Alle Vöglein sind … noch nicht wieder da. Wenn es im Frühling pfeift und singt, ist Manfred Zimmermann in seinem Element. Der Präsident des Berner Vogelschutzes verrät, was man tun kann, um Singvögel zu schützen.
Schwarze Knopfaugen, ein rundes Köpfchen und eine leuchtend orange Brust: Wenn Manfred Zimmermann ein Rotkehlchen erspäht, geht ihm das Herz auf. Seit seiner Kindheit ist der winzige Vogel der Liebling des heute pensionierten Biologen. «Das Rotkehlchen war einer der ersten Vögel, den ich selbst beobachten konnte. Ich mag es, wenn ich im Spätherbst spaziere und die Rotkehlchen in meiner Spur im Laub nach Futter suchen. Aber ich mag eigentlich all unsere heimischen Vogelarten gern.» Ob Singdrossel, Star, Buntspecht, Kleiber, Grünfink oder Kohlmeise: Zimmermann kennt beinahe jeden Gesang und Ruf, der in Bern ertönt. Auf seinem Weg durch die Elfenau unterbricht er immer wieder das Gespräch. «Das ist der Warnruf der Amsel!» «Da gurrt die Ringeltaube.» Jeden noch so kleinen Vogel kann er mit seinem Feldstecher und geübten Augen erspähen. Schon in den 70ern engagierte Zimmermann sich im heimischen ornithologischen Verein, heute steht er dem 1989 gegründeten Berner Vogelschutz BVS mit 2500 Mitgliedern und lokalen Sektionen vor. Mit dem zweiten Kantonalverband, Berner Ala, arbeitet man nun verstärkt zusammen. Neben Kursen in Vogelkunde für Anfänger bis Hobby-Ornithologen und Exkursionen, verbindet der BSV Umweltschutzorganisationen, kantonale Stellen und lokale Vereine, hilft bei der Schaffung von Schutzgebieten und leistet Aufklärungsarbeit. Und die tut bitter Not: «Leider steht es um den Vogelbestand schlecht. Die Liste der gefährdeten Arten wird länger. Und konstant 40 Prozent der Brutvogelarten sind bedroht.» Der Rückgang sei bei manchen dramatisch, wie beispielsweise beim Vogel des Jahres, der Feldlerche.
Hat es sich ohne Schutz bald ausgezwitschert?
Die Gründe für das Vogelsterben sind vielfältig: weniger und zu kleine Grünflächen in den Städten, intensive Landwirtschaft, Klimawandel, Insektensterben und viele weitere Faktoren. Deshalb ist auch Zimmermann nach jahrelanger Skepsis dazu übergegangen, die Vögel in seinem Garten im Winter zu füttern. «Gerade wenn die Schneedecke kompakt ist, ist es sinnvoll. Die Vögel werden dadurch nicht faul. Zudem glaube ich, dass die meisten viel lernfähiger sind und mehr untereinander kommunizieren können, als wir denken.» Obendrein ist das emsige Treiben am Futterhäuschen auch ein Highlight für Kinder, die so viele Arten im eigenen Garten beobachten können. Zimmermann liegt es am Herzen seine wichtige Vogelschutz-Mission an zukünftige Generationen weiterzutragen. Ob Vogelquartett, Nistkastenbau, Besuch in der Vogelwarte oder Gesang-Quiz: «Viele Kinder begeistert das. Mein Enkel kann jetzt schon viele Arten unterscheiden.» Auch im Verein findet nun langsam ein Generationenwechsel statt, den Zimmermann sehr befürwortet. Über Nesträuber, kotende Tauben und wildernde Hauskatzen regt er sich nicht auf. «Katzen sind geborene Jäger. Sie umzuerziehen, ist fast unmöglich.» Vielmehr rät Zimmermann dazu, wenn möglich, den eigenen Garten vogelfreundlicher zu gestalten. Wer genug Platz hat, kann einen Teil nicht mähen und Wildblumen aussähen, Efeu und Asthaufen erhalten, einheimische Büsche und Bäume pflanzen, Betonwüsten vermeiden und lieber die Wände begrünen. «Und man kann sich beim lokalen Vogelschutzverein Nistkästen besorgen.» In der Elfenau hängen zahlreiche solcher Kästen, teilweise von Meisen bewohnt. Doch Zimmermann nähert sich nur vorsichtig. «Brütende Vögel sollte man nicht anlocken.» Nebenan haben sich Rabenkrähen niedergelassen, Elstern fliegen herum. Den schlechten Ruf der schwarz-weissen Räuber will der Vogelkundler gleich entkräften: «Man spricht ja oft von der diebischen Elster. Dass sie Schmuck und Glänzendes stehlen, um ihr Nest zu verschönern, ist aber Unsinn. Diese Pauschalannahmen über Vogelarten sind immer schwierig.»
«Dort jubelt die Mönchsgrasmücke»
Noch sind nicht alle Vögel aus ihrem Winterquartier im Süden zurück. Gerade tauchen Star und Zilpzalp wieder auf. «Wegen des Kälteeinbruchs lässt die Rauchschwalbe noch auf sich warten», vermutet Zimmermann und zückt den Feldstecher. Er lauscht: «Dort jubelt die Mönchsgrasmücke. Eine Gewinnerin in unserem zunehmend milden Klima. Sie hat sich in den letzten Jahren gut vermehrt.» Das Verhalten solcher Kurzstreckenzieher verändert sich: Viele Arten, die sonst im Mittelmeerraum überwinterten, bleiben zunehmend hier beziehungsweise kehren früher zurück. In einer Stadt wie etwa in Bern sind die Vögel eben enorm anpassungsfähig. Immer mehr Arten erobern die Siedlungsgebiete. So fühlt sich der Hausrotschwanz bei städtischen Steinbauten durchaus wohl, da er eigentlich aus felsigen Berglandschaften in Asien stammt. Es sieht ganz danach aus, als ob in Zukunft vermehrt der schlaue denn der frühe Vogel den Wurm fängt.
Michèle Graf