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Freiheitsgeruch auf zwei Rädern

In Berns Moto Club Zytglogge sind Töffbegeisterte aller Couleur zuhause. Fern vom Klischee der Motorradrocker geht es Vorstand Christian Gerber und Jürg Krummen vielmehr um Genussmomente und Gemeinschaft.

Einmal den Kopf lüften, Freiheit spüren und den Alltag hinter sich lassen: Das sind für Jürg Krummen und Christian Gerber die Hauptgründe, aufs Motorrad zu steigen. Im Sattel kennen sie keine Sorgen. «Man spürt den imposanten Fahrtwind, alle Gerüche dringen unter den Helm; das ist total belebend», schwärmt Gerber über sein liebstes Hobby. Dieser Tage haben er und seine Vereinsmitglieder vom Moto Club Zytglogge MCZ wieder die Maschinen aus der Garage geholt, sich in die Lederkombi gezwängt und die ersten Ausfahrten der neuen Saison gewagt. «Über einen Pass fahren, Kurve um Kurve nehmen, neue Landschaften kennenlernen – ich kenne keinen Töfffahrer, der da nicht glücklich ist», sagt Club-Präsident Krummen. «Aber Motorradfahren kann auch schnell ein einsames Hobby sein. Ich habe mehr Spass, wenn ich meine Frau mitnehmen kann», ergänzt Gerber. Wer auf dem Töff weniger heizen, sondern vielmehr die Landschaft geniessen und den Austausch mit anderen Zweiradenthusiasten pflegen will, ist in ihrem Club gut aufgehoben. Der MCZ wurde 1990 auf Initiative der Fahrschule Zytglogge ins Leben gerufen und zählt heute 43 Mitglieder. Neben einem monatlichen Stammtisch in Worblaufen stehen die gemeinsamen Ausfahrten im Mittelpunkt. Die führen die Teilnehmenden regelmässig quer durch die Schweiz, aber auch für mehrtägige Touren ins Ausland. Für die Planung ist jedes Mal ein anderes Clubmitglied verantwortlich. «Haben Sie zehn Töfffahrer, haben Sie zehn neue Lieblingsstrecken», fasst Gerber zusammen. «Man trifft immer Leute, mit denen es fägt.»

Ärger auf der Strasse gibt es (fast) nie
Ob gemütlicher Chopper-Fahrer, Enduro-Liebhaber, Goldwing-Lenker oder Rennmaschinen-Fan, der Club versucht stets für alle ein passendes Programm auf die Beine zu stellen und auch für Junge attraktiv zu sein. Mit dabei sind Anfänger und einige Frauen, ob als Sozia oder selbst am Lenker. «Der Anteil der Frauen, die Töff fahren, hat definitiv zugenommen», stellt Gerber mit Blick auf die Strasse fest. «Und sie stehen den Herren im Können in nichts nach. Sie fahren oft nur etwas vorsichtiger.» Was im Club durchaus von Vorteil ist. «Bei den Ausfahrten sind wir meist mit 15 Leuten unterwegs. Wenn da der Erste in der Gruppe Gas gibt, kommen die Letzten kaum hinterher», weiss Krummen. Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmende und ein jährliches Fahrsicherheitstraining mit dem TCS oder einem Fahrlehrer auf einer abgesperrten Strecke sind deshalb im Clubleben verankert. Ärger mit Autos und Velos auf den Strassen gibt es fast nie. Nur beim gegenwärtigen E-Velo-Boom schütteln Gerber und Krummen die Köpfe. «Oft fahren sie viel zu schnell und ohne zu schauen in Kreisel hinein.» Ihr benzinbetriebenes Hobby zugunsten der Umwelt aufgeben würden die Männer des MCZ nicht. Sie kritisieren eher die Lärmbelästigung durch offene Auspuffanlagen, die Normwerte überschreiten.Die ersten E-Töffs, die derzeit auf den Markt kommen, überzeugen die Fans des röhrigen Motorradsounds nicht. «Sie sind zu teuer, schwer und die Reichweite ist viel zu gering. Nach 60 Kilometern muss man Strom tanken. Und das Surren! Nein, auf so einem frisierten Zahnbürstli wollen wir nicht sitzen», lacht Krummen. Das wäre bei den durchschnittlich 250 Kilometer langen Tagestouren des Clubs auch schwierig. Dafür wird manchmal in aller Herrgottsfrühe um 4 Uhr am Sonntag aufgebrochen. Erster Stopp: Zmorge. Später kehren die Biker zum Mittagessen ein. «Der kulinarische Genuss ist bei uns mindestens genauso wichtig wie das Fahren», sagt Krummen, dessen Club auch Dessertfahrten mit Meringue macht. Hier wird geplauscht, gegessen, Tipps und Tricks besprochen.

Die Geheimtipps der Experten
In der Pandemie hat die Zahl der Neuzulassungen nochmals enorm zugelegt. Es wird voller auf der Strasse. Die Klassiker Schallenbergpass und Gurnigel umfahren die Herren bei schönem Wetter deshalb meist. Zu voll, zu gefährlich. Aber welche ist nun die beste Töffstrecke im Kanton Bern? «Für mich liegt sie im Emmental. Dort gibt es zahlreiche kleinere Pässe, die nur wenige kennen», so Krummen, der nach 24 Jahren Pause 2017 wieder mit dem Töfffahren anfing. Vorstandskollege Gerber entzieht sich einem Urteil: «Es gibt enorm viele schöne Strecken. Der Jaunpass ist toll, aber auch der Jura.» Das bisherige Motorradhighlight führte den MCZ viel weiter weg: «Das war eine Reise zum legendären Motorradrennen auf der Isle of Men. Eine Woche ein Fest mit Gleichgesinnten», strahlt Gerber und erinnert sich. «Dort kam ich mit einem Fahrer aus Irland ins Gespräch. Ich kann schlecht Englisch, er kein Deutsch und trotzdem haben wir uns blind verstanden.» Für ihn sind es genau diese tollen Begegnungen, die die Begeisterung Töfffahren ausmachen. Krummen stimmt zu: «Alle sind in der Regel duzis. Es ist egal, ob du Unternehmer, Mechaniker oder Professor bist. Alle sind gleich.»

Michèle Graf

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