gibt.»

Peter Widmer

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