Sie schafft Verbindung zwischen Matte und Münster: Maja Mores ist die erste Frau, die den traditionsreichen Mattelift bedient. Für sie ist es weit mehr als nur ein Job.
Für 1.40 Franken gehts hinauf, ein Lächeln und einen kurzen Plausch gibts gratis dazu. Wenn wie an diesem nebligen Morgen Maja Mores in der Kondukteurskabine des Mattelifts sitzt, geht für so manchen Fahrgast die Sonne auf. «Wie geht es Ihnen heute?» und «Wie gehts den Kindern?» Maja Mores fragt gerne, während sie Libero-Abos kontrolliert und Tickets locht. Ihre gute Stimmung ist ansteckend. Die Frühschicht ist ihr die liebste: «Es ist schön, wenn der Tag langsam erwacht.»
Seit dem 1. August ist die ehemalige Bibliothekarin als Kondukteurin des Mattelifts unterwegs. Und bricht damit gleich zwei Traditionen: Sie ist in der über 125-jährigen Geschichte des Senkeltrams nicht nur die erste Frau, sie wohnt auch noch im Mattequartier. «Es gibt die Regel, dass Kondukteure nicht von hier sein sollen. Ich durfte dennoch beim Mattelift anfangen, weil ich bald umziehe», erzählt Maja Mores, die ihren kurzen Arbeitsweg im Moment noch geniesst.
Der Job ist für sie eine Herzensangelegenheit. «Nach meiner Pensionierung wurde mir schnell klar, dass mir der rege Kontakt mit Menschen, wie ich ihn im Beruf hatte, fehlt», erzählt sie. Ein Jahr lang überlegte sie und schickte schliesslich eine Blindbewerbung zum Mattelift. Maja Mores machte sich auf kritische Fragen und Widerstand gefasst. Eine Frau im Mattelift? Geht das? Aber die Verwaltung reagierte im Gegenteil begeistert: «Endlich bewirbt sich mal eine Frau!»
Dass sie nun in diese Männerdomäne vorgedrungen ist, macht Maja Mores auch ein bisschen stolz. Sie findet, dass sich seit ihrer Jugend in punkto Emanzipation und Gleichstellung einiges getan hat. Nur aus Tradition Frauen ausschliessen? Wo gibts denn so was noch? «Ob Malermeister oder Lokführer – überall hat es nun Frauen. Die alten Zöpfe werden abgeschnitten, richtig so.» Sie selbst wuchs in einem Frauenhaushalt auf. Für sie war es selbstverständlich, dass Frauen alles machen können.
Notizbuch mit speziellen Anekdoten
Technisch ist die Bedienung des Lifts für Mores kein Problem, wie man das System neu startet, weiss sie ebenso. «Sonst muss ich die Technik anrufen», lacht sie. Auch vor unangenehmen Fahrgästen hat die Kondukteurin keine Angst. Die weist sie verbal und standhaft in ihre Schranken. Solche Situationen sind aber äusserst selten. Aufgrund der Coronasituation begleiten die Kondukteure derzeit die Fahrgäste nicht im Lift, sondern sitzen in einer Kabine in der Badgasse. Geld einkassieren, Statistik führen, geschichtliche Details zum Lift erzählen, plauschen, freundlich an die Maskenpflicht erinnern, reinigen.
Trotz fehlender Touristenströme hat Maja Mores auch 2020 viel zu tun. Wenn sie sich doch mal langweilt, schmökert die sprachbegabte Allrounderin gerne. Heute liegt ein Magazin neben ihr, sonst liebt sie Romane wie «Turbulenzen» von David Szalay. Und sie schreibt! Ein kleines Notizbuch hat sie in den ersten Wochen schon gefüllt: «Mit Namen und Anekdoten.» Denn Maja Mores will die Menschen persönlich ansprechen können. Sie notiert auch spezielle Ereignisse, beispielsweise wenn ihr jemand ein Gipfeli oder Rosen vorbeigebracht hat. Ob sie einmal eine Geschichte über den Mattelift schreiben würde? Sie lächelt: «Warum nicht? Vielleicht.» Einen guten Spielort für einen Stadtkrimi würde der Lift allemal abgeben.
Fahrt in eine andere Welt
Mores gehört zu einem Team aus neun Kondukteuren. Alle Mitarbeitenden sind Pensionierte im Alter bis 75 Jahre. Jeder von ihnen arbeitet etwa sieben Tage pro Monat. Gerade erscheint ihre Ablösung, der ehemalige Radiomoderator Peter Maurer. Gefragt nach dem Lift als Symbol des Lebens, verweist sie auf ihn. «Er sagte mal: Der Lift geht rauf und runter, wie das richtige Leben.»
Sie stimmt zu, auch wenn sie weniger philosophisch veranlagt sei. Aber auf der kurzen Reise nach oben zieht sie dann doch einen Vergleich: «Die Fahrt auf die Münsterplattform ist wie eine in eine andere Welt. Gerade an sonnigen Tagen ist es dort so lebendig.» Früher benutzte sie den Lift fast täglich auf ihrem Arbeitsweg. Sie kannte alle Kondukteure beim Namen. Mit einer ihrer Enkelinnen dichtete sie für jeden gar ein paar Versli. «Aber vorgetragen hat sie sie dann nicht. Sie war noch klein und zu schüchtern», erinnert sich Mores versonnen. Sie wirft noch einen Blick aufs Panorama und schreitet dann in ihre verdiente Pause.
Michèle Graf