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Ganz normal ist das alles immer noch nicht

Seit dreissig Jahren verkauft Annemarie Stettler (58) das im Familienbetrieb produzierte Obst auf dem Bärner Märit. Das Corona-Schutzkonzept verlangt Geduld – von ihr wie auch von der Kundschaft.

Die Kunden haben während des Lockdowns bei Stettlers angerufen und gefragt: «Wie kommen wir zu unseren Äpfeln?» Der plötzliche Stillstand hat auch die Bauern und Marktleute unverhofft getroffen. Doch seit Ende Mai steht Annemarie Stettler wieder hinter ihrem Obststand. Ihr Mann Walter Stettler ist Präsident des Vereins Bärner Märit, der 32-jährige Sohn im Betrieb eingebunden. Mit «Stettler Obst» ist der zwölf Meter lange Stand auf dem Bundesplatz angeschrieben. Es ist acht Uhr morgens und es herrscht schon reges Treiben. «Das hat auch mit Corona zu tun», sagt die gelernte Bäuerin, die in Flugbrunnen zuhause ist. «Die Leute kommen bereits um kurz nach sieben, um nicht in eine Menschenmenge zu geraten.» Geduldig hält sich die Kundschaft an die Abstandsregeln. Markierungen auf dem Boden braucht es dazu keine, nur am Stand selbst gilt die Abstandsregel von 1,5 Metern, die dank Abtrennungen für die Kundinnen und Kunden einfach einzuhalten ist. «Wir tragen keine Masken und Handschuhe, aber wir haben Desinfektionsmittel und waschen uns regelmässig die Hände.» Angst davor, sich selbst anzustecken, hat Annemarie Stettler keine. «Man weiss ja mittlerweile, dass das Risiko einer Übertragung an der frischen Luft kleiner ist», führt sie aus. Einkaufen kann man an ihrem Stand mit Twint, Bargeld ist aber nach wie vor das für den Märit typische Zahlungsmittel.

Es war der Fuchs
«Ganz normal, das ist die Situation auf dem Bärner Märit noch nicht», sagt Annemarie Stettler. Doch die Freude, wieder vor Ort zu sein und die langjährige Kundschaft zu treffen, ist ihr anzusehen. Bei ersten Lockerungen im Mai mussten die Stettlers ihren Stand auseinandernehmen und an verschiedenen Orten in reduzierter Form aufbauen. Nun ist wieder das ganze Sortiment auf dem Bundesplatz. Wer Beratung will, kriegt diese bereitwillig, etwa, was es mit der Apfelsorte Champagner Renette oder Berner Rose auf sich hat. Im Moment sind Kirschen sehr gefragt, denn sie haben Saison. Prächtige «Chlepfer» der Sorte Tamara, Sauerkirschen oder so genannte Hochstammkirschen gehören zum Angebot. Wie aufwändig so eine Produktion ist, erzählt Annemarie Stettler anschaulich. «Im Frühling braucht es Frostkerzen, damit die Blüte nicht erfriert, im Sommer ist Plastikfolie gegen Regen und Hagelnetze gegen Vögel notwendig.» Seit einigen Jahren bedroht zudem ein neuer Schädling die Ernte, die aus China stammende Kirschfliege, die in die Früchte sticht und diese faulen lässt. «Auch der Fuchs hat sich an unseren Bäumen bedient», so Stettler. Warum sie das weiss? «Wir haben ihn gesehen.»

Garage als Hofladen
Während des Lockdowns hatten die Stettlers nicht weniger zu tun als üblicherweise. Die Garage wurde kurzerhand zum Hofladen umgewandelt, bei dem man sich selbst bedienen konnte. «Der Kontakt mit den Kunden hat uns sehr gefreut», sagt Annemarie Stettler. Ein polnischer Mitarbeiter durfte nach einem Aufenthalt in seinem Heimatland nicht mehr in die Schweiz einreisen, dafür blieb ein anderer Angestellter, der eigentlich über Ostern hätte ausreisen wollen, den Stettlers erhalten. Die Geschäftsführerin des Restaurants Eleven im Wankdorf sprang spontan ein und half, den Hofladen zu betreuen, da sie ihre eigene Arbeit nicht mehr ausüben durfte. «Es ist allgemein schwierig, qualifizierte Leute zu finden», meint Annemarie Stettler, die selbst einst eine Bauernlehre abgeschlossen hat, die es heute in dieser Form nicht mehr gibt. «Man muss diesen Beruf lieben», ist sie überzeugt. Sie selbst half schon als Kind bei der Kirschernte mit. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm: Simon Stettler, der älteste Sohn, hat sich zum Obstfachmann weiterbilden lassen und steht hinter dem Märitstand, seit er fünfjährig ist. Tochter Sabrina Stettler ist Lehrerin, und Roman Stettler, der Jüngste, ein Geomatiker geworden. «Märit ist eine Leidenschaft», sagt Annemarie Stettler. Doch sie habe es auch genossen, während des Lockdowns ausnahmsweise zuhause bleiben zu können.

Helen Lagger

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