«Es gibt Tausende Gründe, nach Bern zu kommen»

Er ist einer der letzten grossen Schweizer Bandleader. Pepe Lienhard (72) über wilde Zeiten, Udo Jürgens und seine grosse Liebe zur Hauptstadt.

Pepe Lienhard, wer Sie so sieht und miterlebt, denkt: Der Mann kann doch unmöglich 72 Jahre alt sein!
Heute ist das mit dem Alter ja etwas anders als früher, man lebt viel gesünder. Ich fühle mich schon nicht mehr wie 20, aber einfach aufhören zu arbeiten und auf einem Bänkli sitzen – das kann ich nicht. Ich habe noch viel positive Energie.

Udo Jürgens sang ja einst: «Mit 66 Jahren fängt das Leben an.»
Stimmt (lacht). Sie müssen wissen: Ich habe eine tolle Frau, die mich bei allem unterstützt, seit sieben Jahren besitzen wir ein altes Bauernhaus im Thurgau. Eine richtige Wohlfühloase, die wir im Internet gefunden haben und wahnsinnig viel Platz bietet.

Ihre aktuelle Tournee heisst «World of Music». Wie sieht Ihre Musikwelt denn aus?
Mein Spektrum an Interessen war stets gross, der Fokus lag aber natürlich auf Swing. Das machen wir nach wie vor, weiten unsere Palette aber aus, spielen Musik von Hazy Osterwald oder natürlich Udo Jürgens. Weil wir gemerkt haben, dass unserem Publikum auch andere Dinge gefallen.

Wer Online-Konzertkritiken von Usern liest, dem fällt auf: Die Leute schreiben fast ausschliesslich nur positiv über Ihre Shows.
Ich spiele fürs Publikum, das habe ich schon immer so gehandhabt. Ich bin zudem ja kein Komponist, sondern ein Interpret. Ich mache zwar keinen volkstümlichen Schlager, stelle aber an mich selbst hohe Qualitätsansprüche.

Also gibt es von Ihnen nie ein «Atemlos»?
Definitiv nicht. Ich habe Respekt vor Künstlerinnen wie Helene Fischer und würde ihre Hits nicht anrühren, schlichtweg auch darum, weil ich mich nicht anbiedern möchte. Das war nie mein Ding.

Sie treten am 31. Oktober im Kursaal auf. Sie haben eine enge Bindung zu Bern.
Ich ging an der Jazzschule am Eigerplatz ein und aus, die Menschen dort kannte ich alle. Ausserdem nahm ich Stunden am Konservatorium. Und: Wir haben zigmal im Babalu gespielt. Früher waren wir mindestens einen Monat im Jahr hier.

Die wilden Zeiten von Pepe Lienhard?
Sex, Drugs and Rock ‘n’ Roll gab es bei uns nicht. Wir waren eine Coverband, lebten für die Musik, fuhren nach den Konzerten aber wieder heim. Ich bin Jahrgang 46, also kein 68er, obwohl ich nichts gegen diese Bewegung hatte. Es war einfach eine andere Zeit. Meine Töchter hören heute ganz unterschiedliche Musik. Nicht schlechter, aber anders.

Also gingen Sie in Bern gar nie in den Ausgang?
Zugegeben, wir waren als Band recht «verfressen» (lacht), das Della Casa war unsere Stammbeiz. Kalbskopf, Bollito misto … Nur kann ich ja nicht jedes Mal nach Bern rennen, wenn ich Lust auf gebratene Nudeln habe. Es gibt Tausende Gründe, hierher zu kommen. Meine Frau kommt ursprünglich aus Seedorf in der Nähe von Aarberg, wir sind dort häufig bei ihren Eltern zu Gast. Und ich bin als Tierliebhaber natürlich ein Fan des Tierparks Dählhölzli.

Sie mögen vor allem Vögel.
Ja, ich habe Vögel früher fast exzessiv gezüchtet, besass sogar Flamingos (lacht).

Stört es Sie eigentlich, dass Sie alle auf Ihre 24 Jahre jüngere Frau Christine ansprechen?
Nein, ich habe ja keine Leichen im Keller. Den Altersunterscheid merke ich vielleicht daran, dass sie am Computer etwas gewandter ist als ich (lacht). Wir sind aber nicht ein Paar, das sich fragt: Was ist, wenn ich 100 bin und sie erst 76? Wenn alles normal läuft, sterbe ich früher, klar, aber darüber denken wir nicht nach. Deshalb sitzen wir manchmal einfach im Garten und sind froh darüber, wie gut es uns geht. Ich bin Gottseidank gesund, die Hüftoperation war erfolgreich und wir haben als Band schon wieder eine Anfrage für eine Kreuzfahrt von New York nach Amsterdam 2020.

Sind Sie eitel?
Ich zupfe nicht jedes Härchen, aber ich schaue darauf, dass ich auch gut angezogen bin, wenn ich in Frauenfeld ausgehe. Mein einziges tägliches Ritual sind Rasierschaum und Pinsel. Anzug und Krawatte trage ich privat nicht, Make-up nur fürs Fernsehen. Doch meine Frau würde wohl reklamieren, wenn ich das Haus ungepflegt verlasse (lacht).

Nun ist es fast vier Jahre her, seit Udo Jürgens gestorben ist. Vermissen Sie ihn?
Wir haben 37 Jahre lang zusammengearbeitet. Die letzten Jahre, als er in Gottlieben TG wohnte, kamen wir uns privat noch viel näher, sassen häufig gemütlich zusammen und haben ein Bier oder einen Kaffee getrunken. Wenn ich dann in meiner Umgebung oder auf Tourneen unterwegs bin und denke: Hier hat Udo gerne gegessen, hier war ich mit ihm bereits … dann tut das schon weh. Er konnte das Leben geniessen und hatte einen schönen Abgang. Er ist in unserem Herzen verankert. Ja, wir vermissen ihn sehr.

Yves Schott

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